"Da hat die Polizei gezielt auf die Beine geschossen"
- "Da hat die Polizei gezielt auf die Beine geschossen"
- Angespannte Lage in niederländischen Städten am Samstag
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51 Festnahmen nach Krawallen in Rotterdam, Inhaftierten droht Eilverfahren. Drei mutmaßliche Randalierer im Krankenhaus. Unruhen auch am Samstag
Nach Angaben des Polizeichefs der niederländischen Stadt Rotterdam, Fred Westerbeke, steht hinter den Krawallen im Zusammenhang mit Protesten gegen die Corona-Politik in den Niederlanden die gezielte Unterwanderung zunächst friedlicher Kundgebungen durch gewalttätige Gruppen.
Westerbeke schilderte nach den schweren Ausschreitungen und Zusammenstößen mit der Polizei am Freitag, der friedliche Protest von 50 bis 60 Bürgerinnen und Bürgern durch sei gekapert worden. Die Gewalttäter hätten sich wahrscheinlich über soziale Medien verabredet. Mit bis zu 1.000 randalierenden Menschen habe die Polizei nicht rechnen können.
Am Freitagabend war der Protest in Rotterdam gegen Corona-Maßnahmen aus dem Ruder gelaufen. Bürgermeister Ahmed Aboutaleb sprach hinterher von einer "Gewaltorgie".
Sowohl aufseiten der Randalierer als auch der Polizei gab es Verletzte. In Stadtzentrum wurden zahlreiche Scheiben eingeschmissen und Fahrzeuge in Brand gesteckt. Beliebte Ziele waren bei den Brandstiftern nicht nur Polizeiwagen, sondern auch ausleihbare E-Scooter, wie man sie inzwischen in vielen Innenstädten findet.
Polizisten in die Enge gerieben
Der Sprecher der niederländischen Polizeigewerkschaft Jan Struijs erklärte, Polizeibeamte seien von größeren Gruppen eingeschlossen und in die Enge getrieben worden. In einem anderen Fall hätten sie Feuerwehrleute vor einem Angriff schützen müssen. Nach Warnschüssen hätten die Polizisten dann zum äußersten Mittel gegriffen: "Da hat die Polizei gezielt auf die Beine geschossen."
Im Internet findet ein Video Verbreitung, das zeigen soll, wie ein Mann von einer Polizeikugel ins Bein getroffen wird und stürzt; Schmerzensschrei des Mannes und mutmaßlich Schüsse sind zu hören. Inzwischen steht fest, dass drei mutmaßliche Randalierer wegen Schussverletzungen im Krankenhaus liegen. Deren Schwere ist noch unklar. Die Landespolizei (Rijksrecherche) ermittelt. Polizeibeamte fanden auf einem Kontrollgang nach den Krawallen auch einen abgetrennten Finger.
Ein Polizist liegt mit einem Beinbruch im Krankenhaus. Mehrere Polizeibeamte sollen zudem einen Gehörschaden und andere leichte Verletzungen davongetragen haben, weil sie mit schwerem Feuerwerk und Steinen beworfen wurden. Der Polizeichef meinte, viele seiner langjährigen Mitarbeiter hätten so einen Einsatz noch nie erlebt.
Bisher wurden im Zusammenhang mit der "Gewaltorgie" 51 Personen festgenommen, davon rund die Hälfte minderjährig. Der geschäftsführende Justizminister Fred Grapperhaus nannte die extreme Gewalt gegen Polizeibeamte und Feuerwehrleute in einer offiziellen Erklärung am Samstag "widerwärtig" und kündigte an, den Tätern im Eilverfahren den Prozess zu machen. Gleichzeitig verteidigte er das Demonstrationsrecht.
Doch bei den Vorgängen in Rotterdam halte es sich um "verbrecherisches Verhalten", das nichts mehr mit demonstrieren zu tun hätte. Wahrscheinlich steckten hinter den Gewaltexzessen Fußballhooligans, die gezielt die Konfrontation mit Polizeikräften suchen. Näheres müssten laufende Ermittlungen ergeben.