Covid-19-Impfung: Könnte Nuvaxovid eine Alternative werden?

Neuer Protein-Impfstoff von Novavax ohne Spritzen von Erbsubstanz bald verfügbar, aber kein "Totimpfstoff"

Das proteinbasierte Covid-19-Vakzin des US-Herstellers Novavax mit dem Handelsnamen Nuvaxovid erhielt am 20.12.2021 als fünfter Impfstoff in der EU von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eine bedingte Zulassung.1 Der Impfstoff soll ab Ende Januar in Deutschland zur Verfügung stehen.

Er unterscheidet sich von den vier bisher in der EU zugelassenen genetischen Impfstoffen, den beiden mRNA-Impfstoffen Comirnaty (Biontech-Pfizer) und Spikevax (Moderna) und den beiden Vektor-Impfstoffen Vaxzevria (Astrazeneca) und Covid-19-Vaccine Janssen (Johnson & Johnson) aufgrund seiner Wirkungsweise.

Anders als diese basiert nicht auf einem genetischen Wirkprinzip, sondern auf der direkten Gabe von künstlich hergestellten Oberflächenproteinen des Virus.2 Der Impfstoff enthält zwar das Spike-Protein des Virus, aber nicht dessen genetische Bauanleitung.

Gegenüber den mRNA- und vektorbasierten Impfstoffen hat er den Vorteil, dass Protein-Impfstoffe bei normalen Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad Celsius gelagert werden können und dort bis zu sechs Monate haltbar bleiben.

Das macht dieses Vakzin für ärmere Länder interessant, in denen es schwierig ist, Kühlketten im Minusgradbereich aufrechtzuerhalten. In Indonesien und den Philippinen ist der Impfstoff von Novavax bereits zugelassen.

Nuvaxovid möglicherweise für bisher Ungeimpfte eine Alternative

Dieses Vakzin könnte auch für Impfzögerer und Impfskeptiker bei uns interessant sein, da Protein-Impfstoffe bereits seit 1986 etwa gegen Hepatitis B und seit einigen Jahren auch gegen HPV (Humane Papilloma-Viren, die Gebärmutterhalskrebs verursachen können) eingesetzt werden, ohne dass es zu einer Häufung von schweren oder späten Impfkomplikationen gekommen ist.3

Die Entwicklung von Protein-Impfstoffen gegen Covid-19 hat sich hinausgezögert, da ihre Herstellung aufwendig ist. Dabei müssen zunächst die Gene der Viren, gegen die eine Immunität erzeugt werden soll, isoliert und in rekombinanten Zelllinien (hier von Insekten) eingebaut werden, damit die Virusproteine hergestellt werden können. Rekombinante Proteine sind biotechnologisch hergestellte Proteine, die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Organismen erzeugt werden.

Danach müssen die künstlich produzierten Proteine noch pharmazeutisch zu einem Impfstoff verarbeitet werden. In der Regel ist bei diesem Typ von Impfstoffen ein Adjuvans notwendig, um die Wirksamkeit zu verstärken. Bei Nuvaxovid wird das Adjuvans Matrix M1 verwendet.

Somit handelt es sich bei Nuvaxovid um einen rekombinanten Protein-Impfstoff.

Wirksamkeit

In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie, die das New England Journal of Medicine Mitte Dezember 2021 veröffentlichte, wurde eine Wirksamkeit von 90 Prozent gegen symptomatische und 100 Prozent gegen mittelschwere und schwere Erkrankungen an Covid-19 festgestellt.4 Die Verträglichkeit war gut und Sicherheitsprobleme wurden nicht beschrieben.

Gegenüber dem ursprünglichen Wildtyp des Coronavirus soll die Wirksamkeit am höchsten sein, gefolgt von einer leicht reduzierten Wirksamkeit gegenüber der Alpha-Variante und einer moderat reduzierten Wirksamkeit gegen Beta.

Gemäß einer Mitteilung des Herstellers vom 22. Dezember 2021 zeigen erste noch nicht veröffentlichte Daten, dass Nuvaxovid nach drei Impfdosen einen guten Schutz vor der sehr ansteckenden Delta- wie auch vor der Omikron-Variante bietet.5

Sicherheit

Die bisher vorliegenden Daten deuten an, dass er gut verträglich ist. In der oben genannten Phase-III-Studie6 traten nur selten Nebenwirkungen auf. Diese umfassten unter anderem die typischen Impfreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Kopfschmerz und Muskelschmerzen. Diese lokalen und systemischen Impfreaktionen traten nur vorübergehend auf und klangen in der Regel binnen weniger Tage vollständig ab.

Weiterführende und mit den anderen in der EU zugelassenen Impfstoffen vergleichbare Aussagen zur Sicherheit und der Häufigkeit möglicher sehr seltener, aber schwerwiegender Nebenwirkungen können derzeit nicht gemacht werden. Das wird erst möglich sein, wenn der Impfstoff massenhaft in Ländern verwendet worden ist, in denen Meldesysteme über Nebenwirkungen etabliert sind, wie das in Deutschland beim Paul-Ehrlich-Institut der Fall ist.

So hat sich bei den oben genannten genetischen Impfstoffen gezeigt, dass sehr seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen und Impfkomplikationen erst im Laufe der Impfkampagne nach Millionen erfolgten Impfungen festzustellen waren.7

Warum steht Coronavac nicht auch als Alternative zur Verfügung?

In einem Telepolis-Beitrag vom 27. November 20218 habe ich auf die Tatsache verwiesen, dass in einer aktuellen Forsa-Umfrage mehr als die Hälfte der bis dahin in Deutschland Ungeimpften geäußert haben, dass sie sich bisher nicht haben impfen lassen, weil ihrer Meinung nach die verfügbaren Impfstoffe nicht ausreichend erprobt seien, sie Zweifel an der Sicherheit und Wirksamkeit der bisher verfügbaren Impfstoffarten (mRNA- bzw. Vektor-Impfstoffe) hätten und diese deshalb ablehnen würden.

Aber über der Hälfte der Befragten sagten laut Forsa-Umfrage auch, die Zulassung weiterer Impfstoffe, die im Gegensatz zu den bisher verfügbaren Vakzinen auf einem klassischen Wirkprinzip beruhen (z. B. sogenannte "Totimpfstoffe"), hätte eine Steigerung ihrer Impfbereitschaft zur Folge.

Zu den Totimpfstoffen werden etwa die Vakzine gegen Tetanus, Keuchhusten oder Diphtherie gezählt.

Deshalb habe ich in dem Artikel die Frage gestellt, warum angesichts der bestehenden bedrohlichen Impflücke bei uns, die viele Millionen bisher Ungeimpfter umfasst, der chinesische Impfstoff Coronavac, der auf der Basis inaktivierter Viren hergestellt wird, ein solcher Totimpfstoff ist und bisher weltweit milliardenfach verimpft worden ist, in Deutschland für diejenigen, die sich mit einem traditionellen Vakzin impfen lassen würden, nicht zur Verfügung steht.

Angesichts der weiterhin bestehenden großen Zahl bisher Ungeimpfter in Deutschland ist zu hoffen, dass der neue Impfstoff bei vielen Impfzögerern bzw. Impfskeptikern auf Akzeptanz stoßen wird, weil kein Spritzen von Erbsubstanz damit verbunden ist.9

Andererseits bleibt für mich unverständlich, dass nicht auch den Menschen in Deutschland ein traditioneller klassischer Impfstoff wie Coronavac angeboten wird, um die Impflücken möglichst weitgehend zu schließen. Denn: Nicht nur über die Wirksamkeit10, sondern auch die Sicherheit11 dieses Impfstoffs gibt es gute Daten.

So wurden bei Coronavac die zwar sehr seltenen, aber schwerwiegenden Nebenwirkungen der genetischen Impfstoffe wie etwa Myokarditis und Perikarditis bei den mRNA-Vakzinen und Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) bei den Vektor-Impfstoffen bisher nicht beschrieben.12

Seit Mai 2021 liegt der Antrag auf Zulassung von Coronavac jedoch bei der EMA auf Eis. Ist das so zu verstehen, dass geo- und machtpolitische Interessen auch die Gesundheitspolitik in der EU dominieren? Wäre es in dieser Situation nicht sinnvoll und wünschenswert, wenn die zu Impfenden darüber mitentscheiden könnten, welcher Impfstoffs ihnen verabreicht wird, damit endlich die Impflücken bei uns so weit wie möglich geschlossen werden können?

Stattdessen wird die mediale Debatte immer mehr von denjenigen bestimmt, die einer allgemeinen Impfpflicht das Wort reden, ohne Rücksicht auf eine weitere gesellschaftliche Spaltung, die eine solche Entscheidung nach sich ziehen könnte, und auf die Probleme, die mit ihrer Durchführung zwangsläufig verbunden wären.

Schlussgedanken

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich gehöre zu der Bevölkerungsgruppe, die inzwischen mit einem mRNA-Impfstoff geboostert ist, und bin froh darüber.

Aber es gibt auch Menschen, die die Probleme um das Impfen herum anders sehen und respektable Gründe dafür anführen.

Weiterhin ist das Impfen nur eine der notwendigen Maßnahmen, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Auch zeitweilige konsequente Kontaktbeschränkungen gehören dazu, wie das augenblicklich angesichts der rasanten Verbreitung der Omikron-Variante wieder der Fall ist.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Covid-19, wie die vergangenen zwei Jahre gezeigt haben, für einen großen Teil unserer Bevölkerung zwar eine ernstzunehmende Krankheit ist, aber nicht mit der Pest, den Pocken oder Ebola verglichen werden kann.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.