Das Monster wohnt in der Mitte der Milchstrasse

Schon lange wird im Zentrum unserer Galaxie ein supermassives schwarzes Loch vermutet, bisher gab es aber keinen direkten Beweis

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Einem internationalen Astronomen-Team ist es nun gelungen, ein auffallendes Flackern zu beobachten, das durch das Monster hervorgerufen wird.

Eine Simulation des schwarzen Loches im Zentrum unserer Galaxie (Bild: Nature)

Schwarze Löcher, die alle Materie und Energie, die sie in sich hineinziehen, in einem ungeheuren kosmischen Raum-Zeit-Strudel ins Nichts verschwinden lassen, bevölkern das Universum in Form verschiedenster Typen (Vgl. Gefräßige Bestien im Weltall).

Im Kern der meisten Galaxien werden inzwischen schwarze Löcher vermutet, das gilt auch für unsere eigene Galaxie. Im Zentrum der Milchstrasse lässt die Bewegung der Sterne darauf schließen, dass ein supermassives schwarzes Monster alles verschlingt, was ihm zu nahe kommt. Aber die Abweichungen der Bahnen der Sterne könnten auch durch andere Ursachen bedingt sein, z.B. Cluster dunkler Sterne. Direkt beobachten kann man ein schwarzes Loch nicht, da es buchstäblich ein Nichts ist und alles in sich hinein zieht, das sich ihm nähert. Im vergangenen Jahr hatte ein deutsch-amerikanisches Astronomen-Team Aufsehen erregt, als sie Computersimulationen vorlegten, die zeigten, wie der "Schatten" eines schwarzen Lochs aussehen könnte. Sie legten dabei alle bekannten Daten der Region Sagittarius A-Stern (Sgr A*, Sgr: Sagittarius, das Sternbild Schütze) aus der Mitte der Milchstrasse ihren Berechungen zugrunde. Heino Falcke, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut kommentierte:

In Sagittarius A*, einem Punkt im Herzen unserer Milchstraße, haben Radioastronomen eine ultra-kompakte Radioquelle gefunden -- wahrscheinlich ionisiertes Gas in direkter Nähe des schwarzen Lochs. Infrarot-Beobachtungen der selben Gegend zeigen Sterne, die von einer enormen Masse in der Nähe von Sagittarius A* herumgewirbelt werden. Das ist zur Zeit der beste Hinweis auf ein schwarzes Loch, den wir haben, aber noch kein endgültiger Beweis.

Computersimulierte Bilder des schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße. Die obere Reihe (a,b,c) zeigt Resultate für ein schnell rotierendes schwarzes Loch, die untere Reihe (d,e,f) entsprechend ohne Rotation. Die beiden linken Teilbilder (a,d) stellen die Originalresultate der Computersimulation in höchster Auflösung dar. Die übrigen Bilder zeigen, wie das Schwarze Loch in realen VLBI-Beobachtungen mit verschiedenen Wellenlängen aussehen könnte

Das Monster flackert

Jetzt legt die Astronomen-Gruppe um Frederick Baganoff vom Massachusetts Institute of Technology mit insgesamt 11 Forschern von der Pennsylvania State University, dem Institute of Space and Astronautical Science Sagamihara, Japan, der University of California, Los Angeles und dem California Institute of Technology, Pasadena in der Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Nature ihre Analyse eines im Röntgenbereich sichtbaren Flackerns aus der Richtung von Sagittarius A* vor. Mit Hilfe des NASA-Röntgenteleskops CHANDRA haben sie das Flackern nachgewiesen.

Schwarze Löcher lenken das Licht ab und zwingen Gas und Staub in ihrer direkten Umgebung auf eine Spiralbahn, die letztlich ins Innere der gefräßigen Monster führen. Kurz bevor die Materie verschluckt wird, sammelt sie sich in extremer Beschleunigung um das schwarze Loch und sendet Energie in Form von Röntgenstrahlen aus. Das Verschlucken von Materie macht also das Schwarze Loch indirekt, sozusagen als "Schatten" sichtbar.

Das Flackern wurde über einen Zeitraum von einigen Stunden beobachtet und dabei wurden bis zu 45 Mal mehr Röntgenstrahlen emittiert, als wenn Sagittarius A* sich ruhig verhält. Ein Flackern trat jeweils über eine Periode von 10 Minuten auf, das ist die Dauer, die Licht braucht, um ungefähr 150 Millionen Kilometer zurück zu legen. Das bedeutet, dass es von einem Objekt stammt, das nicht weiter entfernt ist als diese Distanz, die der Entfernung der Erde von der Sonne entspricht. Wahrscheinlich ist die Region kleiner als das Gebiet innerhalb der Umlaufbahn des Mars um die Sonne. Da bekannt ist, dass die Masse im Zentrum der Galaxie der 2,6 millionenfache Masse unserer Sonne entspricht, ist die sich daraus ergebende Dichte enorm. Nur ein schwarzes Loch kann nach der allgemeinen Relativitätstheorie die Ursache sein. Baganoff et al:

Wir berichten hier von der Entdeckung eines schnellen Röntgen-Flackerns aus der Richtung von Sagittarius A*, das zusammen mit den kürzlich berichteten regelmäßigen Röntgenemissionen einen zwingenden Beweis darstellt, dass die Emission von der Akkretion von Gas in ein supermassives schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie kommt.

Schwarzes Loch (Illustration: CXC, CHANDRA

Sagittarius A-Stern wirklich ein schwarzes Loch?

Sagittarius A* ist eine kompakte Radio-Quelle und die Radiowellen werden wahrscheinlich von der Gravitations-Energie gespeist, die frei wird, wenn das supermassive schwarze Loch sich Materie einverleibt. Einige 10 Millionen Sterne bewegen sich in einem Umkreis von einem Lichtjahr rund um seine Position.

Ein direkter Blick auf das Zentrum der Milchstrasse ist nicht möglich, weil es hinter einem Sternencluster und massiven Staubwolken liegt. Das schwarze Loch, das riesige Monster inmitten der Milchstrasse, das Sagittarius A* darstellen könnte, wäre aber erstaunlich, denn sein Ereignishorizont - die virtuelle Membran, die das allesverzehrende Loch vom restlichen Universum trennt - ist sehr groß. Nach den Orbits der Sterne nahe Sagittarius A*, so führt Fulvio Melia von der University of Arizona) in Tucson in ihrem News and Views-Artikel in der gleichen Ausgabe von Nature aus, müsste bei der Masse von 2,6 Millionen Sonnen der Ereignishorizont sehr viel kleiner sein. Aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie müsste auch nach allen, nun neu vorliegenden Werten das schwarze Loch Sagittarius A* 20 Mal kleiner sein.

Fulvio Melia bezweifelt die Ergebnisse des Astronomen-Teams um Baganoff nicht, bemerkt aber, dass in der Vergangenheit die Natur (auch entgegen der Wahrscheinlichkeit) die Astronomen oft grausam täuschte und deshalb sollten erst alle anderen Erklärungen grundsätzlich ausgeschlossen werden. Sie schreibt:

Baganoff und Kollegen scheinen alle anderen möglichen Alternativen ausgeschlossen zu haben. Sie bieten den bisher besten Beweis - sie berichten von der seltenen Entdeckung eines Röntgenflackerns, das sich direkt außerhalb des Point-of-no-return erreignet. (...) Aber wie können wir sicher gehen, nicht einem boshaften Hoax der Natur aufzusitzen? Zum Glück ist Sagittarius A* auch mit Radiowellenlängen zu entdecken und Baganoff et al berichten, dass die Radio-Emission von Sagittarius A* während der CHANDRA Observation auch höher als normal war. (...) Ein unbezweifelbarer Beweis dafür, dass die Röntgen Variabilität wirklich von Sagittarius A* stammt, wird vorliegen, wenn wir simultan ein Flackern sowohl der Röntgenstrahlung wie der Radiowellenlängen beobachten.