Corona-Maßnahmen: Dänemark geht einen Schritt zurück

Andrea Seliger

Angesichts der "vierten Welle" wird in dem Land der mit "3G" vergleichbare Corona-Pass wieder eingeführt

Zwei Monate nach dem Ende der meisten Corona-Maßnahmen geht Dänemark einen Schritt zurück: Covid-19 gilt wieder als gesellschaftsgefährdende Krankheit. Begründet wird dies mit der steigenden Zahl der Krankenhauseinweisungen. Ab Freitag ist wieder an vielen Stellen der Coronapass gefordert, vergleichbar mit "3G". Für Deutschland ist die Entwicklung in Dänemark eine schlechte Nachricht. Schließlich hatten die Dänen sogar eine höhere Impfquote.

Die Impfung habe Covid-19 den Zahn gezogen. Es werde zu einer Krankheit wie andere auch, wegen denen man keine Schulen schließe. So hieß es noch vor wenigen Wochen in Dänemark. Ganz so einfach ist es nicht geworden. Angesichts steigender Krankenhausaufnahmen entschied sich die Regierung nun für das ihrer Ansicht nach schonendste Mittel: den Corona-Pass wieder einzuführen, vergleichbar mit "3G" in Deutschland. Dadurch könne die Gesellschaft weiter offen bleiben, aber das Risiko, sich anzustecken, sinke.

Der Nachweis, geimpft, genesen oder aktuell negativ getestet zu sein, soll für Bars, Discos und Gastronomie innen sowie für größere Veranstaltungen verpflichtend werden. Der "coronapas" galt in Dänemark schon im Frühjahr und Sommer vorübergehend für zahlreiche Aktivitäten.

"Anreiz" wohl erfolgreich

Die Wiedereinführung des Corona-Passes soll auch ein Anreiz sein für die Ungeimpften, sich endlich die Spritze abzuholen. Offenbar mit Erfolg: Nach der Ankündigung in einer öffentlich übertragenen Pressekonferenz meldeten sich gleich 11.000 Personen zur Impfung an. Darunter dürften auch einige sein, die Covid-19 schon gehabt haben. Denn zukünftig soll der Corona-Pass Genesenen nur noch sechs Monate lang Zutritt gewähren. Zuvor waren es zwölf Monate.

Um ihn wieder einführen zu können, musste Covid-19 wieder als "samfundskritisk sygdom", als die Gesellschaft gefährdende Krankheit, eingestuft werden. Dies hatte die Regierung beantragt und die Epidemiekommission hatte es empfohlen. Die Entscheidung darüber lag beim Epidemieausschuss des Folketing, in dem alle Fraktionen vertreten sind.

Der Ausschuss stimmte dem Antrag am Dienstagabend mit großer Mehrheit zu. Die Frist ist allerdings nicht so lang, wie die Regierung es sich gewünscht hat. Die Hochstufung gilt zunächst nur für einen Monat, dann muss neu beraten werden.

Aus deutscher Perspektive, wo aus "3G" immer mehr "2G" wird, ist das immer noch großzügig. Und von einer Maskenpflicht ist gar nicht die Rede. Zumindest im Ansatz ist die dänische Strategie bisher aufgegangen: Obwohl die Inzidenz höher ist als in Deutschland, ist die Belastung der Intensivstationen geringer - auch wenn es schwer ist, solche Zahlen zu vergleichen. Es gibt weiterhin nur sehr wenige Todesfälle.

Mit 315 Covid-Patienten im Krankenhaus, davon 39 auf der Intensivstation, hat Dänemark allerdings gerade mehr stationäre Fälle als Schweden, einem Land mit fast doppelt so vielen Einwohnern. Für die Regierung ist die Sorge um das Gesundheitswesen der Hauptgrund dafür, dass nun wieder der Corona-Pass eingeführt werden soll: Neben Covid-Patienten gibt es auch noch viele andere, es herrscht Personalmangel und es gibt immer noch einen Nachholbedarf für alle, deren Behandlung wegen akuter Covid-Fälle herausgeschoben wurde.

Für Ungeimpfte wird es ungemütlicher

Dass es neue Maßnahmen geben würde, hatte sich abgezeichnet: Immer mehr Kommunen, vor allem in der Hauptstadtregion, überschritten die Inzidenz-500-Grenze, nach der es lokale Maßnahmen geben soll. Klassen mussten wieder geschlossen werden. Eine Restaurantkette verlangte den Corona-Pass schon, bevor er Pflicht wurde, "damit die Gäste sich nicht unsicher fühlen".

Eine Überraschung war die Ankündigung der Regierung am Montagabend also nicht. Zwei Punkte in der Rede von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen führten allerdings anschließend zu Diskussionen. So äußerte sich Frederiksen sehr verständnislos über all jene, die sich bisher nicht haben impfen lassen: "Es ist eine kleine Gruppe, die nicht nach den Spielregeln spielt, die nun während der Pandemie herrschen. Es gibt keine Entschuldigung dafür, sich nicht impfen zu lassen. Man trägt jetzt Verantwortung für die gesamte dänische Gesellschaft."

Und während Gesundheitsminister Magnus Heunicke die Freiwilligkeit der Impfung betonte, mit der man sehr erfolgreich sei, will Frederiksen weitere Maßnahmen für Ungeimpfte nicht ausschließen: "Wir können nicht einfach zusehen, dass so wenige es für so viele zerstören. Natürlich überlegen wir auch, ob mehr geschehen soll."

Der zweite Punkt ist Frederiksens Appell an das Krankenpflegepersonal, bitte noch einmal extra Einsatz zu zeigen. Das kam bei diesen als pure Provokation an. Denn im August beendete die Regierung per Gesetz einen zehn Wochen andauernden Streik, der höheren Lohn für diese Gruppe forderte. An den Bedingungen hat sich bisher nichts verbessert.

Die Wut der Pflegekräfte verdrängte in den Medien kurzfristig sogar das andere große Corona-Thema, die Ermittlungen der Nerzkommission zu den Tiertötungen ohne ausreichende Gesetzesgrundlage. Ein Problem der Kommission: Wichtige SMS von Frederiksen dazu sind nicht mehr vorhanden, weil sie laut der Ministerpräsidentin aus Sicherheitsgründen automatisch gelöscht wurden.

Noch ruhige Lage in Schweden

Ein Blick über den Öresund: In Schweden sind die Zahlen zuletzt auch leicht gestiegen, aber noch deutet nichts darauf hin, dass eine Entwicklung wie in Dänemark ansteht. In Schweden gelten seit dem 29. September keine verpflichtenden Einschränkungen mehr, und einen Coronapass oder eine andere Art von Nachweispflicht gab es dort nie. Ungeimpfte sollen allerdings weiter Abstand halten. Seit dem 1. November gibt außerdem neue Empfehlungen dazu, wann sich wer testen lassen soll.

Geimpfte sollen zwar bei Symptomen zu Hause bleiben, müssen sich aber nicht testen lassen - es sei denn, sie kommen aus dem Ausland, arbeiten im Gesundheitswesen oder benötigen eine Behandlung. Ungeimpfte sollen sich weiter bei Symptomen testen lassen. Dieser Ansatz ist von mehreren Seiten in Frage gestellt worden. Denn bekanntermaßen können auch Geimpfte das Virus übertragen, auch wenn sie nicht im selben Maße ansteckend sind.

Staatsepidemiologe Anders Tegnell begründete dies damit, es sei nicht notwendig - man habe ausreichend andere Möglichkeiten, die Virusverbreitung zu überwachen. Und man habe ohnehin nie alle Fälle identifizieren können. "Wir halten es nicht für zweckdienlich, breiter zu testen", sagt auch Karin Tegmark Wisell, die neue Generaldirektorin der Behörde für öffentliche Gesundheit (Folkhälsomyndigheten).

Am Umgang mit den Tests zeigt sich ein weiterer deutlicher Unterschied zwischen den Strategien in Schweden und Dänemark: In Dänemark wird weiterhin jedem bei Symptomen der Test empfohlen, auch Geimpften. Dort werden außerdem an einem Tag mehr Leute getestet als in Schweden in einer Woche. Das dürfte auch die Inzidenzen beeinflussen. Diese haben jedoch mit den Impfungen ohnehin einen Teil ihrer Aussagekraft verloren.

Letztlich entscheidet nun die Zahl der Krankenhauseinweisungen, als wie gefährlich Covid-19 noch angesehen wird. In Schweden waren dies zuletzt 215 Infizierte in stationärer Behandlung, plus 35 auf der Intensivstation.

Der Norden und der Maßnahmen-Exit

Dänemark, Norwegen und Schweden hatten im September öffentlich das Ende der meisten Maßnahmen verkündet, in Island und Finnland war es zwischenzeitlich geplant. So sieht die Lage heute aus:

Dänemark wagt es nun doch nicht, das Virus einfach laufen zu lassen wie beispielsweise Großbritannien. Die Belastung der Krankenhäuser stieg schneller als erwartet und liegt bereits höher als im vergangenen Jahr zur selben Zeit - noch bevor der Winterausbruch seinen Höhepunkt erreichte. Neben den Ungeimpften liegen dort auch jene, deren Impfung nicht so gut geschützt hat wie erwünscht.

Auch in Dänemark wird nun "geboostert", um die nachlassende Immunität durch Impfung wieder aufzufrischen. Mit der Wiedereinführung des Corona-Passes soll die Impfquote weiter gehoben werden. Mit der erneuten Einstufung von Covid-19 als gesellschaftsgefährdende Krankheit stehen der Regierung auch wieder andere Möglichkeiten offen. Impfquote 75,5 Prozent.

Norwegen scheint in eine ähnliche Richtung wie Dänemark zu gehen, ist aber noch nicht so weit. Es steigen nicht nur die Inzidenzen, sondern auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen. In Tromsö gilt ab Mittwoch Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und Verkehrsmitteln. In Trondheim wird noch darum gestritten. Der Direktor der Gesundheitsbehörde sprach sich nun für neue landesweite Maßnahmen aus. Die Impfquote liegt bei 69,7 Prozent.

Island hat bereits vier Wochen ohne Maßnahmen im Sommer hinter sich und führte sie dann wieder ein, weil zu viele Menschen ins Krankenhaus mussten. Eigentlich war für den 18. Nevember ein neuer Anlauf angestrebt. Stattdessen gibt es nun neue Beschränkungen - die Krankenhausbetten sind schon wieder voll belegt. Impfquote: 76 Prozent

Finnland hatte es sich zum Ziel gesetzt, 80 Prozent der Bevölkerung über 12 Jahre zu impfen und dann die letzten Einschränkungen zu beenden. Dieses Ziel ist fast erreicht - doch da Inzidenzen und die Krankenhausaufnahmen steigen, steht das nicht mehr zur Diskussion. Impfquote: 70,3 Prozent.

Schweden hat eine stabile Situation erreicht, in den vergangenen Wochen ergaben sich nur geringe Veränderungen. Allerdings sind auch schon früher "Wellen" in Schweden später angekommen. Auf die Frage, ab wann man denn wieder Maßnahmen ergreifen müsse, hat Anders Tegnell bisher nie konkrete Zahlen genannt.

Er erklärte allerdings, dass man bei Verschlechterung der Lage, wie sie angesichts der Situation im übrigen Europa zu erwarten ist, wieder zu den bekannten Mitteln greifen werde. Mit der Verlängerung des Pandemiegesetzes hat sich die schwedische Regierung ein Instrument gesichert, das Eingreifen ermöglichen würde. Impfquote: 68,2 Prozent.

Wie viel muss man impfen, damit ein problemloser Ausstieg aus den Maßnahmen möglich wird? Darauf gibt es immer noch keine Antwort.