Dannenröder Wald: Autobahn illegal?

Symbolbild: G-R Mottez/Unsplash

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Milliardengeschenken, 60-Stunden-Arbeitswoche, grünem Autobahnbau und Joe Bidens Klimaversprechen

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In all der Nachrichtenflut ist es fast untergegangen: Mitte der Woche hat sich die Bundesregierung mal wieder mit der Autoindustrie zusammengesetzt und ein weiteres Geschenkpaket geschnürt, wie unter anderem tagesschau.de berichtet.

Zwei Milliarden Euro waren bereits im Frühjahr zugesagt worden, zwei weitere Milliarden kürzlich für die Zulieferer-Branche. Nun soll es noch einmal drei Milliarden Euro geben. Zwei Milliarden davon sind für die Fortsetzung der E-Auto-Subventionen bis 2025 gedacht. Wer genug Geld hat, sich einen Elektro-Pkw zu leisten, bekommt also noch was vom Staat dazu. Umverteilung.

Lkw-Abwrackprämie

Eine weitere Milliarde fließt an Speditionen für die Anschaffung neuer Lkw. Diesel-Lkw versteht sich, denn für Elektro-Lkw gibt es bisher nur, wenn überhaupt, einen Nischen-Markt.

War da nicht mal was mit "Frachtverkehr gehört auf die Schiene"? Ach so, da war die SPD noch in der Opposition.

Und Stickoxide? Die Europäische Umweltagentur stellt in einem am Montag veröffentlichten Bericht fest, dass in den 28 EU-Ländern 2018 schätzungsweise 417.000 Mensch einen vorzeitigen Tod aufgrund von Feinstaub, 55.000 aufgrund von Stickstoffdioxid (NO2) und 20.600 aufgrund von Ozon gestorben sind.

Die Zahlen basieren auf von einander unabhängigen Schätzungen und sollten nach Auskunft der in Kopenhagen ansässigen EU-Agentur nicht ohne weiteres addiert werden. Für Deutschland liegen die Angaben bei 63.100 Feinstaub-Toten, 4.000 durch Ozon und 9.200 durch NO2. Die hauptsächlichen Quelle der schädlichen Substanzen ist neben den Kohlekraftwerken und einigen anderen Industrieanlagen vor allem der Straßenverkehr.

Obszönes Geschenk

Auch aus diesem Grunde hat daher eine Zeit-Autorin recht, die die neuen Geschenke für Autoindustrie und wohlhabende Motoristen obszön nennt. Keiner habe zuvor nach den Dividenden der Konzerne oder danach gefragt, ob sich Autos derzeit wirklich Corona bedingt so schlecht verkaufen. Tatsächlich ist dem eher nicht so, wie die Zahlen der Kraftfahrtbundesamtes zeigen.

Im September 2020 waren 8,8 Prozent mehr Pkw neu zugelassen worden als ein Jahr zuvor. Im Oktober gab es gegenüber dem Vorjahr eine leichte Abnahme um 3,6 Prozent, die jedoch allein dem Rückgang der inzwischen überwiegenden gewerblichen Neuzulassungen geschuldet war. Die privaten Neuzulassungen stiegen im Vergleich zum Oktober 2019 hingegen um 6,8 Prozent.

Das hört sich alles nicht nach gravierenden Absatzproblemen, sondern eher nach nachholendem Konsum sowie nach Problemen bei den Unternehmen an, die sich im Augenblick beim Kauf von Firmenwagen etwas zurückhalten.

Mit drei Milliarden Euro könnte man übrigens bei einem geschätzten durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt von 3.000 Euro knapp 47.000 Pflegekräfte zusätzlich einstellen und zwei Jahre lang bezahlen. (Oder 94.000 ein Jahr lang.)

Doch anstatt das Geld für eine Verbesserung der Versorgung in Corona-Zeiten auszugeben, gibt es für Pflegekräfte hauptsächlich Druck: Landes- und Bundesregierungen haben die Arbeitsschutzbedingungen zeitweise aufgeweicht, sodass ohnehin bereits am Limit arbeitende Krankenschwestern und -pfleger - und das für zu wenig Geld - nun zu 12-Stunden-Schichten und 60-Stunden-Wochen gezwungen werden können.

Dannenröder Wald

Und damit all die schönen Autos, die viel systemrelevanter als irgendwelche Pflegekräfte sind, auch irgendwo auf den immer volleren Straßen Platz finden, werden weiter Autobahnen gebaut.

Im Jahr 2020, in dem alle Klima-Alarmglocken längst ohrenbetäubend klingeln. Im Jahr 2020, in dem absehbar ist, dass wir in den nächsten beiden Jahrzehnten weltweit alle Korallenriffe verlieren werden; absehbar, dass vielleicht schon in 15 Jahren der Arktische Ozean im Sommer gänzlich eisfrei ist.

So wichtig ist dieser Autobahnbau, die Umsetzung von Planungen aus den 1970er oder 1960er Jahren, dass dafür wochenlang - Corona hin oder her - Tausende Polizisten im Dauereinsatz sind, untergebracht auf engsten Raum, eingesetzt in langen, zermürbenden Schichten. Wie derzeit, wie berichtet, im Dannenröder Wald in Hessen, wo die A49 zwischen Kassel und Gießen durch ein Wasserschutzgebiet vorangetrieben werden soll.

Da kann sich schon mal Frust anstauen - und soll es vielleicht auch. Um so aggressiver wird gegen die protestierenden Anwohner und die Umweltschützer vorgegangen. Diese schreiben von diversen lebensbedrohlichen Situationen in den letzten Wochen, bei denen aufgrund des Vorgehens der Polizei meist Menschen aus mehreren Metern Höhe stürzten.

Unter anderem wurde, wie auf Telepolis berichtet, an Sicherungsseilen manipuliert und in größerer Höhe ein Elektroschockgerät, ein sogenannter Taser, eingesetzt. Dieser dient laut Polizeiwerbung und den Argumenten seiner Befürworter - auch Landesregierungen mit grüner Beteiligung haben ihn eingeführt - als Schusswaffenersatz. Offensichtlich finden die Beamten ihn aber ganz praktisch, um Protestierende per Folter bewegungsunfähig zu machen.

Zuletzt gab es am gestrigen Dienstag erneut einen äußerst bedrohlichen Vorfall, als einer der Baumbesetzer aus vier Metern Höhe auf den Waldboden stürzte, wie Aktivisten auf Twitter schrieben. Über Verletzungen war zunächst nichts bekannt.

Wie aggressiv, ruppig und auf höchst zweifelhafter Rechtsgrundlage gegen Autobahngegner auch fernab des Waldes von der schwarz-grün geführten hessischen Polizei vorgegangen wird, schildert einer der jungen Aktivisten hier in einem längeren Video.

Wir fordern den grünen hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir erneut dazu auf, die Räumungen und Rodungen zu unterbrechen, um zum einen eine weitere Eskalation zu verhindern und zum anderen einer Neubewertung des Autobahnbaus Zeit zu verschaffen. Durch die Beauftragung eines objektiven Wasserrechtsgutachtens - das bis dato fehlt - hätte er die Möglichkeit dazu.

Parents for Future

Könnte der Verkehrsminister einlenken?

Seit Wochen eskaliere im Dannenröder Wald die Situation, so das Elternnetzwerk in seiner Stellungnahme. Vergangene Woche habe es deshalb einen gemeinsamen Brief zahlreicher Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen aus der Region gegeben, in dem ein Rodungsstopp, die Einhaltung der Schutzbestimmungen bei Polizeieinsätzen und die Aufarbeitung der Vorfälle der letzten Tage gefordert wird.

Parents for Future verweisen außerdem auf ein Gutachten der Firma RegioConsult aus Marburg, dass sich mit dem Wasserrechtlichen Gutachten der DEGES auseinandersetzt. Die Bund und Ländern gehörende Gesellschaft tritt nicht nur als Gutachterin für den grünen Verkehrsminister auf, sondern wird zugleich auch für die Durchführung des Autobahnbaus verantwortlich sein.

Die Marburger RegioConsult komm nun zu dem Schluss, dass die DEGES mit veralteten Daten gearbeitet hat. Ihr Gutachten enthalte sogar, schreibt die Oberhessische Presse aus dem Schriftstück zitierend, "entscheidungserhebliche Mängel, die vor Baubeginn geheilt werden" müssten. "Die Auswirkungen auf das Grundwasser sind bisher völlig unzureichend untersucht", wird einer der Gutachtenautoren zitiert.