Dank an die Stasi
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, und die DDR-"Auslandsaufklärung"
Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, schickt ein "Grußwort" an die "lieben Genossinnen und Genossen" anlässlich der Jahrestagung der Mitarbeiter der DDR-Auslandsaufklärung. Veröffentlicht hat sie es auf ihrer Webseite (Grußwort an die Aufklärer), auch die Junge Welt machte sie unkommentiert – "abgeschrieben" - publik.
Ihre Kritik an der "Ungleichbehandlung" dieses Personenkreises gegenüber den "Spitzeln von BND und Verfassungsschutz" bewegt sich zunächst ganz und gar in der Ebene des Vergleichs zwischen Nachrichtendiensten verschiedener Staaten. Jelpke nimmt Partei für den in der Konkurrenz unterlegenen und abgewickelten Staat. Sie versäumt es, dem ungefestigten Leser darzulegen, was daran inhaltlich Bestandteil der Arbeit einer "Linkspartei" ist.
Jelpke bedenkt die Arbeit des DDR-Auslandsgeheimdienstes mit dem Lob "mutiger Einsatz für den Frieden". Nun verhält es sich mit "dem Frieden" so, dass er eine Abstraktion vom Inhalt des Verhältnisses zwischen den Staaten darstellt. Vom Standpunkt der Vermeidung des Krieges kann das Niederkonkurrieren des "Ostblocks" per Rüstung von westlicher Seite ebenso als besonders nachhaltiger Beitrag zur Erhaltung des Friedens gelten. Schließlich wurde mit dem Rüstungswettlauf doch ganz friedlich die östliche Seite des atomwaffengerüsteten Kalten Krieges schachmatt gesetzt. Eine weniger produktive und ärmere Volkswirtschaft muss überproportional mehr Ressourcen aufwenden, um im Rüstungswettlauf mithalten zu können. Dies blieb nicht ohne negative Folgen für die Ökonomie.
Jelpke hat ein zweites Lob für die Leute vom DDR-Auslandsgeheimdienst parat. Ihre Gegner seien "Antikommunisten". Das Selbstverständnis, sich im Kampf mit den Antikommunisten zu befinden und allein schon deswegen auf der richtigen Seite zu stehen, dürfte den Adressaten von Jelpkes Grußbotschaft unmittelbar einleuchten. Anders bei nicht ganz so gefestigten Lesern, die sich an Heinrich Bölls Ausspruch erinnern, die größten Antikommunisten säßen in den Regierungen in Moskau und Ostberlin. Jelpke bleibt das Argument schuldig, warum sie Kritik an der Stasi so auffasst, als sei damit zwingend "jede positive Erinnerung an sozialen Errungenschaften der DDR ebenso wie jede aktuelle Kapitalismuskritik diskreditiert". Die Antikommunisten, von denen Jelpke spricht, "arbeiten mit Schaum vorm Munde an der weiteren Dämonisierung der DDR und insbesondere des MfS". Demgegenüber seien aus dem Kreise der Empfänger des Grußworts "umfangreiche nüchterne wissenschaftliche Untersuchungen und Dokumentationen zur HVA entstanden".
Jelpke unterlässt es, dem Publikum konkretere Inhalte dieser "nüchternen wissenschaftlichen Untersuchungen" mitzuteilen. Im "Schwarzbuch des Kommunismus" (S. 879) ist von 500 Entführungen aus der Bundesrepublik und West-Berlin in die DDR die Rede. Die These, es habe sich dabei um einen "mutigen Einsatz für den Frieden" gehandelt, bedarf zur Überzeugung ungefestigter Leser eines zusätzlichen argumentativen Aufwandes.
Ulla Jelpke als ehemaliger West-Linken ist Heinz Brandt (1909-1986) bekannt. Er war prominentes Gründungsmitglied des gewerkschaftlichen Komitees gegen KKWs in den 70ern (Arbeitskreis Leben) und Gründungsmitglied der Grünen. Den Leser würde interessieren, wie in diesem Fall der "mutige Einsatz für den Frieden" aussah. Brandt wurde in West-Berlin "am 16. Juni 1961 betäubt und in die DDR entführt. Nach mehrmonatigen Verhören in der Untersuchungshaftanstalt Berlin-Hohenschönhausen wurde er 1962 wegen "schwerer Spionage in Tateinheit mit staatsgefährdender Propaganda und Hetze im schweren Fall" zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt. Es folgten zwei Jahre Haft in der Sonderhaftanstalt Bautzen II. Eine weltweite Kampagne der IG Metall, von Linkssozialisten, Amnesty International und Bertrand Russell führte 1964 zu seiner Freilassung."