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Deal in letzter Minute: USA streichen Kuba von Terrorliste

Marcel Kunzmann
Ein Auto vor einem GebÀude

Botschaft der USA in Havanna

(Bild: Fotos593/Shutterstock.com)

Die USA haben Kuba von der Liste der TerrorunterstĂŒtzer gestrichen. Im Gegenzug lĂ€sst Havanna 553 Gefangene frei. Was steckt hinter dem Deal?

US-PrĂ€sident Joe Biden hat am Dienstag die Einstufung Kubas als "UnterstĂŒtzer des internationalen Terrorismus" offiziell widerrufen [1] – im Gegenzug lĂ€sst das Land 553 Gefangene frei.

Damit macht Biden eine der letzten außenpolitischen Entscheidungen seines republikanischen VorgĂ€ngers Donald Trump rĂŒckgĂ€ngig. Dieser hatte die sozialistische Karibikinsel am 12. Januar 2021, nur wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit, wieder auf die Liste der "Staatssponsoren des Terrorismus" [2] gesetzt.

Das Ende einer willkĂŒrlichen Sanktion

Neben Kuba befinden sich derzeit nur Nordkorea, Iran und Syrien auf der US-Liste. Die Listung fĂŒhrt fĂŒr die betroffenen LĂ€nder zu massiven BeschrĂ€nkungen beim Zugang zu den internationalen FinanzmĂ€rkten und behindert die Möglichkeiten, GeschĂ€fte mit anderen LĂ€ndern und Körperschaften zu tĂ€tigen.

FĂŒr internationale Finanzinstitute gelten dort aufgefĂŒhrte LĂ€nder als absolute Pariastaaten [3]. Bei GeschĂ€ften mit ihnen bzw. dort angesiedelten EntitĂ€ten droht auch Dritten, ins Visier der US-Sanktionsbehörde OFAC [4] zu geraten.

Vertreter verschiedener Staaten und zivilgesellschaftliche Akteure hatten die erneute Listung der Insel in den vergangenen Jahren scharf kritisiert [5]. Vergangenen Februar hatte eine UN-Expertengruppe gewarnt, dass durch die Aufnahme in die Liste grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben, Nahrung, Gesundheit, Bildung sowie wirtschaftliche und soziale Rechte und das Recht auf Entwicklung negativ beeintrÀchtigt seien.

Sogar Spitzenbeamte der Regierungen Trump und Biden bezeichneten [6] die Aufnahme Kubas hinter vorgehaltener Hand als "absurd". Der ehemalige Stabschef von Colin Powell nannte sie "eine Fiktion, die wir geschaffen haben, um die BegrĂŒndung fĂŒr die Blockade zu untermauern".

Kuba wurde aufgrund der UnterstĂŒtzung linker Guerillaorganisationen 1982 erstmals auf die US-Terrorfördererliste aufgenommen und 2015 durch Ex-US-PrĂ€sident Barack Obama gestrichen, nachdem Havanna inzwischen Gastgeber fĂŒr FriedensgesprĂ€che zwischen der Farc-Guerilla und der kolumbianischen Regierung geworden war.

Kubas PrĂ€sident Miguel DĂ­az-Canel erklĂ€rte in einer ersten Reaktion, dass der Schritt "in die richtige Richtung" gehe, kritisierte jedoch zugleich, dass die meisten Maßnahmen der US-Blockade weiter in Kraft seien.

Biden macht Trumps Kuba-Politik grĂ¶ĂŸtenteils rĂŒckgĂ€ngig

Doch zumindest einige jĂŒngere VerschĂ€rfungen der 1960 verhĂ€ngten Wirtschaftsblockade [7] wurden ebenfalls zurĂŒckgenommen. So hebt Biden das von Trump eingefĂŒhrte Klagerecht nach dem dritten Teil der Helms-Burton-Gesetzgebung [8] aus dem Jahr 1996 wieder auf.

Das erst Jahre spĂ€ter von Trump aktivierte Gesetz ermöglicht es AuslĂ€ndern, AnsprĂŒche auf nach dem Sieg der Revolution 1959 konfiszierte EigentĂŒmer gerichtlich geltend zu machen – was das Investitionsklima auf der Insel massiv verschlechtert hat.

Außerdem setzte Biden eine Schwarze Liste kubanischer Unternehmen außer Kraft, mit denen US-BĂŒrger und -Firmen keine GeschĂ€ftsbeziehungen unterhalten dĂŒrfen.

Damit sind kurz vor Ende von Bidens PrĂ€sidentschaft die schwerwiegendsten VerschĂ€rfungen der ersten Trump-Administration wieder aufgehoben worden. Reichlich spĂ€t möchte man hinzufĂŒgen, wenn man bedenkt, dass Biden und Harris bereits im Wahlkampf 2020 fĂŒr eine RĂŒckkehr zur Normalisierungspolitik Barack Obamas warben, in der Praxis aber bis auf minimale Schritte fast durchgehend Trumps Kuba-Politik aufrechterhielten.

Die offizielle PrĂŒfung, die formell notwendig war, um Kuba von der "Terrorliste" zu streichen, dĂŒmpelte viele Jahre ergebnislos vor sich hin.

In einer ErklĂ€rung des Weißen Hauses bestĂ€tigte Biden dann lapidar, dass die kubanische Regierung in den vergangenen sechs Monaten keinen internationalen Terrorismus unterstĂŒtzt habe – und fĂŒhrt zugleich Außenminister Antony Blinken vor, der erst Mitte Dezember öffentlich erklĂ€rte [9], dass es unter der jetzigen Administration "keine Änderungen unserer Politik" (in Bezug auf Kuba) mehr geben wird.

Ein ungewöhnlich hoher Preis

Um die HintergrĂŒnde des Deals zu verstehen, muss man sich vor Augen fĂŒhren, dass es sich eben um einen solchen handelt und nicht um ein "Geschenk" von Biden.

Von den 553 Gefangenen, die Kuba im Gegenzug vorzeitig aus der Haft entlĂ€sst, dĂŒrften nicht wenige im Rahmen der Proteste am 11. Juli 2021 verhaftet worden sein.

In Folge der grĂ¶ĂŸten regierungskritischen Proteste seit den 1990er Jahren wurden ĂŒber 800 Personen zu teils langjĂ€hrigen Haftstrafen verurteilt, was zu massiver internationaler Kritik an der Regierung fĂŒhrte. Auch der Vorwurf behördlicher WillkĂŒr steht im Raum. Kuba machte seinerseits die USA fĂŒr den Ausbruch der Proteste mitverantwortlich [10] und verwies auf eine aus dem Ausland finanzierte Twitterkampagne.

Vertreter des Obersten Gerichts erklĂ€rten [11], dass den betreffenden Gefangenen verschiedene Delikte vorgeworfen werden und EinzelfallprĂŒfungen nach Absolvierung eines Teils der Strafe auf Basis von Kriterien wie Alter, Krankheiten, etc. durchgefĂŒhrt wurden, wobei es sich explizit nicht um eine Amnestie handle. Kuba hatte unter Vermittlung des Vatikan, zu dem die Insel gute Beziehungen unterhĂ€lt und der auch jetzt involviert war, mehrfach GesprĂ€che angeboten.

Doch warum kommt ausgerechnet jetzt ein solches Abkommen zustande, wo doch in wenigen Tagen Trump und dessen rechtsgerichteter Außenminister Marco Rubio ĂŒbernehmen und alles rĂŒckgĂ€ngig zu machen drohen?

Dass eine nicht unbetrĂ€chtliche Zahl der Verhafteten im Austausch fĂŒr Sanktionslockerungen, die vielleicht nicht einmal Tage in Kraft sein werden, vorzeitig freigelassen werden, wĂ€re aus kubanischer Sicht ein ungewöhnlich hoher Preis. Warum sollte sich Havanna darauf einlassen?

Absprachen mit Trumps Team?

Eine mögliche Antwort darauf liefert ein Sprecher der Biden-Administration, der gestern erklĂ€rte [12], dass die "Übergangsteams der jeweiligen Verwaltungen der Biden-Regierung und der neuen Trump-Regierung in regelmĂ€ĂŸigem Austausch ĂŒber eine Reihe von Themen stehen" und der Deal mit Kuba "zu den Themen gehört, ĂŒber die sie sich ausgetauscht haben."

Schwer vorstellbar, dass RaĂșl Castro, der in diesen Fragen auf Kuba noch immer das letzte Wort hat, einen solchen Deal ohne entsprechende Zusagen der kommenden Trump-Administration akzeptiert hĂ€tte. Auf ökonomischem Gebiet mag Kuba teilweise naiv und unbeholfen agieren, auf diplomatischem Gebiet gilt die Insel jedoch als extrem versiert.

Trump wiederum hĂ€tte mit einem solchen Deal (wenn er unter seiner Administration Bestand hĂ€tte) die Möglichkeit, seiner exilkubanischen WĂ€hlerbasis in Florida einen Erfolg auf humanitĂ€rem Gebiet zu prĂ€sentieren und bekĂ€me mehr Optionen gegenĂŒber Russland und China, die beide gerade dabei sind, ihre PrĂ€senz auf Kuba auszubauen.

Doch selbst wenn es entsprechende Absprachen gĂ€be, dass Trump nicht wie angekĂŒndigt zu seiner Politik des "maximalen Drucks" gegenĂŒber Kuba zurĂŒckkehren und alle Lockerungen sofort wieder rĂŒckgĂ€ngig machen wird, bliebe noch die Frage: Was sind solche Zusagen wert?

Es wÀre weder das erste noch das letzte Mal, dass sich eine US-Regierung nicht an Absprachen hielte und Trump bleibt die wohl unberechenbarste Wildcard der internationalen Politik. Ob Kuba mit dem Abkommen nach Jahren der Wirtschaftskrise jetzt der entscheidende Befreiungsschlag gelungen ist oder man in Havanna schlicht hoch gepokert hat, kann letzten Endes nur die Zeit zeigen.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.whitehouse.gov/briefing-room/presidential-actions/2025/01/14/certification-of-rescission-of-cubas-designation-as-a-state-sponsor-of-terrorism/
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/State_Sponsors_of_Terrorism
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Pariastaat
[4] https://www.telepolis.de/features/Ofac-Die-maechtigste-US-Behoerde-von-der-Sie-nie-gehoert-haben-9994719.html
[5] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2024/02/united-states-unilateral-designation-states-sponsors-terrorism-negatively
[6] https://cepr.net/publications/cubas-terror-designation-is-a-deadly-fiction-its-time-to-end-it/
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Embargo_der_Vereinigten_Staaten_gegen_Kuba
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Helms-Burton_Act
[9] https://www.martinoticias.com/a/eeuu-no-planea-eliminar-a-cuba-de-la-lista-de-estados-patrocinadores-del-terrorismo-asegura-antony-blinken/405785.html
[10] https://www.telepolis.de/features/Regime-Change-nun-auch-in-Kuba-6139607.html
[11] https://oncubanews.com/cuba-ee-uu/gobierno-de-cuba-sobre-liberacion-de-presos-no-es-amnistia-ni-indulto/
[12] https://edition.cnn.com/2025/01/14/politics/biden-remove-cuba-from-state-sponsor-of-terrorism-list/index.html