Damit kriegst'n groß!

Die Erotik-Messe Venus bot im siebten Jahr Befriedigung für schier alle menschlichen Bedürfnisse. Oder: Wie Digicams und Mobiltelefone die Pornographie verändern

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Am Wochenende wehte zum siebten Mal ein Hauch zarter Hardcore-Erotik durch zwei dicht gedrängte Messehallen unterm Berliner Funkturm. Den schüchternen Jungen von nebenan zog es genauso zur Venus wie Porno- und Poppp-Stars à la Dolly Buster, Molly Luft, Janett oder Maya Gold und Linda Logan. Während sich Berlins Promi-Friseur Udo Walz einen Weg durch die Masse bahnte, posierten ungeschminkte Bengelchen aufgeregt mit leicht bekleideten Vertreterinnen der wa(h)ren Liebe vor dem Kumpel mit der Cam. Zu beschnuppern und zu kaufen gab es die neuesten Sex-Toys, exklusive Porno-Videos auf Kassette oder zum Download in "DVD-Qualität", heiße Streamings fürs Handy, schlüpfrige Erektions-Creme und giftgrüne Scharfmacher-Tropfen.

Foto: Stefan Krempl

Das Geschäft der Porno-Industrie wandert immer weiter in das Internet und in multimediale Cyberwelten. Trotzdem - oder gerade deswegen - finden Sexmessen großen Anklang. So versammelten sich am Wochenende wieder über 300 Aussteller auf dem europäischen Branchen-Treff Venus in Berlin, um den in rauen Mengen auflaufenden Endkunden einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Die kamen aber natürlich weniger, um den Porno-Händler am anderen Ende der Leitung und des Bildschirms kennen zu lernen. Lange Schlangen bildeten sich vielmehr vor den vollbusigen Stars der Szene, die eifrig Autogramme gaben und sich für das offizielle Foto Arm in Arm mit dem Mann und dem Jüngelchen von der Straße ablichten ließen.

Die Messe verwandelte sich so unfreiwillig in die wohl größte Werbeveranstaltung für die digitale Foto- und Videographie. Jeder zweite Besucher hatte eine kleine Kamera, ein Foto-Handy oder einen Camcorder dabei. Die Gadgets richteten sich auf alles, was am weiblichen Körper so schön wippen kann - solange Größe und Form die leichte Bewegung noch zulassen. Motive gab es reichlich, sodass man an fast jedem Stand mit gigantischen Give-away-Tüten bepackte Menschen beobachten konnte, die ihre mit Silbergeräten bewaffneten Hände in Trauben in die Höhe streckten und aus vollen Rohren schossen.

Die Fotografie - und zuvor die (Akt-) Malerei - war zwar von Anfang an ein Schlüsselfaktor für die Pornographie und die Sexindustrie. Doch die immer billiger werdenden Digicams haben anscheinend eine neue sexuelle Revolution ausgelöst. Denn in den guten alten Zeiten der Foto-Entwicklung war es immer etwas peinlich, die Bilder vom heißen Schnittchen oder von der Domina im Bondage-Käfig beim Händler abzuholen. Heute kann sich jeder pubertierende Jüngling eine Cam mit erträglicher Auflösung leisten - und die Beute sofort auf dem Display oder zuhause am Computer konsumieren.

Foto: Stefan Krempl

Auf der Produktionsseite sind es Webcams, von denen der Sex-Boom im Netz vor allem profitiert. Im Zweifelsfall wird dabei jeder - beziehungsweise in diesem Fall wohl eher jede - zum Sender (sprich: zum Anbieter von Porno-Streams aus den eigenen vier Wänden). "Vielleicht auch deine Nachbarin?", spielt beispielsweise die Site Privat-Akt mit der Lust am Voyeurismus. Ob "Pantera", "Fickhaeschen" oder die "geile Studentin" aber wirklich die reizvollen Amateure sind, als die sie von der Adult-Site verkauft werden, oder ausgebuffte Profis und Lockvögel, sei dahingestellt. Angebote mit 24-Stunden-Live-Cams gibt es jedenfalls zuhauf im Web und auch auf der Venus, sodass kreative Vermarktungsstrategien gefragt sind.

Mobile Sex läuft langsam an

Den Reiz des Neuen haben dagegen noch die mobilen Sexnummern, die seit einem Jahr die Branche in Aufregung versetzen. "Machen Sie Ihre Inhalte mobil verfügbar", lockt etwa der Bremer Lösungsanbieter Carmunity.com. Der Markt für "Mobile Sex" wachse in Europa bis zum Jahr 2006 auf 3,3 Milliarden Euro und überflügle damit locker die Umsätze über das stationäre Internet, die bis dahin angeblich "nur" auf 1,7 Milliarden Euro anwachsen. Auf mobile Streamings setzten die Pioniere vor allem ihre Hoffnung, und natürlich auf die Premium SMS, die den frühreifen Kids das Geld aus der Tasche ziehen soll.

"Die Resonanz ist sehr groß", freut sich Olof von Lindequist, Key Account Manager Entertainment in der Hamburger Niederlassung des Schweizer SMS-Großanbieters Minick. Die Leute würden die üblichen zwei bis vier Euro pro (Bewegt-) Bildchen zahlen, ohne mit der Wimper zu zucken. Man sei aber noch am Anfang der Erschließung dieses jungen Geschäftszweigs. Doch die mobile Pornozukunft ist seiner Meinung nach golden: "Das ist ideal für alle, die nicht in die Kabine im Erotik-Shop wollen und lieber inkognito bleiben", sagt der Interaktivitätsexperte. Selbst in der U-Bahn könne man rasch eine SMS tippen und sich ein wenig Abwechslung verschaffen, ohne dass es jemand mitkriege.

Kopfschmerzen bereiten der Branche hierzulande dagegen nach wie vor die strengen Auflagen der Jugendschützer. Für den Bereich der Soft-Erotik zumindest glauben die Sexhändler eine Lösung gefunden zu haben: Große Anbieter wie Beate Uhse, Cytainment, Freenet, Fundorado, die Bauer-Gruppe Inter Publish (Coupe, Praline) oder Orion Versand haben sich zum Verein zur Förderung des Kinder- und Jugendschutzes in Telemedien, JusProg e.V. zusammengeschlossen. Dort haben sie auf Basis des nicht ganz unumstrittenen ICRA-Filtersystems) ein Jugendschutzprogramm geschaffen. Es soll Eltern die Möglichkeit geben, ihre minderjährigen Zöglinge vor dem Schlimmsten zu bewahren und sie vor "entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten" schützen.

Immer wieder Streit um den Jugendschutz

Knapp 50.000 - in der Regel nicht von Haus aus gelabelte - Sexsites hat der Verein dafür inzwischen auf seine Schwarze Liste gesetzt, die serverbasiert ist und damit ständig aktuell abgefragt werden kann. Beschwerden gegen diese Behandlung gebe es nicht, tönt es aus Vorstandskreisen. Von den ehrenwerten Anbietern schiele eh keiner auf die großen Kleinen unter 18. Und mit denen, die es doch tun, könne man sowieso nicht reden. Anerkannt hat die zuständige Kontrollbehörde, die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), das Jugendschutzprogramm aber noch nicht. Echten Zoff gibt es zudem rund um die Hardcore-Angebote, wo die Adult-Webmaster aufgrund der recht rigiden Auflagen zur Altersverifikation gar ein "Porno-Verbot" an die Wand malt.

Foto: Stefan Krempl

Die Besucher der Venus ficht derlei bislang jedoch nicht an: Die Pressekonferenz von JusProg bleibt weit gehend leer. Gibt es doch in den Messehallen praktischere Probleme zu lösen. "Warum bin ich nur so Scheiße klein", verflucht ein tatsächlich nicht gerade lang gewachsener Schnauzbartträger sein Schicksal, weil er inmitten der Menge von der Strip-Show auf der Bühne mal wieder kaum etwas mitbekommt.

Ein Pärchen könnte dank Penis Plus, der sanften Art der Genitalverlängerung made in Bavaria, dagegen bald lustvoller leben. "Damit kriegst'n größer", weist die junge Dame ihren etwas betreten drein schauenden Partner auf das Schnäppchen mit dem diskreten und bei 30 Grad waschbaren Stretchmaterial hin. Aber vielleicht sollten die beiden auch die vielen Angebote im Auge behalten, die mit dem täglichen Schwung Spam in die Inbox flattern. Oder den ersten wasserdichten, Geschwindigkeits-variablen und Batterie-betriebenen Massagehandschuh testen, mit dem der Verkäufer einen Stand weiter wild durch die Menge grabscht.

Im Fachhändlerzentrum geht es glücklicherweise ruhiger zu. "Was sehr erfolgreich ist", promotet der Chef einer Videoproduktionsfirma betont seine Waren, "sind Extremsachen." Er greift zu einer DVD mit dem wundersamen Titel "Gigantische Besamung", den er für doch immerhin sechs bis zehn Euro losschlagen will. Einen Stand weiter, wo man ersichtlich sein Augenmerk auf schwule Videofans geworfen hat, serviert eine Jeans-Lady mit Stöckelschuhen obszöne Riesenbockwürste mit Senf zum Verkaufsgespräch. In der Luft liegt der schwere Duft des Parfum d'Amour, das ein russischer Import-Export-Händler feil bietet. Dazu gibt es Glutamin-Dragees für die Steigerung der Willensimpulse sowie die "Orgasmus-Bremse" in Cremeform für alle, die sonst auch mal zu früh kommen.