Corona: Umgekehrter Medizintourismus?
BioNTech liefert der EU weniger als zugesagt und Ungarn prüft ein chinesisches Vakzin, mit dem in Dubai auch reiche Touristen versorgt werden könnten
In Deutschland wurde drei Wochen nach dem Impfstart etwa ein Prozent der Bevölkerung gegen Sars-CoV-2 geimpft. Geht es in diesem Tempo weiter, wäre der letzte Einwohner 2025 mit der Impfung dran. Ein Grund für das langsame Fortschreiten der Immunisierung ist, dass in der EU bislang nur die Seren der Firmen BioNTech und Moderna zugelassen sind.
BioNTech hat zudem letzte Woche angekündigt, die eigentlich zugesagten Mengen nicht liefern zu können. Für die Impfung mit diesem Impfstoff sind zwei Dosen nötig, die innerhalb eines begrenzten Zeitraums verabreicht werden müssen. In Italien, wo man beim Verabreichen des Serums schneller war als in Deutschland (vgl. Corona-Impfdesaster: Es liegt nicht nur am Mangel), steht man deshalb vor dem Problem, was mit einmal Geimpften geschehen soll, für die die zweite Dosis möglicherweise nicht innerhalb der vorgesehenen Zeit zur Verfügung steht.
Budapest, Dubai - oder doch Klagenfurt?
Ungarn, ein anderes EU-Land, will sich bei der Prüfung nicht ausschließlich auf Brüssel verlassen und prüft deshalb nicht nur den russischen Impfstoff Sputnik V, sondern auch das chinesische Sinopharm-Serum. Ein Teilnehmer im Telepolis-Forum meinte dazu, er wisse schon, wo er seinen nächsten Sommerurlaub verbringen wird.
Dem britischen Telegraph zufolge ist er nicht der einzige, der die Idee hat, sich in einem anderen Land als dem eigenen schneller gegen Sars-CoV-2 impfen zu lassen: Den Recherchen der Traditionszeitung nach werden wohlhabenden Westlern bereits Reisen in die Vereinigten Arabischen Emirate angeboten, wo man neben dem Vakzin von BioNTech und Pfizer auch das von Sinopharm verwendet und mit dieser Kombination im weltweiten Impfrennen mit gut 1,8 von insgesamt zehn Millionen Einwohnern auf Platz zwei liegt.
Mit diesem Erfolg im Rücken haben die Emirate ihre Sandstrände, ihre Luxushotels und ihre Restaurants wieder für Touristen zugänglich gemacht, die dazu lediglich einen maximal vier Tage alten negativen PCR-Test vorweisen müssen. Ein "privater Club" mit 25.000 Pfund Jahresmitgliedsbeitrag und teilweise "sehr bekannten" Mitgliedern soll diese Öffnung dem Telegraph zufolge dafür nutzen, Impf-Urlaube mit zwei Dosen BNT162b2 anzubieten.
Weil die Zeitung - möglicherweise auch auf Raten ihres Justiziars - mit konkreten Informationen dazu eher sparsam ist, lässt sich das jedoch schwer nachprüfen. Denkbar ist es aber durchaus - immerhin werden derzeit auch Fälle aus dem österreichischen Bundesland Kärnten überprüft, wo sich Personen auf den Listen "nach oben gezahlt" haben könnten. In Salzburg soll sich derweilen eine SPÖ-Politikerin unberechtigt als prioritär eingestuft haben. Und in Oberösterreich verspritzte eine Gemeinde mehr Impfstoff an Kommunalpolitiker und deren Verwandte als an Pfleger und Senioren.
Impfung zum Orgelkonzert in der Kathedrale von Salisbury
In der Heimat des Telegraph läuft die Impfung mit jetzt über dreieinhalb Millionen Geimpften (unter denen sich nun mehr als die Hälfte der Senioren über 80 befindet) nicht ganz so gut wie in den VAE, aber deutlich besser als in Deutschland. Auch stilistisch: Hier impfte man am Wochenende werbewirksam zu einem Orgelkonzert in der immer noch christbaumgeschmückten Kathedrale von Salisbury. In der Kathedrale von Lichfield fand die Massenimpfung zwar ohne Musik statt - aber auch hier vermitteln die Aufnahmen ein wenig den Eindruck einer Kommunion.
Inzwischen impfen von den (je nach Zählung) knapp 200 Ländern weltweit etwa 50 gegen Sars-CoV-2 - darunter auch der Bevölkerungsriese Indien, in dem vor zwei Tagen die Ministerpräsident Narendra Modi zufolge "weltweit größte Impfkampagne" begann. Indiens Seenachbar Indonesien impft ebenfalls - aber in einer anderen Reihenfolge als der Rest der Welt. Das betrifft weniger die erste Dosis für den Präsidenten Joko Widodo (der das mit einer "Vorbildwirkung" für den Rest des Landes rechtfertigte), als den derzeitigen Schwerpunkt auf die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen. Durch deren Zuerstimpfung soll sich die indonesische Wirtschaft schneller erholen und eine Herdenimmunität hergestellt werden.
Einen ganz anderen Weg geht man im nächsten Seenachbarn Australien: Dort sollen die Impfungen erst Ende Februar beginnen und die seit März 2020 geschlossenen Grenzen auf absehbare Zeit weiter geschlossen bleiben. Regierungsberater Brendan Murphy rechtfertigte das im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ABC News damit, dass man derzeit noch nicht weiß, ob eine Impfung nicht nur Symptome, sondern auch die Übertragung des Virus an andere Menschen verhindert.
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