Corona-Maßnahmen: Die psychisch "vulnerable Gruppe" ist jung
RKI-Auswertung von Studien zu psychischer Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Erwartbar litten vor allem schon vorher Benachteiligte. Generell reagierten die Jüngsten sensibler als Erwachsene.
Nach und nach rücken die psychosozialen Folgen der Corona-Krise ins Licht einer kritischen Öffentlichkeit, die des "Schwurbelns" unverdächtig ist. Ein Team des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Statistischen Bundesamts (Destatis) hat nun insgesamt 39 Studien zu den Folgen der Infektionswellen und der staatlichen Eindämmungsmaßnahen für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ausgewertet.
Die Ergebnisse wurden im "Journal of Health Monitoring" des RKI veröffentlicht. Sie bestätigen, was zahlreiche Berichte über die Aus- und Überlastung von Kinder- und Jugendpsychiatrien und andere Befunde in den letzten zweieinhalb Jahren vermuten ließen: Psychisch hätten sich Kinder und Jugendliche in der Pandemie im Vergleich zu Erwachsenen als vulnerabler erwiesen, heißt es in der Auswertung im Journal of Health Monitoring des RKI.
Der überwiegende Teil der bis zur zweiten Pandemiewelle durchgeführten Studien zeigte eine relevante Verschlechterung des Wohlbefindens und der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen.
Aus: Journal of Health Monitoring / Veränderungen der psychischen Gesundheit in der Kinder- und Jugendbevölkerung in Deutschland während der Covid-19-Pandemie – Ergebnisse eines Rapid Reviews
Die Belastung dieser Altersgruppe variierte laut der Auswertung mit den Pandemiewellen und den jeweiligen Corona-Maßnahmen. Dies zeige, dass Kinder und Jugendliche "sensibel auf die zum Teil drastischen Veränderungen in ihrer Lebenswelt reagieren".
Die Mehrzahl der hier berücksichtigten Studien bezieht sich allerdings auch auf den Pandemiebeginn bis zum Sommerplateau 2020. Erste Befunde hätten schon damals "ein hohes Ausmaß an pandemiebedingten psychischen Belastungen, Ängsten und Sorgen sowie Einbußen an Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen und ihren Familien" nahegelegt, schreibt das RKI-Autorenteam.
Eine besondere Risikogruppe unter Minderjährigen ist arm
Am härtesten traf es in Zeiten von Homeschooling und Kontaktbeschränkungen ohnehin Benachteiligte: "Dabei erschienen Kinder und Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien, aus Familien mit Migrationshintergrund sowie Kinder mit vorbestehenden psychischen Störungen besonders belastet", heißt es in der neuen Auswertung.
Darüber hinaus hätten sich "vulnerable Gruppen" unter den Minderjährigen "nur eingeschränkt identifizieren" lassen. Wenig überraschend gaben in der Einzelstudie "Kind sein in Zeiten von Corona" mehr Eltern in Familien mit hoher formaler Bildung an, dass ihre Kinder die Pandemie-Maßnahmen gut bewältigten.
Als Kriterien für die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe wurden eine niedrige formale Bildung der Familien beziehungsweise der Eltern, beengte Wohnverhältnisse und Migrationshintergrund ausgemacht. Allerdings räumen die Autoren hier eine mangelhafte Differenzierung ein.
Eine bessere Identifizierung der Risikogruppe sei für "ein zukünftiges vorausschauendes Krisen- und Pandemiemanagement" nötig, schlussfolgert das RKI.
Lernerfolge stark beeinträchtigt
Die Schulschließungen und die mangelhafte Unterstützung einkommensschwacher Familien beim Homeschooling fordern inzwischen nach dem Auslaufen des "Corona-Bonus" bei den Versetzungsregeln ihren Tribut: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist auch die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die eine Klassenstufe wiederholen mussten, im vergangenen Schuljahr 2021/2022 deutlich gestiegen.
Sie erhöhte sich im Vergleich zum vorangegangenen Schuljahr um 67 Prozent auf 155.800. Das sorgt sicher nicht bei allen gleichermaßen für Frust und Zukunftsängste, aber eine positive Erfahrung dürfte es für die meisten nicht sein.