Das letzte Mal Merkel
Seite 2: Merkel - Kandidatin der freien Welt und der EU?
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Die Union und ihre parteiübergreifenden Unterstützer werden versuchen, sich aus dem innenpolitischen Klein-Klein herauszuhalten und sie als Kanzlerin der EU und letzte Verteidigerin des freien Westens aufzubauen.
Nach dem Brexit und der Wahl von Trump hört man solche Wertedebatten eher in grünennahen Kreisen als in der Union. Denn die Taz-Leser geben sich im Zweifel viel mehr als Verteidiger der EU als klassische Unionswähler. Die könnten dann zur rechten Konkurrenz abwandern. Der CDU-Austritt von Erika Steinbach ist hier ein Warnsignal, denn die gehörte zum konservativen Urgestein der Union. Da muss Merkel schon etwas gelingen, was der Spiegel im Anti-Trump-Kampf gerade an seinen Cover, auf dem der US-Präsident die Freiheitsstatue köpft, vorgemacht hat.
Da soll dann Deutschland als letzter Verteidiger der freien Welt einspringen. Nie war es in Deutschland einfacher als mit Trump, es den Amis doch noch heimzuzahlen, dass sie 1945 mit dazu beigetrugen, Deutschland zu besiegen. Der Antiamerikanismus wird nun gar nicht mehr codiert geäußert. Gelingt es Merkel, auf dieser Welle zu schwimmen, kann sie auch bei den Wahlen wieder Erfolg haben.
Selbstbetrug der EU-Befürworter
Doch die noch so vehementen EU-Verteidiger müssen auch aufpassen, dass sie mit ihrer Rhetorik nicht übertreiben und dabei selber diese Fakenews verbreiten, die sie der anderen Seite immer vorwerfen. Das hat Dominik Johnson in einem Taz-Beitrag gut herausgearbeitet. Dabei beschäftigt sich der erklärte EU-Befürworter und Brexit-Gegner mit einigen Lebenslügen seiner politischen Freunde. Er benennt gleich mehrere Missverständnisse der bedingungslosen EU-Verteidiger in der Brexitdebatte:
Missverständnis eins: Verlogene Populisten hätten die Briten zum Brexit verleitet, aber im Laufe der Zeit würden sich die Wähler betrogen fühlen und ihren Irrtum einsehen. So argumentieren bis heute zahlreiche europäische Politiker gerade auf der Linken. Aber es waren nicht die Populisten um Nigel Farage, sondern es war die breite Koalition der EU-Skeptiker quer durch alle politischen Lager, die im Juni 2016 den Brexit mehrheitsfähig machte.
Missverständnis zwei: Der Brexit schade der britischen Wirtschaft. Vor dem Referendum warnte das gesamte Establishment in London vor einer unverzüglich eintretenden wirtschaftlichen Katastrophe im Falle eines Brexit-Votums. In allen Nachrichten wird dies seitdem als Tatsache vorausgesetzt. Wenn es doch positive Daten gibt, heißt es, das sei so "trotz Brexit". Seltsamerweise gibt es fast nur positive Daten. Fast alle britischen wirtschaftlichen Indikatoren sind positiv.
Dominik Johnson
Johnson fordert eine realistische Brexit-Strategie der EU-Befürworter und erinnert daran, dass die EU von Großbritannien abhängig ist und nicht umgekehrt. Er meint damit die Deutsch-EU, aber er hat im Kern recht. So könnte eine vehemente Pro-EU-Kampagne am Ende auch nach hinten losgehen. Doch mit Schulz und Merkel stehen gleich zwei Kandidaten für diesen Kurs.
Das könnte der AfD Auftrieb geben und auch der Linken, wenn sie sich nicht dem Pro-EU-Block billig an den Hals schmeißt. Doch egal, wie die Wahl ausgeht, die Ära Merkel nähert sich dem Ende, und das politische Koordinatensystem, für das sie steht, verändert sich rapide. Noch ist nicht auszumachen, was dann folgt.