Covid-Zertifikat: Die Schweizer Lösung ein Weg für Deutschland?

Seite 2: Das Immungedächtnis

Aber auch eine geringe Anzahl von Antikörpern in den Monaten nach der Infizierung ist kein zwingendes Zeichen für einen abnehmenden Schutz, wie Alexander Kekulé auf Anfrage von Telepolis erläutert hat:

Aus dem Rückgang der mit derzeit üblichen Methoden bestimmten Antikörper, dem so genannten "IgG", kann man nicht auf das Nachlassen eines Immunschutzes schließen. Während das IgG im Laufe einiger Monate abnimmt oder sogar ganz verschwindet, bilden sich Gedächtniszellen, die im Falle einer Corona-Infektion die Immunantwort sehr schnell wieder hochfahren können.

Alexander Kekulé

Zusammenhängend mit den T-Zellen gibt es noch eine zweite Möglichkeit, eine Infektion bzw. Genesung zu bestimmen und den Immunschutz einzuschätzen: den "T-SPOT.COVID Test". Laut einer Studie zeigte er sehr gute Ergebnisse bei der Erkennung von überstandenen Erkrankungen, die auch die Ergebnisse des Antikörpertest übertrafen.

Ein Blick ins Nachbarland

Die Schweiz geht einen anderen Weg als Deutschland. Am 3. Dezember hat die Schweiz die Einführung "Schweizer Covid-Zertifikats" beschlossen:

"Damit kann die Gültigkeitsdauer des Covid-Zertifikats für genesene Personen im Inland auf 12 Monate verlängert werden. Zudem können auch Personen mit einem aktuellen positiven Antikörper-Test (serologischer Test) ein Schweizer Zertifikat erhalten. Dieses ist 90 Tage und nur in der Schweiz gültig."

(In Österreich galt die Möglichkeit, mit Hilfe eines Antikörpertests für drei Monate einen Genesenenstatus zu erhalten vorübergehend, wurde jedoch Anfang November beendet.)

Anfragen

Die Frage stellt sich, warum Deutschland den Antikörpertest nicht "interessanter" nutzt, wie es Karl Lauterbach forderte. Telepolis stellte daher Klaus Stöhr, Virologe und Epidemiologe und ehemaliger Leiter des Globalen Influenza-Programms und Sars-Forschungskoordinator, folgende Anfrage: "Würden Sie einer Nutzung des Antikörpertests wie in der Schweiz zustimmen? Unabhängig von einem durch einen PCR-Test bestimmten Infektionsdatums kann mit Hilfe eines Antikörpertests einen Genesenausweis mit einer Gültigkeit von drei Monaten (allerdings nur in der Schweiz gültig) ausgestellt werden."

Klaus Stöhrs Antwort: "Ja." Dieselbe Anfrage stellte Telepolis dem Berufsverband Deutscher Laborärzte. Sein Vorsitzender stimmte ebenfalls einer solchen Nutzung zu und erklärte:

Die Idee eines Genesenenausweises, in dem der Antiköper-Titer ausgewiesen ist, wird vom Berufsverband Deutscher Laborärzte unterstützt. Es gibt eine relativ große Personengruppe, die zwar eine COVID-19- Infektion durchgemacht hat, aber entweder zu spät oder gar nicht zur Abstrichuntersuchung gegangen ist. Dasselbe gilt auch für diejenigen Patientinnen und Patienten bei denen der Antigenschnelltest falsch negativ ausgefallen ist. Ein entsprechender Ausweis würde diesen Personengruppen auch in Deutschland helfen, da ihnen derzeit die 2G-Freiheiten nicht zur Verfügung stehen.

Die Gültigkeit von drei Monaten wäre noch zu diskutieren. Auch hierzu liegen zwar internationale Studien vor, das RKI hat aber für Deutschland noch keine Festlegung getroffen.

Andreas Bobrowski

Der vergleichbaren Nutzung des T-SPOT®.COVIDTest (Oxford Immunotec) stimmte Stöhr ebenfalls ausdrücklich zu. Bobrowski schreibt, dass der Berufsverband Deutscher Laborärzte die Nutzung des T-SPOT®.COVIDTest genauso einstuft wie die entsprechende Nutzung des Antikörpertests.

Offizielle Stellungnahmen

Eine Anfrage von Telepolis an das RKI, ob dort eine Nutzung des Antikörpertests oder des T-SPOT®.COVIDTest wie in der Schweiz in der Diskussion sei, wurde einzig mit dem Verweis auf die bereits weiter oben zitierte Einschätzung des RKI zum Antikörpertest beantwortet.

Eine Anfrage von Telepolis an das Bundesgesundheitsministerium, ob der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach sich für eine "interessantere Nutzung" der Tests einsetzen würde, wurde exakt mit der Einschätzung des RKI beantwortet.

Auf eine weitere konkrete Nachfrage, inwiefern Karl Lauterbach nun in der neuen Position des Bundesgesundheitsministers plane, seine eigene Forderung nach einer deutlich umfassenderen Nutzung des Antikörpertests nun mit seinen neuen Befugnissen selber umzusetzen, blieb bisher unbeantwortet.

Der Schweizer Weg stünde Deutschland offen und würde Millionen Deutsche betreffen. Das ist ein guter Grund, um darüber intensiver zu diskutieren.

P. S. Auf die Anfrage von Telepolis an Prof. Stöhr: "Würden Sie einer generellen Gültigkeitsdauer des digitalen Impfausweises für Genesene von zwölf (statt sechs) Monaten zustimmen?" antwortete dieser: "Ja."