Das Monogamie-Gen oder die Gentherapie zur Partnerbindung
Zumindest bei Wühlmäusen konnten Wissenschaftler durch Einfügung eines einzelnen Gens monogames Verhalten bei ansonsten promisken Männchen erzeugen
Verhalten, so sollte man meinen, ist so komplex und abhängig von so vielen Einflüssen, dass viele Gene zusammen wirken müssen, um es zu gestalten. Und man sollte annehmen, dass zumindest schon bei den Säugetieren die Beziehungen zu den Sexualpartnern nicht allein genetisch determiniert sind. Es klingt daher unwahrscheinlich, was die Wissenschaftler vom Yerkes National Primate Research Center der Emory University and des Center for Behavioral Neuroscience (CBN) herausgefunden haben. Zumindest bei einer Wühlmausart scheint nur ein einzelnes Gen darüber zu entscheiden, ob die männlichen Wühlmäuse monogam bleiben oder sexuell promisk sind.
Die Wissenschaftler untersuchten in ihrer Studie, die in der aktuellen Nature ( Lim, M. M. et al. Nature, 429, 754 - 757) veröffentlicht wurde, ob Unterschiede der Vasopressin-Rezeptoren (V1a-Gen) bei Prärie- und Wiesenwühlmäusen das entgegen gesetzte Sexualverhalten der beiden Arten erklären könnte. Die männlichen Präriewühlmäuse (Microtus ochrogaster) pflegen eine lebenslange monogame Beziehung zu ihrem Sexualpartner und haben, wie frühere Untersuchungen zeigten, viele Vasopressin-Rezeptoren im ventralen Pallidum, einem Belohnungszentrum des Gehirns, während die Wiesenwühlmaus (Microtus pennsylvanicus) dort keine Vasopressin-Rezeptoren besitzt und häufig die Sexualpartner wechselt. Vasopressin (Adiuretin) ist ein im Hypothalamus produziertes Peptidhormon, das u.a. den Blutdruck erhöht und für eine stärkere Wasserabsorption im Blut sorgt.
Um zu überprüfen, ob Vasopressin-Rezeptoren auf die Paarbindung einen Einfluss haben, wurde das V1a-Gen vom Präriewühlmaus mit einem Virus in das Gehirnareal von 11 Wiesenwühlmäusen eingeführt, die noch nie Kontakt mit Weibchen hatten. Durch die Genmanipulation hatten diese im ventralen Pallidum vergleichbar viele Rezeptoren für das Hormon - und wurden in der Folge auch monogam orientiert. Zunächst wurden sie 24 Stunden mit einem Weibchen zusammen gesperrt, dem Östrogen injiziert worden war. Danach setzte man die Männchen, die sich frei bewegen konnten, in ein Plexiglas-Kammersystem, in dem sich in verschiedenen, über Tunnels zugänglichen Kammern die erste Sexualpartnerin und ein anderes, zur Paarung bereites Weibchen, beide angebunden, befanden. In aller Regel gingen die genmanipulierten Männchen wie die Präriewühlmausmännchen zu ihrer ersten Sexualpartnerin. Bei den Männchen in der nicht genmanipulierten Vergleichsgruppe waren keine Vorlieben erkennbar. In einer früheren Studie hatten die Wissenschaftler bei den monogamen Präriemwühlmäusen die Vasopressin-Aufnahme blockiert. Infolgedessen zeigten diese Männchen auch keine erkennbare Vorliebe mehr für ein Weibchen.
Zumindest bei einem "einfachen Tiermodell" konnten so die Wissenschaftler zeigen, dass nur die Aktivität eines einzelnen Gens "ein grundlegendes soziales Verhalten von Tieren einer Art tiefreichend verändern kann". Allerdings fügen die Wissenschaftler gleich hinzu, dass beim Menschen vermutlich an den lebenslangen Partnerschaften viele Gene beteiligt sein dürften.
Möglicherweise sind die Vasopressin-Rezeptoren aber auch an Störungen beteiligt, soziale Beziehungen wie beim Autismus herstellen zu können, womit Larry J. Young, einer der Wissenschaftler, dann aber doch wieder eine Verbindung zu Menschen herstellt. Es sei verführerisch, so Young, davon auszugehen, "dass individuelle Unterschiede bei den Vasopressin-Rezeptoren in Menschen eine Rolle dabei spielen könnten, wie diese Beziehungen bilden." Überdies sei, fügt Miranda M. Lim, die auch an der Studie beteiligt war, das Gehirnareal auch bei Menschen sowohl an Liebesbeziehungen als auch an der Drogensucht beteiligt. Die Bindung an einen Sexualpartner, so mutmaßt sie, könnte ähnlich dem neuronalen Prozess sein, drogenabhängig zu werden.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass beim Sex das Hormon ausgeschüttet und von den Rezeptoren im ventralen Pallidum aufgenommen wird, wo es eine Belohnungsreaktion auslöst, die bewirkt, dass die Tiere auf den Sexualpartner aufmerksam werden und sich an ihn binden, um die Belohung zu reproduzieren. Auch beim Menschen wird während des Geschlechtsverkehrs Vasopressin ausgeschüttet. Bei weiblichen Säugetieren - und auch bei Frauen - könnte das Hormon Oxytocin eine vergleichbare Rolle spielen.
Unter den Säugetieren sind nur wenige Arten monogam, etwa 5 Prozent aller Arten. Offenbar scheint es für die Männchen "besser" gewesen zu sein, ihre Samen weiter zu verbreiten und damit Nachkommen von mehreren Weibchen zu zeugen. In manchen Fällen könnte aber Monogamie und damit eine gemeinsame Aufzucht und gemeinsamer Schutz der Nachkommen von Vorteil sein. Möglicherweise also hat nur ein Gen den Schwenk des Verhaltens von der Polygamie, die zunächst vorhanden gewesen soll, zur evolutionsgeschichtlich späteren Monogamie bei manchen Arten bewirkt. Auch bei monogamen und promisken Affenarten wurden Unterschiede bei der Expression von Vasopressin-Rezeptoren gefunden.
Sollte das Gen auch bei anderen Säugetieren und vielleicht beim Menschen für monogame Beziehungen verantwortlich sein, dann könnte man darüber fantasieren, beispielsweise Männer durch Zuführung von Vasopressin oder durch Einfügung des Gens monogamer zu machen oder an eine Frau zu binden. Selbst wenn dies klappen sollte und Frauen ihre untreuen Männer zum Gentherapeuten schicken könnten, gäbe es allerdings - zumindest was die Wühlmäuse betrifft - mindestens noch ein weiteres Problem, das behandelt werden müsste. Die genmanipulierten Wühlmausmännchen waren zwar treuer, aber sie kümmerten sich auch nicht mehr um ihre Nachkommen als die unbehandelten sexuellen Herumtreiber. Es muss also doch selbst auf der nur genetischen Ebene noch mehr zusammen kommen.