Cum-Ex-Geschäfte: Die Jagd nach dem verlorenen Steuergeld
Laut Finanzministerium sind mittlerweile erst 23 Verfahren von 259 rechtskräftig abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Köln muss wegen Verjährung nun Tempo machen
Sogenannte Cum-Ex-Geschäfte sind für die Nicht-Eingeweihten selbst in ihrer Grundkonstruktion (erklärt hier und hier) nicht auf den ersten Blick zu verstehen, da Zwischenhändler, die mit Leerverkäufen von Aktien spekulieren, eine wichtige Rolle spielen - und es dem Laien unverständlich bleibt, dass die Buchführung der Finanzbehörden nicht dazu imstande war, zu erkennen, dass sie Kapitalertragssteuern mehrfach zurückzahlt.
Die einfache Seite der Geschäftsmasche, die über zwischengeschaltete Händler sehr raffinierte und schwer zu durchschauende Konstrukte entwickelt hat, sieht so aus: Extra-Gewinne werden auf Kosten des Fiskus gemacht. Der Profit lag in der Steuerrückzahlung. Der Fiskus zahlte die Kapitalertragssteuer mehrfach zurück, ohne sie mehrfach eingenommen zu haben. Die "Sollbruchstelle", erklärte ein Experte der FAZ, lag im Auseinanderfallen der steuereintreibenden Behörde und der Stelle, welche die Bescheinigung für die Steuern erteilt hatte.
Müssen private Anleger auf Einnahmen durch Aktiendividenden eine Kapitalertragssteuer entrichten, so gilt dies nicht für institutionelle Investoren wie Fonds oder Banken. Sie erhielten die bei der Auszahlung der Dividenden bereits abgezogene Kapitalertragssteuer wieder zurück. So konnten auch die Abnehmer von Aktien, die nach der Auszahlung der Dividende gekauft wurden, davon profitieren und erhielten ihrerseits Kapitalertragssteuerrückerstattung, obwohl diese nicht noch einmal einbezahlt worden war.
Zweistelliger Milliardenschaden und Lobbyarbeit
Den Gesamtschaden für den Steuerzahler bezifferte die FAZ im Juni vergangenes Jahr auf mindestens 12 Milliarden Euro, die "unrechtmäßig geflossen" sein sollen. Erst 2012 soll das Steuerschlupfloch "richtig gestopft" worden sein, heißt es in dem Bericht.
Es dauerte lange, bis die breitere Öffentlichkeit vom milliardenschweren Missbrauch dieses Schlupfloches überhaupt Kenntnis erhalten hatte. Und man kann annehmen, dass einem Großteil der Öffentlichkeit wahrscheinlich unbekannt ist, was die Initiative LobbyControl in ihrem Jahresbericht von 2017 festhielt (siehe LobbyControl: Versagen der Großen Koalition):
In diesem Fall übernahm das Bundesfinanzministerium einen Teil der Gesetzesbegründung des Jahressteuergesetzes 2007 fast wortgleich aus einem Schreiben des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). Die entsprechende Passage wurde anschließend "am häufigsten genutzt, um die Scheinlegalität von Cum/Ex aufrechtzuerhalten", stellt der Abschlussbericht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Untersuchungsausschuss im Cum/Ex-Skandal fest.
Die Folge war ein Verlust von rund zehn Milliarden Euro - für die Steuerzahler/innen. Gut möglich, dass eine Legislative Fußspur dies verhindert hätte: Wäre der Einfluss der Finanzlobby konkret nachvollziehbar gewesen, hätte der Bundestag die Gesetzesvorlage sicherlich kritischer hinterfragt.
Lobbyreport 2017
"Der bislang dreisteste Steuerraubzug in der Bundesrepublik"
"Die Aktiendeals gelten als der bislang dreisteste Steuerraubzug in der Bundesrepublik", schreibt die Süddeutsche Zeitung in einem aktuellen Beitrag. Dort werden erste Erfolge gemeldet. Laut einer Antwort des Finanzministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen seien mittlerweile 23 Verfahren rechtskräftig abgeschlossen und hätten der Bundesregierung 436 Millionen Euro eingebracht.
Das ist viel Geld - vor allem angesichts der Tatsache, dass diese 23 Verfahren "weniger als ein Zehntel" der untersuchten Fälle ausmachen. Laut der Antwort der Bundesregierung sind ihr 259 Cum-Ex-Fälle bekannt. In einem Bericht vom April dieses Jahres machte die Zeitung darauf aufmerksam, wie schwierig sich das Aufspüren der Akteure gestaltet. Manche Beteiligung an dem "schwer zu knackenden System" wurde nur durch Aussagen von Insidern bekannt. Man kann also davon ausgehen, dass es eine Dunkelziffer gibt.
Schon damals machte die Überschrift des SZ-Artikels auf Tempo: "Wer jetzt nicht auspackt, ist geliefert". Jetzt, ein gutes halbes Jahr später, ist der Ton ähnlich: "Staatsanwaltschaft macht Druck bei Ex-Cum-Geschäften". Die Dringlichkeit erklärt sich damit, dass Ansprüche verjähren könnten.
Die Staatsanwaltschaft Köln treibt ihre Ermittlungen im größten deutschen Steuerskandal voran und will bis zum Jahresende von vielen Geldinstituten aus dem In- und Ausland wissen, ob sie mit den Behörden kooperieren. Und ob sie bereit sind, für dubiose Aktiendeals zu haften und teils hohe Millionenbeträge zu zahlen. Oder ob es auf langwierige Prozesse hinausläuft. Mit den Bankengesprächen im November und Dezember wollen die Kölner Strafverfolger verhindern, dass Ansprüche verjähren.
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Bemerkenswert ist die Liste der Banken, die in diesem Zusammenhang genannt werden: "Morgan Stanley und JP Morgan aus den USA, HSBC aus Großbritannien und auch die französische Großbank BNP Paribas. Nach Angaben aus Finanzkreisen hat BNP Paribas im November einen Termin bei der Staatsanwaltschaft Köln. Die BNP äußert sich dazu nicht. Auch andere Institute wie Caceis, ein Münchner Ableger der französischen Großbank Crédit Agricole, und die UBS aus der Schweiz ziehen es vor, zu schweigen."
Auch die Deutsche Bank wird erwähnt. Sie soll bereits umfangreiches Material geliefert und früher ausgestellte Bescheinigungen, "die sich als falsch erwiesen haben", zurückgezogen haben.
Mit solchen Bescheinigungen über angeblich an den Fiskus gezahlte, tatsächlich aber gar nicht abgeführte Kapitalertragsteuern hatten Cum-Ex-Akteure den Fiskus ausgenommen.
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