Corona: "Langsam, aber sicher aus der Pandemie herauswachsen"

Der Präsident des Landkreistages fordert optimistisch einen Ausstiegspfad. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hält Söders Lockdown-Maßnahmen vom März 2020 für überzogen und erklärt sie im Nachhinein für "unwirksam". Update

Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), ist dafür, dass Bund und Länder einen Ausstiegspfad aus den pandemiebedingen Einschränkungen verabreden. Das müsse offen diskutiert werden, so Sager, um zu vermeiden, dass die Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen zu Corona weiter zunehme.

Er sprach von Optimismus - "dass wir langsam, aber sicher aus der Pandemie herauswachsen werden. Dieses Signal sollte auch die Politik aussenden".

Dieser Optimismus ist aber längst nicht so verbreitet, wie es der Mann aus dem hohen Norden sieht oder es sich wünscht. Das erfuhr die Initiative Freedom Day kürzlich mit ein paar Abfuhren. Das zeigt sich an den Diskussionen über die Entbindung von der Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler im Unterricht. In NRW sprachen sich Kinderärzte, Lehrern und Schülervertreter angesichts des bevorstehenden Winters dagegen aus.

Winter in Deutschland

Auch RKI-Chef Wieler sieht "keinen Anlass, zumindest bis zum Frühjahr 2022 an der Empfehlung zu Corona-Schutzmaßnahmen an Schulen, Kitas und in Alten- und Pflegeheimen zu rütteln". Und Karl Lauterbach warnt vor dem Winter:

In Deutschland wird jetzt, wo das Wetter schlechter wird und Atemwegserkrankungen zunehmen, intensiv diskutiert, ohne Maske zu unterrichten. Freedom Day in der Schule. In UK steigen bei dieser Strategie Hospitalisierungen der Kinder stark an. So würde es auch bei uns kommen.

Karl Lauterbach

Die Diskussionen dazu bleiben sich in ihren grundsätzlichen Positionen seit vielen Wochen treu. Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich, wo die Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler in mehreren Départements, mit der Vorrausetzung einer Inzidenz unter 50/100.000, aufgehoben wurden. Kürzlich stellte der Figaro pro und contra unterlegt mit Studien gegenüber. Die Erörterung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis, das konservative Blatt löste das damit auf, im Resumé auf psychische Auswirkungen zu verweisen.

Und dass das Tragen einer Maske auch psychologische Folgen für Kinder hat, ist nicht von der Hand zu weisen.

Le Figaro

Es ist letztlich eine politische Entscheidung, die gefällt wird.

"Vernunft und Verhältnismäßigkeit"?

"Vernunft und Verhältnismäßigkeit", wie sie in Deutschland Dieter Janecek (Die Grünen) beim Umgang mit Kindern in der Pandemie fordert, sind eine politische Streitsache auf einem schon lange frostharten Boden. Ob es um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gegenüber Kinder in der Schule geht, um die Diskussion über die Maskenpflicht, bei der es einiges Hin-und Her gab und gibt, oder um die Lockdown-Maßnahmen, die Fronten sind verhärtet.

Auch die Corona-Impfung, auf die viel Hoffnung gerichtet wurde und die sich wieder und wieder als bewährte Schutzmaßnahme gegen schwere Krankheitsverläufe bestätigt, ändert daran nicht viel.

"Fragwürdiges Menschenbild"

Nun kommen zu den politischen Entscheidungen die gerichtlichen. In den kommenden Wochen stehen in "Hauptsache-Entscheidungen" zu den Corona-Maßnahmen an, berichtet die Welt heute in einem Artikel, der über einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs informiert. Dieser urteilte, dass die Ausgangsbeschränkungen, die bayerische Staatsregierung im März 2020 erlassen hatte, unwirksam sind. Laut dem Artikel der Welt bescheinigen die Richter "Söders Regierung ein fragwürdiges Menschenbild".

Der Münchener Merkur hat sich das Urteil ebenfalls angesehen und berichtet (ohne Zahlschranke):

Die Ausgangsbeschränkungen im März und April 2020 waren offenbar unwirksam. Der Verwaltungsgerichtshof in Ansbach* hat nach Informationen unserer Zeitung am Montag zwei Absätze der damaligen Infektionsschutz-Verordnung verworfen. Die Norm verstoße gegen das Übermaßverbot, steht in dem noch unveröffentlichten Beschluss. Geklagt haben zwei Bürger aus Bayern. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist zugelassen.

Münchner Merkur

Nach Informationen der Zeitung geht aus dem Urteil hervor, dass der Verwaltungsgerichtshof die damaligen Regelungen für "überzogen" hält. Mildere Beschränkungen infektiologisch wären möglich gewesen, so das Gericht.

Durch die Unwirksamkeitserklärung des Verwaltungsgerichtshofs kommt die Frage auf, ob die im Zeitraum der Regelung verhängten Bußgelder zurückerstattet werden müssen. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Update

BR24 veröffentlichte am frühen Nachmittag ebenfalls einen Bericht zum Urteil des 20. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Ansbach. Er geht ausführlicher auf die Entscheidung und die Maßnahmen, die ihr zugrunde lagen, ein. In dem Artikel heißt es unter anderem:

"Der Beschluss enthält dabei eine klare Botschaft des Verwaltungsgerichtshofs an die Politik: Bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen müsse 'von mehreren gleich geeigneten Mitteln' jenes gewählt werden, das die Grundrechte am wenigsten belaste. 'Im vorliegenden Fall kämen als mildere Maßnahme Kontaktbeschränkungen im öffentlichen und privaten Raum in Betracht, da diese den Aufenthalt von Einzelpersonen im öffentlichen Raum unberührt lassen', so die Richter.

Das Argument des Freistaats, dass die restriktivere Beschränkung im Vergleich immer die 'besser geeignete' Maßnahme sei, lassen die Richter nicht gelten: Diese Aussage sei in ihrer Allgemeinheit 'unzutreffend'."

Die bayerische Regierung schließe eine Revision, wie sie der Gerichtshof selbst vorgeschlagen hat - vor dem Bundesverwaltungsgericht ("weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat") -, nicht aus, heißt es aus dem Gesundheitsministerium in München.

Der Ministeriumssprecher betonte, dass man nach wie vor der Auffassung sei, "dass die gesetzten Beschränkungen vollumfänglich richtig waren".