Corona-Impfung: Verteilung der mRNA-Vakzine im ganzen Körper
Studie: Impfstoffe gelangen über Nano-Verpackung in größere Körperareale und können systemische, ausgeprägte Entzündungsreaktion auslösen. Das gilt als eine Voraussetzung für Nebenwirkungen.
Aus heutiger Sicht verblüffenderweise war in der Pharmazeutischen Zeitung schon im April 2021 davon die Rede [1], dass die Biodistributionsstudien von Moderna und Biontech eine Verteilung des Impfstoffs im ganzen Organismus ergeben hatten – Modernas "Spikevax" fand sich demnach auch laut Hersteller sogar im Gehirn.
Dieser Befund wurde nicht sonderlich problematisiert – bis dato allerdings war die Ausbreitung intramuskulär verabreichter Impfstoffe (nicht bloß ihrer Abbauprodukte) über den betreffenden Muskel und das Lymphsystem hinaus kein Thema gewesen: Sie kam nicht vor.
Wie wir an anderer Stelle bereits ausführlich dargelegt hatten [2], steht die Verteilung der neuartigen Impfstoffe in Körperareale, in die sie nicht hineingehören, in dringendem Verdacht, eine entscheidende Voraussetzung für schwerwiegende Nebenwirkungen zu sein.
Nun hat ein Forscher-Team um den leitenden Wissenschaftler Taishi Kimura bei der Biotechnologiefirma HDT Bio [3] in Seattle offenbar nachweisen können [4], was sich ohnehin längst aufgedrängt hatte: Die spezielle Machart der Nanopartikel in Spikevax und Comirnaty bewirkt die kollaterale Verbreitung der Impfstoffe über das Injektionsareal und die Lymphe hinaus.
RNA für die Welt
HDT Bio hat sich der Eigendarstellung zufolge der weltweiten Bereitstellung erschwinglicher immunologischer Präparate verschrieben und arbeitet dazu mit diversen regionalen Partnern zusammen.
Um insbesondere RNA-basierte Technologien auch in ärmeren Ländern einsetzen zu können, bedarf es kostenreduzierender Entwicklungen wie bspw. einer "selbstreplizierenden" bzw. selbstverstärkenden Eigenschaft der betreffenden RNA: "repRNA" (auch genannt "srRNA" oder "RNA (SAM)" usw.) ist schon in geringsten Dosen wirksam, da sie sich in der Zielzelle selbst vervielfältigt.
Wird sie jedoch in PEG-Lipidnanopartikel verpackt, wie sie in Comirnaty und Spikevax Verwendung finden, so ist die systemische, also den gesamten Körper bspw. des Impflings betreffende Entzündungsreaktion laut Studie besonders ausgeprägt. Grund dafür ist die Tatsache, dass repRNA nicht modifiziert werden kann (Pseudouridin) bzw. im Zuge der Selbstreplikation ihre Modifikation einbüßen würde.
Kimura et al. [5] sind systematisch der Frage nachgegangen, inwieweit eine andere Formulierung des Präparats Abhilfe schaffen kann. Sie entwickelten kationische Öl-in-Wasser-Nanopartikel (genannt "LIONs"), die also an der Oberfläche positiv geladen sind, sodass die RNA oberflächlich gebunden und dort sicher gegen immunologische Abbauprozesse abgeschirmt werden kann als Alternative zur Verkapselung in den mRNA-Impfstoffen.
Tierversuche
Mit dieser Technologie versahen sie verschiedene mono- und vor allem multivalente repRNA-Versuchskandidaten, die zumeist gegen unterschiedliche Erreger gleichzeitig immunisieren sollen, wofür wiederum höhere Gesamt-Dosen erforderlich sind, die unter Verwendung von Lipidnanopartikeln (LNPs) aufgrund erwähnter Unverträglichkeit nicht infrage kämen – zumal die Entwickler vergleichbare Einschränkungen in der Onkologie bei Verwendung von LNPs sehen.
In der vorliegenden Studie wurden die Impfstoff-Versuchskandidaten an Mäusen getestet.
"Shelter-in-Place" für Nanopartikel stärkt adaptive Immunantwort
Die positive Ladung befähigt die LIONs offenbar zu "aktiver Transfektion" – die Nanopartikel können sich dem Eindringen in umliegende Muskelzellen an der Injektionsstelle nicht entziehen.
Demgegenüber besitzen die für die Vergleichsgruppe der Kimura-et-al.-Studie verwendeten LNPs, die vergleichbar sind mit jenen in Spikevax und Comirnaty, eine "relativ neutrale" Oberfläche und sind zusätzlich von Polyethylenglykol (PEG) ummantelt, was ihnen laut Kimura et al. ermöglicht, von der Injektionsstelle abzufließen und von Fresszellen und Leberparenchymzellen aufgenommen zu werden.
Während die repRNA/LION nur lokal in den Muskelzellen und in deutlich geringerem Umfang in den lokal drainierenden Lymphknoten gefunden wurde, ließ sich die repRNA/LNP auch in Leber, Milz und geringer konzentriert der Lunge nachweisen – dies galt auch, wenn den Mäusen beide Formulierungen gespritzt worden waren.
Im nächsten Schritt wurden spezielle Knockout-Mäuse geimpft, die über Biolumineszenz anzeigen, in welchen Arealen die RNA gerade ausgelesen und dementsprechend die gewünschten Antigene exprimiert wurden.
Es stellte sich heraus, dass sowohl die LION-, als auch die LNP-vermittelte repRNA nur in den Muskelzellen im Umfeld der Injektionsstelle transskribiert worden war (obwohl in vitro unterschiedlichste Körperzellen dazu taugten) – die repRNA/LION allerdings effizienter, insbesondere aufgrund ihrer "Standorttreue".
Die repRNA/LNP hingegen geht dem Immunisierungsprozess z.T. ungenutzt verloren. Außerdem erreichte die Transfektion infolge repRNA/LION-Impfung schon nach sieben Tagen den größten Umfang, während das bei der repRNA/LNP-Version erst an Tag 21 der Fall war.
Für die Entwickler von HDT Bio ist natürlich das Profil der Immunantwort von besonderem Interesse: Tatsächlich zeigte sich, dass die repRNA/LION-Impfung die Bandbreite der zu bildenden Immunzellen stärker induziert, als das nach repRNA/LNP-Impfung der Fall ist.
Außerdem ergab sich im Vergleich der multivalenten LION- und LNP-Versionen bei Enterovirus-68 eine unzureichende Bildung neutralisierender Antikörper und schließlich Viruslastreduktion, wenn mit LNPs geimpft worden war.
Weitaus geringere Entzündungswerte
Auch verschiedene Entzündungs-Marker wie Typ-1- und Typ-3-Interferon wurden gemessen und dabei festgestellt, dass die Entzündungsreaktion sich nach repRNA/LION-Impfung auf den Muskel und die Lymphknoten an der Injektionsstelle konzentriert.
Während infolge repRNA/LNP-Impfung im Speziellen auch die Leber betroffen ist und sich allgemein eine systemische, den ganzen Körper betreffende Entzündungsreaktion, ausgehend vom angeborenen Immunsystem, ausbildet, zumal das Körpergewicht der Tiere schwindet.
Erhöhte Troponin-Werte bei den repRNA/LNP-geimpften Mäusen zeigten Schädigungen des Herzens an, ohne dass allerdings eine anhaltende Entzündung am Herzen zu beobachten gewesen wäre.
Zusammenspiel mehrerer Faktoren nötig
Die Autoren folgern daraus, dass erst das Zusammenspiel mehrerer Faktoren eine Myo- oder Perikarditis entstehen lässt. Sie verweisen auf eine neuere Studie [6] von Anis Barmada et al. von der Yale University, in der bei Impf-induzierten Myokarditiden eine Zytokinopathie (starke systemische Entzündungsreaktion des angeborenen Immunsystems) festgestellt wurde.
Die Zytokine alarmieren demnach wahrscheinlich Killerzellen und zytotoxische T-Zellen, die wiederum (Herz-)Muskelzellen angreifen.
Allerdings sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Impf-Spikes und besonders deren S1-Domänen nicht nur vielfach im Blut an Myo- und Perikarditis Erkrankter gefunden wurden, wie es auch Kimura et al. erwähnen, sondern im Rahmen einer Studie [7] um Dr. Christian Baumeier von der Charité auch der Nachweis im Herzen selbst gelang.
Dies ist umso erstaunlicher, wenn es allgemein zutreffen soll, dass die RNA zwar von der Injektionsstelle abtreibt, aber nicht fernab von dort ausgelesen wird.
Und dabei war auch die Sars-CoV-2-Immunisierung Teil der multivalenten repRNA-Impfung in der Studie von Kimura et al. [8] – doch in deren Studie konnte weder RNA noch Antigen im Herzen festgestellt werden, während allerdings die Biodistributionsstudien von Moderna und Biontech den Nachweis der Impfstoffe in allen Gewebetypen außer der Niere (und dem Gehirn im Fall von Comirnaty) ergeben hatten.
Indischer Partner mit aussichtsreichem Kandidaten
Weil von der angeborenen Immunantwort bekannt ist, dass sie das Auslesen der induzierten RNA und die Ausbildung einer spezifischen Immunantwort stört, wurde als Nächstes bei geimpften Mäusen das Typ-1-Interferon künstlich gehemmt.
Kimura et al. machten dabei die Beobachtung, dass die Unterdrückung des Interferons die Antigen-Exprimierung sowie die Antikörperbildung und T-Zell-Antwort bei der repRNA/LION-Impfung noch einmal besonders steigert, während die Effizienz der LNP-Variante nur mäßig zunimmt, was auf den Verlust umwandelbarer RNA durch Abfließen von der Injektionsstelle und die Präsenz von Typ-1-Interferon nach repRNA/LNP-Impfung auf zu vielen verschiedenen immunologischen Ebenen zurückzuführen ist.
Außerdem wurde kein Zusammenhang zwischen der Ausschüttung von Typ-1-Interferon und der Biodistribution festgestellt.
Das Forscher-Team von HDT Bio lässt nicht unerwähnt, dass ihr indischer Partner Gemovac mit einem repRNA/LION-Kandidaten gegen Sars-CoV-2 in der Phase2/3 beim Menschen in 94,1 Prozent der Fälle die Serokonversion (also Bildung spezifischer Antikörper) erreichte und relativ gering ausgeprägte Nebenwirkungen zeitigte.
Weniger als 30 Prozent der Geimpften sollen überhaupt systemische Immunreaktionen gezeigt haben.
Das Beste kommt zum Schluss
Eine interessante Schlussfolgerung aus der in diesem Beitrag wiedergegebenen Studie wäre die Erkenntnis, dass das über Frist-Moratorien quasi-exklusiv an Biontech/Pfizer und Moderna lizensierte Karikó-Weissman-Patent [9] zur Modifikation der RNA mithilfe von Pseudouridin, dessen Restlaufzeit ja inzwischen sehr weitgehend aufgebraucht ist, überflüssig gewesen wäre, wenn man andere Nanopartikel als die LNPs verwendet hätte.
Nun könnte man sich fragen, weshalb Curevac bei seinem Versuch, einen Covid-19-Impfstoff mit unmodifizierter RNA herauszubringen, an der LNP-Technologie festhielt?
Allerdings ruhen auf den Formulierungen der Nanocarrier besonders viele Patente [10], und Curevac hat u.a. Vereinbarungen mit den LNP-Spezialisten Acuitas und Arcturus geschlossen.
In einem übergeordneten Sinne ist es für die Weltgesellschaft von erheblicher Bedeutung zu ermitteln, inwieweit Patente den wissenschaftlichen Fortschritt begünstigen oder hemmen und ob sich dieses Zusammenspiel im Sinne der Allgemeinheit optimieren lässt, ohne dass Anreize für die Forschung zu sehr gemindert werden.
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[1] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/nanotechnologie-der-covid-19-vakzinen-124828/seite/alle/
[2] https://www.telepolis.de/features/Covid-19-Impfstoffe-Spike-auf-Abwegen-8515300.html
[3] https://www.hdt.bio/
[4] https://www.cell.com/molecular-therapy-family/molecular-therapy/fulltext/S1525-0016(23)00373-8?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS1525001623003738%3Fshowall%3Dtrue#secsectitle0190
[5] https://www.cell.com/molecular-therapy-family/molecular-therapy/fulltext/S1525-0016(23)00373-8?_returnURL=https%3A%2F%2Flinkinghub.elsevier.com%2Fretrieve%2Fpii%2FS1525001623003738%3Fshowall%3Dtrue#%20
[6] https://www.science.org/doi/full/10.1126/sciimmunol.adh3455?rfr_dat=cr_pub++0pubmed&url_ver=Z39.88-2003&rfr_id=ori%3Arid%3Acrossref.org
[7] https://www.mdpi.com/1422-0067/23/13/6940
[8] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/nanotechnologie-der-covid-19-vakzinen-124828/seite/alle/
[9] https://www.insights.bio/vaccine-insights/journal/article/2569/mRNA-Vaccines-a-growing-and-complex-IP-landscape?showmodal
[10] https://www.bristows.com/news/mrna-patent-litigationthe-new-patent-wars/
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