Das Wiki-Prinzip

Tanz der Gehirne Teil 1

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Weitgehend unbemerkt von der Medienöffentlichkeit arbeiten Tausende von Freiwilligen an einer Enzyklopädie ungekannter Größe. Die Inhalte stehen unter einer Copyleft-Lizenz, sind also beliebig nutzbar, solange veränderte Versionen ebenfalls frei sind. Menschen aus der vernetzten Welt haben in zahlreichen Sprachen bereits fast 200.000 Artikel verfasst, das Themenspektrum deckt alle Bereiche menschlichen Daseins ab. Wikipedia, "die freie Enzyklopädie", ist der bisherige Höhepunkt der Wiki-Entwicklung - und vielleicht der Beginn einer neuen Internet-Ära.

Lange Zeit fristeten Wikis im Internet ein Schattendasein. Wer darüber stolperte, nahm die merkwürdige Syntax, das altertümliche Design und den fremdartigen Jargon zur Kenntnis, las vielleicht noch kurz eine Zusammenfassung des Prinzips - "jeder kann alles editieren" - und surfte dann kopfschüttelnd weiter. Doch die Wiki Wiki Webs wollten einfach nicht verschwinden. Mehr und mehr Communities von Wiki-Anhängern formierten sich um jedes nur erdenkliche Thema.

Die meisten Wikipedia-Autoren haben die Enzyklopädie über eine Suchmaschine wie Google entdeckt, denn viele Artikel haben bereits ein hohes Ranking in der Ergebnisliste. Beim Betrachten des Artikels bemerken sie den "Edit this page"-Link und landen plötzlich auf einem Bearbeitungsbildschirm. Durch Folgen der zahlreich gestreuten Verweise auf die Dokumentation erschließt sich vielen Benutzern so das Wikipedia-Prinzip.

Die dokumentierte Geschichte der Wikis beginnt am 16. März 1995 mit einer Email von Ward Cunningham, einem Software-Designer aus Portland, Oregon, an einen gewissen Steve P.:

"Steve - ich habe eine neue Datenbank auf meinem Web-Server installiert und bitte Dich, mal einen Blick darauf zu werfen. Es ist ein Web von Menschen, Projekten und Mustern, auf das man über ein cgi-bin-Skript zugreifen kann. Es bietet die Möglichkeit, ohne HTML-Kenntnisse mit Formularen Text zu editieren. Es wäre schön, wenn Du mitmachen oder wenigstens Deinen Namen in der Liste der RecentVisitors eintragen könntest .. Die URL ist http://c2.com/cgi-bin/wiki - danke schön und beste Grüße."

Cunningham beschäftigte sich schon länger mit sogenannten Entwurfsmustern (Patterns) - in der Software-Entwicklung sind das möglichst allgemeine Standardlösungen für wiederkehrende Probleme, z.B. "Anordnung von Objekten in einer Baumhierachie". Um solche Muster zu sammeln und zu verfeinern, bot es sich an, mit Entwicklern aus aller Welt zusammen zu arbeiten. So erweiterte Cunningham sein "Portland Pattern Repository" um eine Datenbank für Entwurfsmuster, die er WikiWikiWeb nannte.

"Wiki Wiki", das bedeutet "schnell" auf Hawaiianisch. Schnell sollte es gehen, die neue Datenbank mit Inhalten zu füllen. Als alternativer Name stand "QuickWeb" zur Disposition, doch in Anlehnung an das noch junge WWW gefiel dem Entwickler die Alliteration besser. Wäre die Entscheidung anders gefallen, würde Wikipedia heute vielleicht Quickipedia heißen ...

Angriff der Killer-Kamele

Das Prinzip hinter der neu gegründeten Musterdatenbank war einfach, aber genial: Unter jeder Seite befindet sich ein "EditText"-Link, der es erlaubt, den Text der Seite direkt im Browser zu bearbeiten. Doch wie Cunningham in seiner Email schrieb, sollten sich die Autoren nicht mit HTML, der Beschreibungssprache für WWW-Seiten, herumquälen müssen. Statt dessen entwickelte er eine vereinfachte Syntax, die von der Wiki-Software in HTML umgewandelt wird. Text kann unformatiert eingegeben werden, möchte man Überschriften, Hervorhebungen usw. einsetzen, muss man ein paar Regeln lernen (z.B. "== Abc ==" für Überschriften ersten Grades).

Um auch das Setzen von Verweisen auf andere Seiten zu ermöglichen, erfand Cunningham ein Schema namens "CamelCase" (wegen der Großbuchstaben, die wie Kamelbuckel hervorstehen). Zeichenfolgen, die einen Großbuchstaben am Anfang und innerhalb der Folge enthalten - z.B. "WikiWiki", "DesignPattern" - werden als Verweise auf andere Seiten mit diesem Namen interpretiert. Existiert die Seite noch nicht, kann sie durch Anklicken eines kleinen Fragezeichens neben dem Link angelegt werden. Da man eine Seite erst auf einer anderen Seite eintragen muss, um sie anzulegen, ist sichergestellt, dass neue Seiten mit bereits im Wiki vorhandenen vernetzt werden.

Jedes Wiki, das die CamelCase-Syntax verwendet, enthält also Hunderte oder Tausende von Seiten mit Worten und Titeln in dieser Form. Benutzer unterschreiben Bemerkungen mit ihrem Namen in CamelCase-Form - aus Ward Cunningham wird z.B. WardCunningham. Und weil ein einzelnes Wort noch keinen Link macht, wird entweder ein Großbuchstabe eingefügt - aus "Evolution" wird "EvoLution" - oder ein Wort angefügt - "EvolutionTheory". Durch CamelCase verstümmelte Worte gelten als "UgLy" (hässlich).

Sabotage-Prävention

"Ugly", das ist auch die Reputation, die Wikis seit langem anhaftet. Unformatierte Seiten voller Worte in Kamelform mit kreuz und quer eingefügten Kommentaren offenbarten sich neuen Besuchern. Ein harter Kern von Fans bildete sich und erweiterte die Musterbank dennoch fleißig, und schon bald schossen andere Wikis wie Pilze aus dem Boden. Neben einer meist ähnlichen Formatierungs-Syntax weisen fast alle Wikis verschiedene Merkmale auf:

  1. Eine "RecentChanges"-Seite der zuletzt gemachten Änderungen im Wiki, also z.B. "Seite InfiniteMonkey geändert am 3. Mai von AnonymousHero"
  2. Eine Historie von Änderungen an einer Seite, die teilweise bis zur ersten Version zurück reicht, je nach Wiki aber mitunter aus Platzgründen begrenzt ist
  3. Eine "Diff"-Funktion, welche die Änderungen zwischen zwei Revisionen einer Seite zeigt

Einige Wikis erlauben das Anlegen von Unterseiten, die Seite "TelePolis" könnte also z.B. die Unterseite "BestOf" enthalten.

Die meisten Wikis ermöglichen das Editieren ohne vorherige Anmeldung. Dauerhaft beschädigen kann man in Wikis kaum etwas - eine verunstaltete Seite wird meist relativ schnell wieder restauriert, wenn jemand die Änderung in den RecentChanges sieht. Dazu wird einfach eine vorherige Version editiert und gespeichert. Weniger gut funktioniert dieses Prinzip in toten Wikis, wo sich niemand um Änderungen kümmert. Aber es kommt natürlich auch vor, dass in aktiven Wikis unerwünschte Edits unter den Tisch fallen - in diesem Fall dauert die Reparatur, bis jemand die entsprechende Seite erneut liest.

Die wundersame Welt der Wikis

Insgesamt gibt es über 100 verschiedene "Engines" zum Betrieb eines Wikis, eine stets aktuelle Liste findet sich natürlich im Original-Wiki. Die meisten Wiki-Engines sind Open-Source-Software unter einer entsprechenden Lizenz.

Mit den von Nutzern eingespielten Inhalten ist es anders: Hier gibt es bei den wenigsten Wikis explizite Regeln, womit eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht. Eine Weitergabe in anderen Medien ist dann in jedem Fall ohne Erlaubnis der Autoren unzulässig, eine Erlaubnis zur Bearbeitung innerhalb des Wikis ergibt sich bestenfalls implizit aus dessen Funktion.

Wer selbst ein kleines Wiki betreiben möchte, ist mit einer einfachen Lösung wie UseModWiki gut bedient. Das UseMod-Projekt hatte ursprünglich das Ziel, ein offenes Moderations- und Bewertungsforum für das Diskussionsnetz UseNet zu schaffen, entwickelte sich jedoch zum Allzweck-Wiki, das auf Dutzenden Websites zum Einsatz kommt.

Mittlerweile gibt es Wikis für jedes erdenkliche Thema. Wer möchte, kann im virtuellen Reisebus eine Community nach der anderen besuchen, aber natürlich gibt es auch eine schnöde Liste. Und da Wiki-User notorische Erbsenzähler sind, führen sie auch eine Liste der größten Wikis. Damit die Wikis nicht völlig voneinander isoliert sind, gibt es neben der Reisetour noch sogenannte Interwiki-Links: Innerhalb eines Wikis kann man auf einen Artikel in einem anderen verweisen, indem man einen Präfix - wie etwa "WikiPedia:" - vor dem Link-Namen hinzufügt.

Die Jedermann-Enzyklopädie

Das größte Wiki ist mit Abstand die Wikipedia, die derzeit in ihrer englischen Ausgabe rund 120.000 Artikel zählt. Varianten gibt es in fast allen Sprachen, aktiv sind vor allem die englische, deutsche, französische, polnische, schwedische, dänische, holländische und japanische Wikipedia, und natürlich die Esperanto-Wikipedia, die im Mai 2003 um die 6.500 Artikel verzeichnete. Insgesamt gibt es rund 190.000 Artikel - das nächstgrößte Wiki, das Original-Wiki von Ward Cunningham, wirkt mit an die 25.000 Seiten geradezu mager. Dabei beinhaltet die Wikipedia-Statistik keine Diskussionsseiten, Bilder oder Seiten über die Wikipedia selbst, was allein auf der englischen Wikipedia noch einmal rund 90.000 Seiten ausmacht.

Die Idee, das Wiki-Prinzip auf eine Enzyklopädie anzuwenden, lag mit der zunehmenden Verbreitung von Wikis nicht fern, und es verwundert fast, dass es bis zum Januar 2001 gedauert hat. Wikipedia war zunächst nur ein Experiment, dessen Erfolg alle Beteiligten regelrecht überwältigt hat. Die Idee einer freien Enzyklopädie hat ihre Wurzeln dagegen in einem völlig anderen Projekt, Nupedia.

Das Nupedia-Projekt wurde im März 2000 vom Internet-Unternehmer Jimmy ("Jimbo") Wales gegründet und hatte von Anfang an das Ziel, eine gigantische, freie Enzyklopädie zu schaffen, die Britannica, Encarta & Co. den Garaus machen sollte. Für die Koordination stellte Wales einen Chefredakteur, Larry Sanger, ein.

Von der Bürokratie zur Anarchie

Doch nicht die totale Offenheit sollte zum Erfolg führen, sondern rigorose Qualitätskontrolle durch "Peers", also qualifizierte Experten aus den jeweiligen Fachgebieten. Artikel sollten von motivierten, informierten Freiwilligen stammen, deren Werke einen komplizierten Prozess von Faktenprüfung, Lektorat und Finalisierung überstehen mussten.

Alle Nupedia-Artikel sollten frei verfügbar sein und es auch bleiben. Um das sicherzustellen, wurde die Freie Dokumentationslizenz (FDL) des GNU-Projekts verwendet. Das GNU-Projekt, verantwortlich für einen großen Teil der existierenden Open-Source-Software, hatte die Lizenz ursprünglich für gedruckte Handbücher entwickelt. Sie erlaubt die Erstellung und Weitergabe von Derivaten (veränderten Kopien), sofern auch diese unter der FDL stehen. Das heißt im Klartext, dass man zwar FDL-Texte beliebig verändern und weitergeben kann - will man sie aber mit anderen Werken kombinieren, muss das gesamte Werk unter der FDL stehen. Das Prinzip ist bekannt: Die beliebte Open-Source-Software-Lizenz GPL funktioniert ähnlich.

In den 3 Jahren seiner Existenz hat Nupedia ca. 30 Artikel produziert - ohne das Wikipedia-Experiment würde das Enzyklopädie-Projekt wohl heute als Beispiel dafür zitiert, warum freie Inhalte keine Zukunft haben. Doch Nupedia scheiterte nicht an mangelnder Bereitschaft - Hunderte von Autoren, zahlreiche davon Wissenschaftler, hatten sich für das Projekt interessiert. "Nupedia ist tot und wird es auch bleiben", befindet Eivind Kjørstad, Informatikstudent aus Norwegen, der sich an dem Projekt beteiligen wollte. "Es gibt kaum einen Anreiz, sich mit der Bürokratie von Nupedia zu befassen, mit den fünf Prüfungsebenen (oder wie viele es auch sein mögen), den endlosen Streitereien, alles für nichts. Die meisten Autoren geben angeekelt auf, bevor sie auch nur halbwegs den 'Prozess' durchlaufen haben."

Im Januar 2001 diskutierte Larry Sanger mit einem Bekannten erstmals die Idee einer Enzyklopädie auf Wiki-Basis. Er war sofort von dem Wiki-Konzept begeistert und zog am 10. Januar 2001 auf der Nupedia-Mailing-Liste die logische Konsequenz: "Let' make a wiki!" Am 15. Januar ging Wikipedia mit der UseMod-Software an den Start - dieser Tag ist seitdem jedes Jahr "Wikipedia Day". Auch alle Wikipedia-Artikel standen von Anfang an unter der GNU FDL.

"Das Ende von CamelCase - hurra!"

Am 27. Januar schlug Clifford Adams, Hauptautor der UseMod-Software, vor, für Wikipedia eine neue Syntax zum Setzen von Links zu verwenden. Die KamelWorte würden die Zukunft der Enzyklopädie gefährden: Weil es zu viele unterschiedliche Schreibweisen gebe ("DemoCracy", "DemocracY", "DeMocracy" usw.) würden notwendige Links nicht gesetzt. Lesbarer wurden die Texte durch die komische Schreibweise auch nicht. Adams implementierte deshalb speziell für Wikipedia ein Verfahren namens "Free Links" - um einen Link zu setzen, werden um einen Text [[doppelte eckige Klammern]] gesetzt. Das ist zwar schwieriger zu tippen, führt aber zu deutlich lesbareren Artikeln.

Kurzum wurden die Kamele aus der Wikipedia verbannt, doch selbst heute trifft man mitunter noch auf Verweise in CamelCase-Form - ein großes Wiki, das sich einmal für die CamelCase-Syntax entschieden hat, kann praktisch nicht mehr zurück, da eine Konvertierung zu aufwendig ist. Um so wichtiger ist es, sich als Betreiber frühzeitig über den Unterschied im Klaren zu sein. Heute bieten viele Wiki-Engines Free-Link-Funktionalität an.

Wikipedia wuchs schon bald schneller als alle anderen Wikis. Im Februar waren 1.000 Artikel erreicht, im März 2.000, im September 10.000. Ursprüngliche gespeist wurde das Wachstum aus der vorhandenen Nupedia-Community, bald folgten erste Erwähnungen in Weblogs, schließlich Online-Magazine, im September 2001 die New York Times.

Von Grund auf neu

Schon bald entpuppte sich die UseMod-Software als zu beschränkt. Der Kölner Biologie-Student Magnus Manske entwickelte daraufhin mit Hilfe der Skriptsprache PHP und der Datenbank MySQL eine neue Software, die viele Wikipedia-Kinderkrankheiten ausmerzte. Diskussionsseiten und Seiten über Wikipedia wurden von Artikelseiten streng getrennt. Das Benutzerinterface wurde in viele Sprachen übersetzt. Unterstützung für das komfortable Hochladen von Bilddateien wurde hinzugefügt. Neue Schutzmechanismen kamen hinzu, Administratoren wurden ernannt, die Seiten löschen und Benutzer wegen Vandalismus verbannen konnten.

Doch die vielen neuen Funktionen hatten ihren Preis. Schon bald ging die Performance der Wikipedia in die Knie, und lange Wartezeiten beim Laden und Bearbeiten von Artikeln waren die Regel. Wieder einmal wurde die Software neu geschrieben, diesmal von dem Kalifornier Lee Daniel Crocker. Diese neue Software, bekannt als Wikipedia "Phase III" und wie alle vorherigen Versionen Open Source, ist seit Juli 2002 in Gebrauch und wird nun auch von einigen Spin-Off-Projekten verwendet (dazu mehr in Teil 2).

Eine wesentliche neue Funktion, die Wikipedia anderen Wikis voraus hat, sind sogenannte Beobachtungslisten: Alle in diese Liste eingetragenen Artikel lassen sich gesondert von den "Recent Changes" über einen längeren Zeitraum überwachen. Wer also viel Zeit in einen umfangreichen Artikel investiert hat, muss nicht ständig auf die Liste aller Änderungen schielen - ein regelmäßiger Blick auf die Beobachtungsliste genügt, und unerwünschte oder unpassende Änderungen durch Dritte können verbessert, gelöscht oder integriert werden.

Kampf den Wiki-Hooligans

Seitens der Administration wurde stets auf eine möglichst transparente Vorgehensweise geachtet. Soll eine Seite beispielsweise gelöscht werden, muss sie - sofern es sich nicht um eine offensichtliche Nonsens-Seite handelt - auf einer Spezialseite namens "Votes for deletion" (auf der deutschen Wikipedia: "Seiten, die gelöscht werden sollen") eingetragen werden. Dort bleibt sie eine Weile stehen, und sofern niemand Einspruch erhobt, darf ein Sysop sie entfernen. Gibt es dagegen Widerspruch, gilt das Konsens-Prinzip: Entscheidungen müssen wenn irgend möglich einvernehmlich gefällt werden. Kontroverse Inhalte werden deshalb eher verschoben, umbenannt oder nachbearbeitet als gelöscht.

Bei der Verbannung von Benutzern gelten ähnlich strenge Regeln. Sofort darf ein Nutzer nur in Fällen von offensichtlichem Vandalismus verbannt werden, ansonsten ist eine Diskussion mit Wiki-Eigentümer Jimbo Wales höchstpersönlich erforderlich. In 2 Jahren hat er gerade mal eine Handvoll registrierter Nutzer verbannt. Dabei macht die einfache Neuanmeldung eine effektive Durchsetzung der Regeln ohnehin schwer - bei der Registrierung findet keinerlei Identitätsprüfung statt. Deshalb kehren Regelverletzer häufig unter neuem Namen zurück.

Trotzdem ist die Diskussionsatmosphäre erstaunlich zivilisiert. In der Regel konzentrieren sich Gespräche tatsächlich darauf, wie ein Artikel verbessert werden kann. Natürlich gibt es auch "Flamewars" (Internet-Slang für hitzige Diskussionen), aber meist ruft ein Außenseiter die Teilnehmer rechtzeitig zur Ordnung. Wikipedia ist schließlich nicht primär eine Diskussionsplattform, sondern eine Enzyklopädie. "Tragt das woanders aus", lautet also die häufige Reaktion auf Entgleisungen. Kommt es zu Streitigkeiten, steigt auch das Risiko von Bearbeitungskonflikten - wenn ein Nutzer einen Artikel verändert hat, während ein anderer noch eine ältere Version bearbeitet, muss derjenige, der als letztes speichert, beide Versionen mühselig miteinander verknüpfen.

Auch aus anderen Gründen zahlt sich unfreundliches Verhalten auf Wikipedia nicht aus: Man erlangt schnell eine entsprechende Reputation und muss damit rechnen, verbannt zu werden - zumindest aber damit, dass andere Nutzer die eigenen Bearbeitungen besonders kritisch beäugen. Und der gleiche Nutzer, den man gerade beleidigt hat, ist vielleicht schon beim nächsten Artikel ein potenzieller Alliierter. Und damit es auch der letzte versteht, gibt es natürlich auch Verhaltensregeln für Wikipedianer - bekannt als Wikipetiquette.

Relevante Links:

  1. Why Wiki Works - Zusammenfassung gängiger Argumente für Wikis
  2. Unsere Antworten auf Kritik bzw. das englische Original Our replies to our ctitics: die Wikipedia-Version von "Why Wiki Works"
  3. Was Wikipedia nicht ist: Abgrenzung von anderen Projekten
  4. Wikipedia über Wikipedia: Ziele und Geschichte des Projekts
  5. Aronsson, Lars: Operation of a Large Scale, General Purpose Wiki Website. Aronsson betreibt Schwedens größtes Wiki, Susning.nu. In diesem Paper beschreibt er seine Erfahrungen.

Literatur:

Cunningham, Ward und Leuf, Bo: The Wiki Way. Collaboration and Sharing on the Internet. Addison-Wesley (2001). ISBN 020171499X.

Erik Möller ist einer der Autoren der englischen Wikipedia und Mitentwickler der Wikipedia-Software "Phase III".