Covid: Das Endspiel
Omikronwelle: Der "Lockdown-Guru" Pueyo gibt halbe Entwarnung: "Wir sollten anfangen, uns zu entspannen"
Die Corona-Pandemie gehe mit der Virus-Variante Omikron ins Endspiel, genauer: ins "end(emische) Spiel", schreibt Tomas Pueyo unter dem Titel: "Game over".
Er zählt eine Reihe von Gründen auf, weshalb die Omikronawelle die vermutlich die letzte besorgniserregende sein wird und die Pandemie binnen weniger Wochen für beendet erklärt werden wird und Covid sich als um das Zehnfache weniger letal als eine normale Grippe erweise. Seine Lageeinschätzung lautet:
Solange also keine neue Variante auftaucht, die dem Immunsystem entkommt und eine höhere Virulenz aufweist, sollten wir anfangen, uns zu entspannen und unser Leben so zu leben, wie wir es wollen.
Tomas Pueyo
Es ist eine halbe Entwarnung. Nicht nur, weil Pueyo anspricht, wer weiterhin nicht entspannen kann. Das sind sehr viele Menschen, die er dazu anführt: Angefangen von Personen, die im Gesundheitswesen arbeiten, solchen, die unter Immunschwäche leiden, andere Vorerkrankungen lässt er aus, er zählt ganz allgemein Kinder ("kids") dazu und die Schwellenländer.
Und es ist eine halbe Entwarnung, weil sehr viel darauf ankommt, wie die Staaten sich verhalten werden. Kurz, ob sie bereit sind, drastische Maßnahmen zurückzufahren und von ihrer seit der Corona-Krise aufgemotzten Autorität wieder zu lassen. Pueyo spricht die Staaten direkt an:
Sie haben Ihre Befugnisse während der Covid ausgeweitet. Wenn Sie sie zurückgeben und die Gesetzgebung auf die nächste Pandemie vorbereiten, werden Ihnen die Bürger beim nächsten Mal mehr vertrauen.
Tomas Pueyo
Wer ist Tomas Pueyo?
Der Corona-Zahlen-Experte der Welt, Olaf Gersemann, nennt ihn einen "Lockdown-Guru" mit viel Einfluss. Der zeige sich darin, dass die Parole "flatten the curve" und "the hammer and the dance" zu Beginn der Coronakrise im März 2020 zu einem geflügelten Wort respektive zu einer "argumentative Vorlage" für die Lockdown-Politik geworden sei.
Tomas Pueyo Brochard, so sein vollständiger Name, ist weder Epidemiologe noch Infektiologe und auch kein Mediziner, sondern ein Verhaltenspsychologe mit einem MBA-Abschluss in Stanford, wie es aus einer Biographie zur Präsentation eines Auftritts bei einer TED-Konferenz zu erfahren ist. Seine Teilnahme an der Konferenz zeigt wie die weiteren aufgeführten Spezialisierungen "storytelling und script-writing", dass er offenbar seine Kenntnisse und Thesen eingängig formulieren kann. Das kommt bei Akademikern nicht immer so gut an.
Virulenz des Virus: deutlicher Rückgang durch Omikron
Seine aktuelle Einschätzung, wonach das Risiko durch Covid nach dem Ende der Omikronwelle geringer sein wird als durch die Grippe vor der Pandemie, unterlegt Pueyo mit mehreren wissenschaftsbasierten Beobachtungen.
Das ist einmal die derzeitige Einschätzung der Virulenz von Omikron. Dazu führt er 50 Prozent weniger Krankenhauseinweisungen im Vergleich mit der Delta-Variante an. Er zählt auf: 90 Prozent weniger Todesfälle im Vergleich zu Delta. Ungefähr 75 Prozent weniger Todesfälle als die ursprüngliche Variante. Omicron sei nur etwa zweimal so virulent wie eine normale Grippe, lautet sein Schluss.
Als Referenz für die Schätzungen nennt er wissenschaftliche Veröffentlichungen aus Großbritannien, Kalifornien sowie – mit einiger Vorsicht - aus Südafrika und Schottland.
Für den Vergleich mit der Grippe erläutert er in einer Fußnote (2):
Alpha war um ungefähr 60 Prozent virulenter als die ursprüngliche Variante, und Delta war noch einmal ungefähr 60 Prozent virulenter als Alpha. Eine Verringerung der Virulenz von Omicron gegenüber Delta um ungefähr 90 Prozent bedeutet, dass sie um ungefähr 75 Prozent weniger virulent ist als die ursprüngliche Variante, was enorm ist. Die durchschnittliche Sterblichkeitsrate in reifen Volkswirtschaften würde von ein Prozent auf etwa 0,25 Prozent sinken, also auf etwa das Doppelte der Virulenz einer normalen Grippe.
Tomas Pueyo (Übersetzung Deep L.)
Angefügt werden Schaubilder, die den steilen Anstieg und den darauffolgenden steilen Abfall der Infektionen in Südafrika und Großbritannien zeigen, wobei Pueyo dem Verlauf der Infektionen, Hospitalisierungen und Todesfällen in Südafrika besondere Aufmerksamkeit schenkt.
Die Omikronwelle werde vermutlich rasch abebben, gerade weil sie so heftig war, deutet dies Gersemann. Pueyo schließt erstmal nur, dass die Virulenz "drastisch zurückgegangen" sei. Das erklärt er mit der milderen Virus-Variante und zum damit, dass mehr Menschen durch Impfung und natürliche Infektion immun geworden seien.
Dazu, so Pueyo, müsse man noch die guten Studienergebnisse von Pfitzers Covid-19-Medikament Paxlovid mit ins Bild nehmen. So gelangt er zur eingangs erwähnten Einschätzung:
Hinzu kommt, dass gute Impfstoffe die Sterblichkeitsrate um etwa 90 Prozent senken und dass eine Behandlung mit Paxlovid die Sterblichkeitsrate ebenfalls um etwa 90 Prozent senkt, so dass die Sterblichkeitsrate bei Covid um drei Größenordnungen, nämlich um 99,9 Prozent, gesunken ist. Damit ist Covid jetzt mehr als zehnmal weniger tödlich als eine normale Grippe.
Tomas Pueyo
Das seien sehr großzügige Schätzungen, wie er in einer weiteren Fußnote (4) einräumt, aber auch dort kommt er mit etwas anderen Annahmen zum Ergebnis, wonach die Covid-Todesrate durch weit unter derjenigen der Grippe liegen wird.
Die Zahlen sollen Einblick geben, worauf Pueyo seinen Ausblick stützt. Mit der Einschätzung, dass Omikron den Übergang von der Pandemie zur Endemie bedeutet, steht der Spanier französischer Herkunft auch in Deutschland nicht allein. Andeutungen dazu gab es auch vom deutschen "Virus-Guru", Christian Drosten. Der verbreitete rhetorische Kniff, beide zum Stamm der Verharmloser zu rechnen, ist müßig.
Was folgt auf das Ende der autoritären Maßnahmen?
Gesellschaftlich wirft das ein Bündel an Fragen auf. Für Puyeo ist es eindeutig so, dass in der Kosten-Nutzenrechnung, die sich mit dieser Entwicklung verändert, einschränkende Maßnahmen zu teuer werden: "Lower benefits, higher costs". Auf gut Deutsch: Regierungen, die pretty hammer-happy sind, sollten ihre Maßnahmen bald möglichst weit zurückfahren.
Erleben wir also bald, dass das öffentliche Leben endlich wieder für alle offen ist, dass die Mitbürger rausgehen aus den Internet-Denkknästen und wieder rein in Restaurants, Wirtschaften, Kneipen, Bars, Cafés, kluturelle Veranstaltungen etc... - hinein in Streitgespräche, wo sich Argumente von Angesicht zu Angesicht abarbeiten müssen - und das Ende der Demonstrationsverbote wegen Ansteckungsgefahr und Nichteinhaltung von Corona-Regelungen?
Und wie werden die reagieren, die mit Beginn der Corona-Krise mit der Rede von einer "Fascho"-Diktatur eine neue Berufung zum "Widerstandskämpfer" erhalten haben, wenn die Maßnahmen großräumig entfallen?
Dass es an der Zeit ist für die Regierung und die staatlichen Behörden, Vertrauen zurückzugewinnen, dafür spricht einiges. Zumal der Nutzen vieler Maßnahmen, die stark ins Alltagsleben eingreifen, wie die früheren Lockdowns oder gegenwärtig die 2G- statt 3G-Regelung fragwürdig geworden ist.