Das geht nicht mit rechten Dingen zu
Irre: "Edna bricht aus" ist ein Point-and-Click-Adventure der alten Schule
Da flog wohl einer übers Kuckucksnest, als ihm die Idee kam, seine Story in einer Klapsmühle spielen zu lassen. Denkste! Jan Müller-Michaelis, Entwickler und Mitbegründer von Daedalic, ist bodenständig: Er hat „Edna bricht aus“ (PC) im Rahmen einer Diplomarbeit geschrieben.
Edna ist frustriert. Sie kann sich auf Teufel komm raus nicht daran erinnern, wie sie in der Gummizelle einer Irrenanstalt gelandet ist. Aber dank ihres sprechenden Frotteestofftiers Harvey gelingt ihr die Flucht – zunächst aber erst einmal findet sie einen Weg aus der Zelle. Bis das Duo nämlich aus der Klapsmühle gelangt, sind noch etliche Aufgaben zu bewältigen; unter anderem muss Edna eine Kopie des Generalschlüssels herstellen.
Damit der Spieler die einzelnen Problemstellungen lösen und dieses hochgesteckte Ziel erreichen kann, muss er gut zuhören, was die anderen Insassen der Anstalt so zu erzählen haben. Da sie jedoch nicht ganz klar in der Birne sind, ist ein Weiterkommen nur dann möglich, wenn man sich auf ihre außergewöhnlichen Neigungen und mitunter sehr schrägen Weltanschauungen einlässt.
Einem Mann im Bienenkostüm beispielsweise muss ein Kaffee besorgt werden. Trinkt er den, bekommt Edna etwas Ohrenschmalz von ihm. Damit lässt sich eine tote Fliege so präparieren, dass sie in den Augen eines durchgeknallten Wissenschaftlers wie eine Dino-DNS ausschaut. Erst dann gelangen Edna und Harvey mit dem Wäschelift in andere Bereiche des Hauses…
Oh ja, „Edna bricht aus“ ist ein Point-and-Click-Adventure der alten Schule. Da liegt jeder richtig, wenn er das jetzt denkt. Die Macher, das Team des Hamburger Unternehmens Daedalic, zollen mit ihrem ersten eigens kreierten Titel der goldenen Lucas-Arts-Ära Tribut. Anspielungen auf Sierra-Klassiker gibt es ebenfalls. Zwar wohnt dem comicartigen Werk der Hanseaten nicht dasselbe Niveau wie „Day of the Tentacle“ oder der „Monkey Island“-Reihe inne, doch alles in allem sorgt auch „Edna bricht aus“ für zahlreiche Lacher.
Andererseits reicht Humor alleine nicht. Es muss auch eine gute Story mit Triebfeder geben. Und Motivation, weiterzuspielen, hat das Game auf jeden Fall zu bieten: Edna findet schon recht früh heraus, dass der Direktor, der sadistische Dr. Marcel, alles daran setzt, damit Edna ihre Erinnerungen an ihre Schulzeit verliert. Der Grund: Offensichtlich soll Ednas Vater Schuld am Tod seines Sohnes sein. Aber ob das wirklich stimmt?
Hinzuzufügen ist, dass das Gameplay auf den einen oder anderen Spieler altbacken wirken dürfte. Denn im Vergleich zu aktuellen Point-and-Click-Adventures, die seit „Geheimakte Tunguska“ auf die so genannte Snoop-Key-Funktion setzen, existiert in „Edna bricht aus“ keine vergleichbare Hilfsfunktion, um dem Spieler per Tastendruck zu zeigen, welche Objekte zu benutzen sind. Man muss den Bildschirm also auf eigene Faust untersuchen. Insgesamt stört das jedoch wenig.
Darüber hinaus gehen die Entwickler sogar noch einen Schritt weiter zurück: Über die Menüleiste am unteren Bildschirmrand legt der Spieler fest, ob er sich etwas anschauen, nehmen oder benutzen beziehungsweise mit jemandem reden will. Dieses Interface erinnert stark an das SCUMM-System, das vor über 20 Jahren erstmals programmiert wurde – für „Maniac Mansion“, ein „Haus voller Verrückte“. Na so ein Zufall!
„Edna bricht aus“, das wurde ja schon eingangs erwähnt, entstand im Rahmen der Diplomarbeit von Jan Müller-Michaelis aka Poki. Das Thema hieß „Das Computerspiel als nicht lineare Erzählform“. Da er im theoretischen Teil unter anderem auf auch einen Blick auf die Historie des Adventure-Genres warf, kommt es also nicht von ungefähr, dass das Interface von „Edna bricht aus“ retro ist.
Gegenüber Telepolis sagt Poki, dass das Genre „über die Jahre an Interaktivität verloren“ habe. „Sicherlich hat es einige sinnvolle Vereinfachungen gegeben, aber tatsächlich ist damit doch eine sehr starke Reduktion der Spieltiefe einhergegangen.“ Mittlerweile sei es so, dass „der Spieler oftmals gar nicht weiß, was er mit einem Klick in die Landschaft auslöst“. Dadurch käme es zu einer „Trennung zwischen dem Spieler und dem Protagonisten“. Und das will der Entwickler wieder rückgängig machen.