DIE TECHNOZOOSEMIOTIK

Seite 5: ELEKTROLOKATION

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Der GNATHONEMUS PETERSII benutzt seine Entladungen in einem für die lebendige Welt der ELEKTROLOKATION (räumliche Orientierung durch Elektrizität) einzigartigen Wahrnehmungssystem. Er hat mit elektrischen Signalen ein wirkliches soziales Kommunikationssystem ausgearbeitet.

Zur Erzeugung der Entladungen besitzt der GNATHONEMUS PETERSII auf jeder Seite seines Schwanzes ein Paar elektrischer Organe von gallertartiger Konsistenz, die man elektrische Platten nennt. Das sind lebendige Batterien, die aus vier Reihen von jeweils ungefähr 160 Zellen bestehen.

Jede Entladung erzeugt unmittelbar ein elektrisches Feld. Die Anwesenheit eines Objektes stört die Ausrichtung des Feldes. Die Störung wird durch eine Analyse der Signale von elektrischen Rezeptoren im erstaunlich entwickelten Kleinhirn wahrgenommen. Diese elektrischen Rezeptoren, die Mormyrasten, befinden sich auf dem ganzen Körper des GNATHONEMUS PETERSII.

Sie können eine "Repräsentation" der Form des elektrischen Feldes erstellen und daraus ihre Umwelt erkennen. Diese Technik ermöglicht es ihm, seine Nahrung zu finden und sich in den trüben Gewässern der afrikanischen Flüsse und Seen zu bewegen.

ELEKTRISCHE KOMMUNIKATION

Die Mormyriformen und die Gymnotiden haben für ihre Umwelt mit elektrischen Signalen ein Kommunikationssystem verwirklicht, das der mit visuellen, akustischen und mechanischen Signalen überlegen ist. Die Aussendung und der Empfang elektrischer Signale ermöglicht eine schnelle Übermittlung von Botschaften.

Auf diese Weise kann der GNATHONEMUS PETERSII mit seinen Artgenossen über eine Entfernung von einem Meter kommunizieren. Die von einem elektrischen Fisch ausgesendeten Spannungen sind wahrhafte Personalausweise für alle Individuen einer bestimmten Art. Die "Signatur" der Art liegt in der Form ihres Stromstoßes vor.

Durch Modulierung ihrer Senderhythmen können die elektrischen Fische Informationen über ihren Rang in der Hierarchie eines Schwarms, über ihre Aggressionsbereitschaft oder ihr sexuelles Begehren austauschen.

Der GNATHONEMUS PETERSII besitzt für den Empfang dieser Signale neben den Mormyrasten, die an der Elektrolokation beteiligt sind, weitaus empfindlichere röhrenförmige Rezeptoren, die man KNOLLENORGANE nennt und die wie wirkliche Filter funktionieren, um Parasiten im Kommunikationskanal fernzuhalten.

Man benötigt eine große Phantasie, um in das sensorische Universum eines GNATHONEMUS PETERSII einzudringen. Die üblichen Sinnesmodalitäten wie das Sehen und Hören finden bei Fischen wegen des Wassers auf bestimmte Weise statt. Das Wasser stellt eine Umwelt dar, die günstiger für die Übermittlung von Tönen ist. Die elektrischen Fische wurden mit diesem elektrischen Sinn ausgestattet, um eine Repräsentation der Welt zu bilden, die wahrscheinlich der technischen Immersion durch interaktive Schnittstellen und virtuellen Realitäten nahekommt.

Professor Louis Bec führte beispielsweise folgende Experimente und Modellierungen aus:

1. Kommunikation zwischen Lebendigem und künstlichem

Der GNATHONEMUS PETERSII ist in einem Aquarium digital mit einem künstlichen Modell, mit dem künstlichen Verhalten des LOGOGNATHE ARTIFECT vernetzt. Die Aussendung von Stromschlägen des GNATHONEMUS PETERSII informiert den LOGOGNATHE ARTIFECT, der auf diese Stimuli reagiert. Die Rückkehr der Informationen vom künstlichen Wesen zum lebendigen verwirklicht eine Kommunikationsschleife.

2. Das Projekt einer logomorphogenetischen Emergenz

Es wird eine künstliche Kommunikation zwischen drei GNATHONEMUS PETERSII hergestellt. Sie erlaubt, die Emergenz der Form eines Trialogs zwischen drei Fischen zu beobachten, die als logophorische Organismen betrachtet werden. Jeder elektrische Fisch wird zum Träger eines gegebenen dreidimensionalen, zeitlichen und körperlichen Inputs (X, Y, Z ...).

3. Ein programmierter Dialog zwischen zwei Gnathonemus Petersii im Internet

Dieser Dialog ist eine Premiere im technozoosystematischen Austausch zwischen zwei elektrischen Fischen, die sich an zwei verschiedenen geographischen Orten, in Arles und Grenoble, befinden.

Dieses Experiment findet Ende August 1996 mit der Unterstützung von Professor Christian Graff statt, der das Laboratorium für die Biologie des Verhaltens an der Universität Pierre Mendès France in Grenoble leitet.

Aus dem Französischen übersetzt von Florian Rötzer