DJV-Blogbeitrag über Rundfunk-Manifest löst medienethische Debatte aus
Deutscher Journalisten-Verband publizierte Kommentar mit handwerklichen Fehlern. Deutscher Presserat fühlt sich dafür nicht zuständig. Ein kleines Kuriosum.
Im April veröffentlichte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) auf seiner Website einen kurzen Kommentar zum "Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk". Autor ist, wie meist in diesem News-Bereich des DJV, der Pressesprecher des Verbands, Hendrik Zörner.
Zum Initiator des Manifests und Verantwortlichen im Impressum der zugehörigen Seite schrieb Zörner unter der Überschrift "Nah am Rand":
Eigentümlich ist auch, dass nach DJV-Informationen noch vor Kurzem im Impressum der Seite ein Verein Zivile Allianz genannt war, der von Sven von Storch, dem Ehemann der AfD- Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch, geführt wird.
(DJV-Blog, Erste Archiv- Fassung)
Umstrittene Behauptung: AfD-Nähe im Manifest-Impressum?
Einen Beleg führte Zörner nicht an, seine "DJV-Informationen" blieben dem Publikum verborgen.
Noch am selben Tag wurde der Passage ein Satz angehängt:
Dem widerspricht Ole Skambraks, Verantwortlicher im Impressum der Seite meinungsvielfalt.jetzt, vehement.
(DJV-Blog, Zweite Archiv- Fassung)
Aufgelöst wurde der Widerspruch nicht, obwohl nicht beides zutreffen kann: die DJV-Information, wonach das Impressum eine AfD-Nähe hergab, und zugleich deren Bestreiten. Sollte Zörners Behauptung falsch sein, wird das nicht durch Skambraks Gegenrede geheilt. Sollte die Behauptung hingegen zutreffend sein, wäre spätestens jetzt eine weitere Untermauerung notwendig gewesen.
Stattdessen gab es alsbald eine zweite Änderung. Nun verschwanden die gesamte Behauptung zum Impressum und der nachgereichte Widerspruch. Stattdessen wurde zwischen Teaser und Kommentar Folgendes eingefügt:
Gegendarstellung von Ole Skambraks, Herausgeber von meinungsvielfalt.jetzt: Im Impressum der Website https://meinungsvielfalt.jetzt steht seit ihrer Erstellung im Mai 2022 ausschließlich Ole Skambraks. Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Beziehung von Ole Skambraks und Meinungsvielfalt.jetzt zu dem Verein Zivile Allianz.
(DJV-Blog, Dritte Archiv- Fassung)
Diese so bis heute präsentierte Gegendarstellung muss für neue Leser unverständlich sein, wie schon seinerzeit auf Telepolis angemerkt wurde.
Journalistische Sorgfaltspflicht: Versäumnisse des DJV
Mit Blick auf die journalistische Qualität hatte der DJV-Beitrag zwei erhebliche Mängel. Zum einen wurde vor der Veröffentlichung der nicht belegten Behauptung dem Betroffenen keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, wie es die Regeln der Verdachtsberichterstattung verlangen. Auch wenn sich Skambraks dabei nicht geäußert hätte, wäre dies im Kommentar zu benennen gewesen, da auch Nicht-Reaktionen für die Leserschaft eine relevante Information darstellt.
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Zum anderen wurden die Veränderungen am Beitrag weder dort als solche kenntlich gemacht noch wurden über die Plattformen, auf denen er zuvor gepostet worden war, die relevanten Updates verbreitet.
Medienethisch verstieß der zweite Handwerksfehler gegen Ziffer 3 des deutschen Pressekodex. In der zugehörigen Richtlinie heißt es:
(1) Für den Leser muss erkennbar sein, dass die vorangegangene Meldung ganz oder zum Teil unrichtig war. Deshalb nimmt eine Richtigstellung bei der Wiedergabe des korrekten Sachverhalts auf die vorangegangene Falschmeldung Bezug. Der wahre Sachverhalt wird geschildert, auch dann, wenn der Irrtum bereits in anderer Weise in der Öffentlichkeit eingestanden worden ist.
(2) Bei Online-Veröffentlichungen wird eine Richtigstellung mit dem ursprünglichen Beitrag verbunden. Erfolgt sie in dem Beitrag selbst, so wird dies kenntlich gemacht.
(Pressekodex des Deutschen Presserats)
Presserats-Beschwerde gegen DJV scheitert an Zuständigkeit
Entsprechend hat der hiesige Autor eine Beschwerde beim Presserat eingereicht und wegen der Vorbildfunktion des DJV eine öffentliche Rüge verlangt. Schon in der Eingangsbestätigung hieß es, es müsse zunächst die Zuständigkeit geprüft werden. Das kam nicht ganz unerwartet, weil reine Online-Publikationen dem Pressekodex nur unterliegen, wenn diese sich freiwillig und kostenpflichtig zu ihm bekennen.
Dieser Fall lag hier allerdings nahe. Denn der DJV gehört zum Trägerverein des Presserats, neben der Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und dem Medienverband der freien Presse (MVFP, Nachfolgeorganisation des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger). DJV-Vertreter sitzen damit in den Beschwerdeausschüssen des Presserats und entscheiden über eingehende Beschwerden.
Tatsächlich erklärte sich der Presserat nun für nicht zuständig. "Denn bei https://www.djv.de/news/blog/ handelt es sich um allgemeine Verbandskommunikation, nicht um eine journalistisch-redaktionelle Fachpublikation", wie es in einem kurzen Schreiben dazu heißt.
Kuriose Konstellation: DJV nicht an eigene Ethik-Standards gebunden
Ausgerechnet der Deutsche Journalisten-Verband kommentiert und berichtet also nicht journalistisch, sondern strategisch, im Sinne von Public Relations?
Dazu gibt es einige Fragen, u. a., ob die DJV-Vertreter an der Entscheidung selbst mitgewirkt haben und ob der DJV unabhängig von der Zuständigkeit des Presserats Qualitätsmängel in seinem Blog-Beitrag sieht.
Doch DJV-Pressesprecher und betroffener Autor Hendrik Zörner ließ die ihm gestellten vier Fragen eine Woche lang unbeantwortet. Auch die Nachfrage, ob in Kürze noch mit einer Reaktion zu rechnen sei.
In seinen Pressemitteilungen und Kommentaren spricht der DJV Journalisten jedenfalls immer wieder als Kollegen an. "Wir sind kein Klischee" ist ein anderer Beitrag von Zörner überschrieben, in dem es um die Darstellung von Journalisten in Spielfilmen geht. In einem anderen Blog-Post reklamiert Zörner Pressefreiheit für die Pressemitteilungen des DJV – obwohl diese nun ganz sicher "Verbandskommunikation" sind. Wo die Grenze verläuft, auch das ließ der Pressesprecher leider unbeantwortet.
Ein Wächter der Medienethik, der ihr selbst nicht unterliegt, ist jedenfalls einigermaßen kurios und dem Vertrauen in diese Selbstregulierungsinstitution sicherlich nicht dienlich.