Corona-Krise: Wo sind die Intensivbetten?

Wurde bei Kapazitätsengpässen übertrieben? Bundesrechnungshof kritisiert Mitnahmeeffekte und Geldverschwendung des Gesundheitsministeriums bei Zahlungen an Apotheken und Krankenhäuser

Spahns Ministerium hat Geldgeschenke an die Apotheken verteilt - und Anreize an Krankenhäuser gegeben, die Zahl der freien Intensivbetten gering zu halten. Auch sie bekamen gutes Geld aus der Steuerkasse. Dies geht aus einem Bericht des Bundesrechnungshofes (BRH) hervor, der noch nicht veröffentlicht wurde, aber verschiedenen Medien vorliegt, die daraus zitieren.

In der Hauptsache werden die Prüfergebnisse der Bundesbehörde als Kritik an einer Geldverschwendung überschrieben, für die Gesundheitsminister Spahn verantwortlich ist. Im Prüfbericht ist von "Überkompensation" die Rede.

Apotheken

So stellten die Prüfer eine "deutliche Überkompensation" zugunsten der Apotheken bei den Schutzmasken fest.

Seit vergangenem Herbst hatte der Bund über die Apotheken Corona-Schutzmasken an besonders vulnerable Personengruppen kostenlos abgegeben. Die Apotheken bekamen dabei anfangs sechs Euro pro Maske vom Bund erstattet, später noch 3,90 Euro - was der BRH für jeweils völlig überzogen hält.

SZ

Zum Vergleich werden von den BRH-Prüfern sehr viel niedrigere Preise herangezogen. Ende November 2020, so deren Analysen, waren zertifizierte Schutzmasken gegen das Coronavirus "zu einem durchschnittlichen Preis von 1,62 Euro erhältlich". Auch die 3,90 Euro, die im Februar 2021 vom Gesundheitsministerium pro Maske bezahlt wurde, waren überzogen.

Der Großhandelspreis war im Februar dieses Jahres, was laut BRH-Bericht auch dem Gesundheitsministerium bekannt gewesen sei, mittlerweile auf "40 bis 80 Cent pro Maske" gesunken. Fazit: Die Kosten der Apotheken für die Maskenbeschaffung und -verteilung wurden "erheblich überkompensiert". Rund 2,1 Milliarden Euro gingen an die Apotheken. Im Durchschnitt entspreche das mehr als 100.000 Euro pro Apotheke.

Teure und wenig kompetente Berater, die den Markt analysieren

Die Stellungnahme des Gesundheitsministeriums dazu beruft sich laut BRH-Bericht darauf, dass das Ministerium nur wenig Zeit hatte, "nur vier Wochen", um die Maskenverteilung umzusetzen und dass die "Markterhebung" ebenfalls unter Zeitdruck stand.

Nach Informationen der Welt, die damit auf den Prüfbericht der Kontrollbehörde beruft, soll ein Beratungsunternehmen im Oktober und November 2020 die Preise für das Ministerium anhand von Internetrecherchen und Versandapotheken ermittelt haben. Interessanter Zusatz zum Recherche-Horizont des Beratungsunternehmens, dessen Name nicht genannt wird: "Preise, die in Vor-Ort-Apotheken und Drogeriemärkten üblich waren, wurden dabei nicht erhoben."

Welchem ökonomischen Interesse ist das Beratungsunternehmen gefolgt? Einsparung eigener Arbeitsressourcen? Schnelles Geld?

Krankenhäuser

Auch Krankenhäuser wurden großzügig bedacht - nach dem "Gießkannenprinzip", wie der Rechnungshof kritisiert. Die Kliniken hatten 2020 schon von den gesetzlichen Krankenkassen 1,3 Milliarden Euro mehr als im Jahr zuvor bekommen - "obwohl die Betten um knapp acht Prozent weniger ausgelastet gewesen seien als 2019" (SZ) - dazu kamen noch 10,2 Milliarden Euro Ausgleichszahlungen aus Steuermitteln, weil wegen der Pandemie Eingriffe verschoben oder ausgesetzt wurden.

Der Bericht kritisiert, dass dieses System der Ausgleichszahlungen "unerwünschte Mitnahmeeffekte" eröffnet habe. Die Zahlungen ermöglichten vielen Krankenhäusern 2020 eine "massive Überkompensation" aus Steuermitteln. Die Kritik des Rechnungshofes geht nach Informationen der Welt auch noch auf zwei brisante Punkte ausführlicher ein.

Da wären einmal die problematischen Grundlagen der Ausgleichszahlungen:

Der Bund habe zudem überwiegend nicht gezahlt, um freie Kapazitäten für Corona-Patienten zu gewährleisten, sondern habe vielmehr "das betriebswirtschaftliche Risiko" einer nicht ausreichenden Belegung der Krankenhäuser mitgetragen.

Die Welt

Die freien Kapazitäten seien aber vordergründiges Ziel der entsprechenden Verordnungsermächtigung vom März 2021 gewesen. Wenn nun aber Ausgaben in Milliardenhöhe aufgrund einer Rechtsverordnung getätigt werden können, ohne dass das Parlament über die Angemessenheit der Mittel entscheidet, so berge dies die Gefahr einer "partiellen Aushöhlung des parlamentarischen Budgetrechts".

Der andere heikle Punkt ist für die Diskussionen über die Grundlagen der Corona-Maßnahmen der Regierung von Bedeutung. Er betrifft die Intensivbetten.

Intensivbetten

Laut Rechnungshof-Bericht habe das Robert-Koch-Institut über Kontaktaufnahmen der Kliniken berichtet, "mit dem Ziel, Meldungen der freien betreibbaren Intensivbetten nachträglich zu korrigieren. Dadurch könnten Kapazitätsengpässe abgebildet worden sein, 'die in diesem Maße nicht existierten'".

Das RKI äußerte, wie aus dem Bericht hervorgehen soll, die "Vermutung, dass Krankenhäuser zum Teil weniger intensivmedizinische Behandlungsplätze meldeten, als tatsächlich vorhanden waren". Wie würde man im "öffentlichen Diskurs" mit dieser Vermutung umgehen, wenn sie nicht das Siegel des RKI hätte?

Nach Ansicht des RKI seien die ans DIVI-Zentralregister gemeldeten Daten "daher nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet", schreibt der Rechnungshof.

SZ

Unklar ist, wie viel neue Intensivbetten tatsächlich angeschafft wurden. Von März bis September 2020 soll der Bund für jedes neue Intensivbett 50 000 Euro an Finanzhilfen gezahlt haben. Insgesamt hätten Krankenhäusern dafür knapp 700 Millionen Euro abgerufen. Das würde rechnerisch 13.700 neue Intensivbetten in Deutschland ergeben.

Die werden jedoch noch in den Dokumenten gesucht. "Ein solcher Kapazitätszuwachs ist aus den vorliegenden Statistiken indes nicht abzulesen", schreiben die Prüfer.