Covid-19-Impfung: Keine Garantie gegen die Viruslast

Arno Kleinebeckel

Delta-Variante mit hohem Ansteckungspotenzial. Studie aus Israel zeigt: Genesene viel besser geschützt als Geimpfte. Kommt demnächst das Impfspray?

Forscher aus Oxford haben die Virus-Last von Geimpften und Ungeimpften in Großbritannien verglichen und dazu einige Millionen Nasen- und Rachenabstriche bei Erwachsenen unter die Lupe genommen.

Im August erschien ihr Papier mit ersten Ergebnissen (Preprint, 24. August). Es geht auf die Auswirkungen der Delta-Variante des Coronavirus Sars-CoV-2 auf die virale Belastung und die Wirksamkeit von Impfungen näher ein, speziell was das Thema Neuinfektionen betrifft.

Viruskonzentration – hoch!

Sarah Walker leitete die Studie. Sie ist Professorin für medizinische Statistik und Epidemiologie an der Universität Oxford. Über die Viruskonzentration im Fall einer Ansteckung bei Geimpften sagt sie:

Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung ist (…) geringer, wenn Sie zwei Dosen erhalten haben. Aber [im Fall einer Ansteckung] haben Sie eine ähnliche Viruskonzentration wie jemand, der überhaupt nicht geimpft wurde.

Sarah Walker, Studienleiterin, Universität Oxford

Zwei Impfungen mit Biontech/Pfizer oder Astrazeneca bieten also auch dieser Untersuchung zufolge den wirksamsten Schutz vor der hochansteckenden Delta-Corona-Variante.

Die Wirksamkeit nimmt mit der Zeit jedoch ab - eine Infektion mit Delta kann selbst bei Vollgeimpften dann eine ähnlich hohe Virus-Last auslösen wie bei Nichtgeimpften.

Wie die bisherige Erfahrung zeigt, hat die Delta-Variante ein besonderes Potenzial zu einem sogenannten Antibody Escape. Das bedeutet, dass sie das Virus die Impfung überlistet; offenbar passiert das bei Delta häufiger als bei den vorhergehenden Varianten.

Geimpfte bleiben ansteckend

Simon Clarke, außerordentlicher Professor für Zelluläre Mikrobiologie an der University of Reading, betont: "Zwar reduziert die Impfung die Menge an Infizierten und die Menge von asymptomatischen Infektionsverläufen, dennoch müssen wir Corona-Symptome bei vollständig Geimpften überaus ernst nehmen."

Zu Delta ergänzt er: Während Geimpfte sich seltener mit Corona infizierten, sei auch zu bedenken, dass eine Impfung keine Garantie gegen die Virus-Last (speziell dieser Variante) bedeutet, also die Menge betreffend, wie sie zum Beispiel durch Husten oder Niesen verbreitet wird.

Allerdings kann die Virus-Last wahrscheinlich schneller wieder abgebaut werden, worauf weitere Studienergebnisse hindeuten.

Einfach gesagt: Sofern sie sich infizieren, können Geimpfte ähnlich ansteckend sei wie Nichtgeimpfte. Das gilt vor allem bei einer Delta-Infektion.

Delta sticht Sars, Ebola und Pocken

Klarer Vorteil der Impfung: Die Viren bei Geimpften, auch wenn sie in hoher Anzahl vorkommen, sind möglicherweise nicht (oder nur eingeschränkt) vermehrungsfähig.

Ein geleaktes internes Dokument der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC, welches der Washington Post zugespielt wurde, zeigt dem Portal 24vita zufolge nicht nur, dass die Delta-Variante allgemein ein hohes Ansteckungspotenzial hat, sondern konkret auch leichter übertragbar ist als zum Beispiel Sars, Ebola, die saisonale Grippe oder Pocken.

Das Dokument unterstreicht aber auch, dass die Impfung Betroffene bis zu zehnmal sicherer vor schweren Verläufen und Todesfällen durch die Delta-Variante schützt.

Das Gesundheitsportal fasst zusammen:

  • Die Delta-Variante ist extrem ansteckend
  • Ungeimpfte, also auch junge Menschen, tragen das höchste Risiko
  • Delta hat bereits zu Viren-Hotspots geführt
  • Es gibt noch vieles, was wir über Delta nicht wissen

Spray statt Spritze: Kommt der Impfstoff zum Inhalieren?

Bietet ein Impfspray demnächst mehr Sicherheit? So ein Dispenser könnte das Ende der Pandemie bedeuten, eint der Kölner Stadt-Anzeiger vergangene Woche: "Es könnte der Durchbruch sein, um die Corona-Pandemie endgültig in den Griff zu bekommen. Ein Impfstoff, der als Spray eingeatmet wird."

Hoffnungsbotschaft aus der Wissenschaft? Weil der Impfstoff genau dort wirkt, wo die Viren in den Körper eindringen, wäre die Bekämpfung sehr effektiv möglich; die Immunisierung erfolgt schließlich direkt in der Lunge. Aus präklinischen Studien weiß man bereits, dass das bei Hamstern funktioniert; und beim Menschen?

Sterile Immunität in Sicht?

"Wenn der Impfstoff über die Atemwege aufgenommen wird, ist die Immunität an dieser Stelle besonders groß", erklärt Reinhold Förster, Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, das Prinzip.

Bis jetzt ist es so: "Das Virus wird so lange weitergegeben, bis es bei einem Ungeimpften landet", so Förster. Eine Immunisierung am Eintrittstor des Virus könnte dafür sorgen, dass Menschen sich erst gar nicht infizieren - und damit das Virus auch nicht weitergeben können. Das liefe auf eine "sterile Immunität" hinaus - etwas, was die bisherigen Corona-Impfstoffe nicht gewährleisten können.

Förster und sein Kollege Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, setzen bei der Anwendung auf sogenannte "Gitter-Vernebler". Auf ein Mundstück wird ein austauschbarer Kopf gesetzt, der das Vakzin enthält. Beim Inhalieren wird ein Aerosol von zehn Mikrolitern generiert. Insgesamt werden 500 Mikroliter verabreicht, was 50 Atemzügen entspricht. Das Verfahren ist bereits aus der Asthmamedizin bekannt.

Sieben Vakzine in der Testung

Sieben Inhalationsvakzine gegen Corona sind in der ersten Phase der klinischen Testung. Das ist noch ein absolutes Frühstadium.

"Eigentlich dauert die erste Phase einer klinischen Untersuchung ein Jahr. So lange müssen wir aber nicht warten", sagt Förster. "Die Verträglichkeit kann man bereits drei Tage nach der Impfung beurteilen, den Impfschutz nach vier Wochen."

Förster und Sutter beantragen für das Impfspray bereits auch den Einsatz als Auffrischungsimpfung. Im Unterschied zum üblichen Impfen (bei einer Impfung in den Arm werden kaum Immunzellen getroffen, hauptsächlich Muskeln) ist die Lunge voll mit Immunzellen. Die sind darauf trainiert, sich mit eindringenden Erregern auseinanderzusetzen.

Eine offene Frage betrifft mögliche Nebenwirkungen. Sollten Förster und seine Kollegen es schaffen, möglicherweise überschießende Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen, könnte das Spray ein wichtiger Helfer im Kampf gegen Corona werden.

Was schützt besser – Impfung oder Infektion?

Aufmerksamkeit erregt gerade eine israelische Studie, die untersuchte, wie gut Geimpfte im Vergleich mit Genesenen gegen die Delta-Variante geschützt sind. Die Ergebnisse sind einigermaßen überraschend.

Beim Vergleich von vollständig Geimpften und Genesenen ohne einmalige Impfung ließ sich Folgendes beobachten: Insgesamt traten in beiden Gruppen, die 16.215 Personen umfassten, 257 Corona-Infektionen auf, davon betrafen 238 die vollständig Geimpften und nur 19 die Genesenen.

Demnach wäre das Risiko, trotz Impfschutz mit Covid-19 infiziert zu werden, 13-mal höher als nach einer überstandenen Infektion.

Überraschend war auch der Unterschied bezüglich einer symptomatischen Infektion. In beiden Gruppen zusammen kam es im Untersuchungszeitraum zu 199 Fällen einer Infektion mit klassischen Symptomen.

191 von ihnen waren vollständig geimpft, nur acht genesen. Diese Zahlen legen nahe, dass das Risiko einer symptomatischen Infektion bei Geimpften 27-mal größer ist als nach einer überstandenen Infektion.

Die Studienautoren schreiben

Diese Analyse zeigt, dass die natürliche Immunität einen länger anhaltenden und stärkeren Schutz vor einer Infektion, symptomatischen Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten aufgrund der Delta-Variante von Sars-CoV-2 bietet als die durch den BNT162b2-Zweidosenimpfstoff (Impfstoff von Biontech/Pfizer, Anm. d. Red.) induzierte Immunität.