Das Zeitalter der Immobilität
Verkehrsstaus sind kein Problem, sondern die größte politische Chance des 21. Jahrhunderts
Der amerikanische Bauunternehmer Trammel Crow, der Schöpfer des modernen Dallas, sagte einmal: "Ich liebe Verkehrsstaus. Sie sind besser als eine Rezession." Das erscheint heute als eine verrückte Bemerkung, doch Crow hatte Recht, denn Verkehrsstaus sind kein Problem, sondern die größte politische Chance des 21. Jahrhunderts.
Crow war allerdings nicht der Autor eines anderen nützlichen Sprichworts, nämlich dass es stets einfacher ist, den Menschen zu sagen, was sie tun sollen, als herauszufinden, was eigentlich vor sich geht. Doch Crow hätte auch der Erfinder dieses Sprichworts sein können, weil die Unfähigkeit, das herauszufinden, was wirklich vor sich geht, auf der Zukunft des Verkehrsstaus lastet. Ein Beispiel, das an vorderster Stelle für das steht, was wirklich vor sich geht - im Unterschied zu dem Versuch, den Menschen zu sagen, was sie tun sollen - , ist die Weise, wie die Bauwerke die riesigen Energiemengen verursacht haben, die beim Transport verbraucht werden.
Jahrelang sind die Architekten von dem fadenscheinigen Argument ausgegangen, dass die Hälfte des globalen Energieverbrauchs von den Gebäuden verursacht wird. Voller Schuldgefühle gingen sie nach Hause und stopften noch mehr Isoliermaterial unter die Hausdächer, brachten mehr Türen aus Radon im Haus an, verbauten die Häuser mit Wärmepumpen und lernten, Quatsch über Windtürme und Niedrigenergiescheiben zu sprechen. Was sie wirklich hätten machen sollen, war hingegen, den sogenannten Energieexperten die Stirn mit einer bissigen Erwiderung wie "Was sollen wir dann mit der anderen Hälfte des Energieverbrauchs tun?" zu bieten.
Sie waren dazu verpflichtet, das zu machen, weil ihr Bereich, das Bauen, wichtig ist. Er war wichtig vor der industriellen Revolution und natürlich auch schon vor dem modernen Transportwesen. Man braucht nur 200 Jahre in der Geschichte zurückgehen und kann sehen, dass damals noch kein Transportwesen in dem Sinn eines Wirtschaftssektors existierte, in dem in der EU einer von sechs Angestellten arbeitet.
Wie um Gottes willen konnte die Welt ohne all das funktionieren? Indem sie autark wuchs. In jenen Tagen wusste man, dass es keine anhaltende Aktivität ist, riesige Steine von Wales nach Salesbury Plain zu transportieren, um Stonehenge zu bauen, weswegen sie das nur ein Mal machten. Jetzt gibt es Tausende von Lastwagen mit einer Nutzlast von 40 Tonnen, die eine vergleichbare Fahrt jeden Tag machen. Irgend etwas muss geschehen.
Der Schlüssel für die Beendigung des für alle freien Verkehrs ist nicht, seine Kosten durch die Benzinsteuer im Sinne einer Strafe in die Höhe zu treiben, wie dies die britische Regierung getan hat. Das wird nur sein Leben verlängern. Viel wirkungsvoller wäre eine Politik, die zulassen würde, dass Staus den Verkehr lahm legen, und so das neue Zeitalter der Immobilität näher bringt: die Antwort auf die Energiekrise, die Umweltkrise, die Concorde-Krise, die Road-Rage-krise, die Einwanderungskrise und 99 Prozent aller anderen bekannten Krisen.
Können Staus das wirklich für unsere Welt leisten?
Nach der American Highway User's Alliance, einem Verband, dem 215 Automobilverbände angehören, kann das nicht scheitern. In einem aktuellen Bericht der AHUA wird vorhergesagt, dass mangels einer großen Rezession oder einer drastischen Reduktion des zivilen Kraftverkehrs, wie sie zuletzt zwangsweise während des Zweiten Weltkriegs stattgefunden hatte, die Staus auf den Straßen weiter schneller als die Bevölkerung, die Zahl der Fahrer und der KFZ-Zulassungen zunehmen werden. Der Durchschnittsamerikaner verbringt bereits jährlich 434 Stunden oder 18 volle Tage in einem Auto. Bald wird diese Zahl als Teufelskreis inakzeptabel werden, wenn Bevölkerungswachstum, steigende KFZ-Zulassungen, sinkende Zahl von Mitfahrern pro Auto, gegenüber anderen Transportmitteln zunehmendes Reisen im Auto und zunehmende Autofahrten zusammen eintreten. De Bericht führt die Stadt Indianapolis als Beispiel an. Dort wuchs die Bevölkerung zwischen 1982 und 1997 nur um 17 Prozent (150000 Menschen), aber die Zahl der gefahrenen Autokilometer nahm um 103 Prozent zu, wodurch eben so viele Verkehrsstaus verursacht wurden, als wenn die Bevölkerung um eine Million Menschen mehr geworden wäre.
Man braucht nur dieses Szenario mit der 32prozentigen Zunahme der US-Bevölkerung multiplizieren, die zwischen 1970 und 1997 stattgefunden hat. Die Verdopplung der KFZ-Zulassungen, die Zunahme der Führerscheine um 65 Prozent und alles zusammen führt zu einem voraussagbaren Endpunkt für das nationale Straßennetz.
Jeder weiß das, genau wie wir alle wissen, dass wir sterben werden - aber wir glauben es nicht. Es ist das am besten gehütete Geheimnis in der Welt. Man frage nur nach dem Grund für die unbegrenzt vorhandene Finanzierung der wirtschaftlichen Globalisierung, für das Internetbanking, den elektronischen Großhandel und Einzelhandel, die Supermarktzustellungen, die steigenden Grundstückspreise, die fallenden Autopreise, die Angebote in Höhe von 50 Milliarden Pfund für Mobilfunklizenzen, die boomenden Mediengruppen, die kommenden Videotelefone und sogar die Handschuhe für Telearbeit.
Der Ende des Verkehrs. Das wird keine Katastrophe sein, sondern eine neue Chance. Trammel Crow hatte Recht: der Stau ist die Lösung.