DIN & Co: Die Geschichte der Normung in Deutschland und Europa

Christoph Jehle
Drei Zirkel bemaßen Würfel mit Aufdrucken der Mormen DIN, ISO und CEN

Normen prägen unseren Alltag seit über 100 Jahren. In Deutschland begann alles 1917 mit dem Normenausschuss der deutschen Industrie. Doch wer zog die Fäden? (Teil 1)

Die Ursprünge der Normungen stammen aus dem Vereinigten Königreich, wo im Jahre 1902 das Engineering Standards Committee (ESC) gegründet wurde, dessen Nachfolger seit 1929 unter dem Namen British Standards Institution (BSI) bekannt ist.

In Deutschland gehen die Normen auf den 1917 als Normenausschuss der deutschen Industrie (NADI) gegründeten und später in DIN (Deutsches Institut für Normung) sowie im elektrotechnischen Bereich auf den 1970 von DIN und VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) gemeinsam gegründeten DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE) zurück.

Die Arbeiten in den Normungsgremien werden durch die Leistungen der beteiligten Firmen erbracht und die Verwaltung der beiden Organisationen durch den Verkauf der jeweiligen Normen. Der Umgang mit den Texten der Normen ist daher grundsätzlich streng reglementiert, und die Texte durften auch betriebsintern nicht kopiert werden.

Eine kostenlose Einsicht in Normen ist jedoch über die Normen-Infopoints möglich. Dort kann man nach Normen, Standards und anderen Technischen Regeln recherchieren sowie das vollständige Deutsche Normenwerk einsehen. Die Normen sind in der Regel in elektronischer Form am Bildschirm zugänglich.

Das Deutsche Institut für Normung (DIN) ist ein gemeinnütziger Verein. Die Normung ist in Deutschland, wie auch in den meisten anderen europäischen Ländern, bottom-up-getrieben. Die Impulse für die Normung kommen nicht vom Gesetzgeber, sondern aus den interessierten Kreisen aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und der Zivilgesellschaft.

Die Arbeit der Normungsgremien basiert auf dem Prinzip der Konsensbildung. Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlichen Institutionen und Verbraucherschutzorganisationen bringen ihre Expertise ein, um gemeinsam technische Standards zu entwickeln, die den neuesten Entwicklungen und besten Praktiken (best practice) entsprechen. Dieses partizipative Vorgehen in den Normenausschüssen stellt sicher, dass die Normen breit akzeptiert und vor allem praxisnah sind.

Die Anwendung von Normen ist im Grundsatz freiwillig

Die Normen werden von Brancheninsidern erarbeitet, die von ihren Arbeitgebern zur Arbeit in den Normungsgremien abgeordnet werden. Die Anwendung der erarbeiteten Normen ist freiwillig. Sie werden nur dann bindend, wenn sie Gegenstand von Verträgen zwischen Parteien sind oder wenn ein Gesetzgeber ihre Einhaltung zwingend vorschreibt.

Normen sind eindeutige und anerkannte Regeln der Technik, daher bietet der Bezug auf besehende Normen in Verträgen Rechtssicherheit. Es kann für Unternehmen, gerade bei Zulieferfirmen, auch ein faktischer Zwang zur Anwendung von bestimmten Normen bestehen, wenn diese in Einkaufsbedingungen festgeschrieben werden. Auch wenn die Einhaltung von DIN-Normen keinen Haftungsfreibrief darstellt, so stellt sie einen wichtigen Schritt beim Nachweis ordnungsgemäßen Verhaltens dar.

Übergeordnete Normungsorganisationen

In Europa gibt es mehrere Organisationen, die in der Zusammenarbeit mit den Normungsorganisationen in den einzelnen Ländern für eine einheitliche Normung sorgen. In manchen Bereichen wie bei den Haushalts-Steckdosen war das nicht durchgängig erfolgreich. Immerhin passen deutsche Schuko-Stecker inzwischen in französische Steckdosen und umgekehrt.

Das European Telecommunications Standards Institute (ETSI) ist eine European Standards Organization (ESO), die sich mit Telekommunikation, Rundfunk und anderen elektronischen Kommunikationsformen befasst und die EU bei der Regulierung und Gesetzgebung in diesen Bereichen durch die Harmonised European Standards unterstützt.

In CEN, CENELEC sind die nationalen Normungsinstitute sowohl aller EU-Länder als auch der EFTA-Länder Mitglied. Die Abkürzung CEN steht für Comité Européen de Normalisation. CENELEC bedeutet Comité Européen de Normalisation Electrotechnique. Auf deutscher Seite ist das DIN Deutsches Institut für Normung Mitglied bei CEN. Die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik im DIN und VDE (DKE) hat diese Funktion bei CENELEC.

Diese sind wiederum Mitglied in der ISO (International Organization for Standardization) und in der IEC (International Electrotechnical Commission). Zusammen mit der ITU bilden die ISO und die IEC die World Standards Cooperation. Nur Normen die von den drei ESOs CEN, CENELEC und ETSI entwickelt wurden, sind European Standards (ENs).

CE-Kennzeichnung als Selbsterklärung des Herstellers

Eine zusätzliche Bedeutung erhielten die Normen mit der Einführung der CE-Kennzeichnung der EU, die für eine Konformitätserklärung des Herstellers beziehungsweise des Importeurs in den EU-Binnenmarkt darstellt. Letzterer gilt nach den EU-Vorschriften rechtlich als Hersteller.

Wenn kein Importeur greifbar ist, fallen die Pflichten dem Händler zu, der der hiesigen Rechtsprechung unterliegt und somit rechtlich greifbar ist. Die Konformitätserklärung soll im Detail belegen, dass die einschlägigen Normen in ihren aktuellen Fassungen eingehalten wurden.

Wer Produkte auf eigene Faust aus Fernost importiert, gilt ebenfalls als Hersteller und haftet für die Einhaltung der Normen. Dies wird besonders wichtig, wenn ein solches Produkt weiterverkauft oder verschenkt wird und sich dann zeigt, dass es den notwendigen Normen nicht entspricht, Funkeinrichtungen stört oder sich gar entzündet. Lösen solche frei importierten Waren einen Brand aus, wird keine Versicherung für den entstandenen Schaden einspringen.