Computerspiel für Autonome?
Statt im Wald-Trainingslager lassen sich Straßenschlachten im Computerspiel "State of Emergency" üben
Ab Oktober 2001 beginnt im Computerspielbereich die Ära des gewaltsamen Straßenkampfes, denn dann wird wohl in den Vereinigten Staaten ein entsprechendes Spiel auf den Markt gebracht. Eine Gang von fünf autonomen Helden bekämpft die ATO. Auf den Straßen tritt Panik auf, Polizisten prügeln auf Passanten ein, Barrikaden werden gebaut und Gebäude in Brand gesetzt.
Das Computerspiel "State of Emergency" zeigt einen Widerstand mit massivem Waffeneinsatz. Dem politisch interessierten Betrachter fällt auf Anhieb eine Parallele zu den gewalttätigen Demonstrationen bei den letzten Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) und der G8-Gipfeltreffen in Seattle, Prag, Nizza, Quebec, Göteburg oder Genua ein.
Die Spielwelt spiegelt nur immer den Alltag wieder, sagen manche Computerspielexperten. Dabei sei es unerheblich, ob das Geschehen in die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft verlegt wird. Spielinhalte gleichen Metaphern und somit besteht die Spielwelt immer aus dem Guten und dem Bösen. Entsprechend der Spielregeln spielt der Spieler in der Vielzahl der bislang erschienenen Computerspiele auf der Seite der Guten. Nur selten wird diese Regel umgestoßen und er darf auf der Seite der Mafia oder ähnlichen Gruppierungen kämpfen.
Die Gesellschaft und stellvertretend die Jugendschützer reagieren auf diese Umkehrung aller Spielprinzipe immer recht sensibel. So wurde zum Beispiel der "Autobahnraser" allein deshalb kritisiert, weil hier alle Grenzen der alltäglichen Verkehrsregeln durchbrochen wurden. Dabei wurde aber auch verkannt, dass der virtuelle Raser ab einem bestimmten Punkt von der Polizei verfolgt und letztlich vielleicht sogar gestellt wurde. Allgemeine Regelverstöße oder Tabubrüche sollten Computerspielhersteller möglichst vermeiden, denn sonst droht der Arm des Jugendschutzes zuzugreifen.
Für den Oktober wird ein Spiel auf dem amerikanischen Markt angekündigt, das die Gemüter in Wallung versetzen wird. Denn die Parallelen zu den bürgerkriegsähnlichen Vorfällen während der letzten Tagung der Welthandelsorganisation und der G8-Gipfeltreffen sind zu offensichtlich. Im Computerspiel "State of Emergency" wirkt - laut Spielstory - die American Trade Organization (ATO) mit, die den Notstand ausgerufen hat. Wie immer in derartigen Spielen muss sich der Spieler im aktiven Widerstand gegen jegliche Repressalien zur Wehr setzen und kämpft in diesem Fall mit einer fünfköpfigen Straßengang gegen die ATO. Die ATO setzt alles daran, den Widerstand im Keim zu ersticken und verfügt sogar Ausgangssperren.
Ein schon im Internet vorab veröffentlichter Trailer zeigt die schreckliche und ziemlich realistisch wirkende Szenerie des Computerspiels: Menschenmassen bewegen sich auf den Straßen, hochgerüstete und bedrohlich aussehende Polizisten schlagen ungehemmt auf Menschen ein, Barrikaden brennen, Schaufenster werden mit Brandbomben traktiert und die Gang ist in der Wahl ihrer Mittel auch nicht gerade zimperlich. Sie attackieren die Polizisten mit Nahkampftechniken, scheuen sich aber auch nicht, Panzerfäuste einzusetzen. Erschreckt nimmt der Betrachter den ungehemmten Einsatz von Benzinbomben wahr und fühlt sich sofort und unweigerlich an die schrecklichen Bilder des letzten Wochenendes aus Genua erinnert.
The missions force the player into challenging scenarios - from assassinating ATO leaders to avoiding Peacekeeper death squads and rescuing Resistance sympathizers.
Auszug aus dem Feature zum Game
Heise online berichtete schon Ende Mai von der Spielplanung. Damals bestritt Rockstar Games einen direkten Zusammenhang mit den tatsächlichen stattfindenden bürgerkriegsähnlichen Geschehnissen. Die Planung und Entwicklung des Spiels ginge auf das Jahr 1998 zurück, als solche Protestformen längst noch nicht zur Begleitung von Gipfeltreffen gehörten. Noch sind keine weiteren Informationen zum Spiel erhältlich, jedoch gibt es immer wieder einmal ähnlich gelagerte Spielstorys, in denen sich der Spieler gegen einen repressiven Staat oder staatstragende Organisationen zur Wehr setzen muss. Autonome hätten damit ein Spiel, mit dem sie spielerisch einüben könnten, wie man Steine nach Polizisten wirft, Schaufensterscheiben einschmeißt oder Autos anzündet. Im Spiel wird man sich mit seinen bewaffneten und kampfbereiten Spielfiguren durch eine Stadt bewegen, in der alles außer jeglicher Kontrolle geraten ist. Doch ist ein Computerspiel wirklich eine Anleitung zum Handeln?
In diversen Presseberichten wird auch schon spekuliert, ob ein solches Spiel überhaupt auf den deutschen Markt kommen dürfte, aber solange das Spiel als Fiktion klar erkennbar ist und nicht Aufrufe zur gewalttätigen Demonstration beinhaltet, wird wohl selbst die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK den Titel vermutlich zwischen "Geeignet ab 16 Jahren" oder "Nicht geeignet unter 18 Jahren" einstufen. Sollte in dem Spiel direkt zu strafbaren Handlungen aufgerufen werden, wird die USK die Prüfung ablehnen und die Bundesprüfstelle das Spiel auf den Index setzen. Manch Politiker, der sich dann im Wahlkampf befindet, wird das Spiel zum Anlass nehmen, um solche Spielinhalte mit dem Schwert des Jugendschutzes auszumerzen. Doch bevor laut nach - und gegen - Zensur gerufen wird, muss man die aufgeregten Geister beruhigen: Noch steht nicht fest, wie die Spielinhalte wirklich aussehen und ob der Titel überhaupt für den deutschen Markt vorgesehen ist.