Deals mit gefälschten Corona-Zertifikaten in Griechenland
Die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen und kostenpflichtige Tests führen in dem durch Sparzwänge gebeutelten Land zu etlichen Betrugsfällen
Betrug mit gefälschten Impfzertifikaten und negativen Testnachweisen ist nicht unbedingt etwas Neues. Angesichts der Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in Griechenland haben aber auch gefälschte positive Resultate Hochkonjunktur, da deren Inhaber immerhin für sechs Monate als "genesen" gelten. Seit am 16. September die Schulferien endeten, gelten im Land wieder verschärfte Regeln.
Die jüngste gemeinsame Ministerentscheidung betrifft zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens. Quintessenz des Ganzen ist, dass Bürger, die weder gegen das Coronavirus geimpft noch davon genesen sind, auf eigene Kosten frische Tests haben müssen, um zur Arbeit, zur Universität, zur Schule oder in sonstige öffentliche Räume zu kommen. Die Impfpflicht für die medizinischen Berufe gilt nun auch für Medizinstudenten.
Testpflicht und Lockdown
Die Testpflicht betrifft auch Rechtsanwälte, Justizangestellte oder Bürger, die vor Gericht erscheinen müssen. Betroffen sind sämtliche Personen, die älter als zwölf Jahre sind. Bei jüngeren Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren muss eine Erklärung der Erziehungsberechtigten über einen Rapid-Selbsttest vorgelegt werden. Über einige Stadtregionen in Nordgriechenland wurde bereits ein sogenannter "Mini-Lockdown" mit Ausgangssperren von ein bis sechs Uhr sowie Musikverbot an öffentlichen Plätzen und Räumen verhängt.
Die Sieben-Tage-Inzidenzwerte in den betroffenen Gebieten liegen in Kavala bei 36,9, in Pieria bei 33,4, in Pella bei 30,8 und in Imathia bei 35,9 registrierten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Ähnlich hohe Werte wurden in Evritania und Argolida in Zentralgriechenland und auf dem Peloponnes ermittelt. Auch dort gilt ein Mini-Lockdown.
Diese Inzidenzwerte mögen im Vergleich zu deutschen Inzidenzen relativ gering erscheinen. Allerdings ist das griechische öffentliche Gesundheitswesen auch aufgrund der fortgesetzten Sparpolitik weniger leistungsfähig und schlechter ausgerüstet als es in Deutschland üblich ist.
Die Regierung propagiert Booster-Impfungen für alle und hat bereits begonnen, erste Impfeinladungen zu verschicken. Weite Teile der Bevölkerung haben sich bislang geweigert, sich impfen zu lassen. Prominente Vertreter der Impfskeptiker finden sich im rechten und rechtsextremen Lager, aber auch bei der nominell linken Syriza-Partei von Alexis Tsipras.
Falsche Zertifikate, um Kosten zu sparen
Rund 200 Euro kostet ein Covid-19-Test mit positivem Ergebnis. Der "Gewinn" für einen Käufer ist, dass er damit für sechs Monate als "Genesener" gilt, und somit die sogenannte 2G-Regel erfüllt. Im Vergleich dazu müssen ungeimpfte Arbeitnehmer pro Woche mindestens 20 Euro für Tests aufbringen. Je nachdem, welcher Andrang in den staatlichen Testzentren herrscht, kann die Summe erheblich steigen. Falsche negative Testzertifikate werden dagegen, wie die Polizei- und Medienberichte im Land erklären, von Touristen für die Ausreise gern gekauft. Ohne negatives Resultat ist eine Ausreise nicht möglich.
Die kaum kalkulierbare finanzielle Belastung durch die Testpflicht oder Quarantäne senkt die Hemmschwelle für den Kauf gefälschter Zertifikate. Ein Grund, weshalb die Regierung die Strafe für Ertappte auf mindestens 5.000 Euro festlegte. Beamte, die an einem derartigen Betrug in jeglicher Art und Weise beteiligt sind, müssen pro gefälschtem Zertifikat 5.000 Euro zahlen.
Darüber hinaus drohen dienstrechtliche Konsequenzen. Im Fall von Gesundheitspersonal ist die fristlose Entlassung gemäß der jüngsten Aussagen des Gesundheitsministeriums sicher.
Einige Medien im Land, wie das Internetmagazin "News 24 7" sprechen bereits von einer Pandemie der gefälschten Zertifikate im Gesundheitswesen. So geriet auch eine Gynaikologin eines staatlichen Krankenhauses ins Visier der Fahnder. Sie hatte, wie viele ihrer Kollegen im Gesundheitswesen auch, ein Impfzertifikat aus Bulgarien. Antikörper konnten bei ihr nicht nachgewiesen werden.
Die Wahl des Impfstoffes als Schwachstelle im System
Die verstärkte Fahndung nach gefälschten Zertifikaten begann Anfang September. Im Gesundheitszentrum des Ortes Palamas in Thessalien wurden rund 31.000 Impfdosen gespritzt. Bei rund 8.900 Einwohnern des Ortes erscheint der Wert, auch angesichts der Impfquote sehr hoch. Tatsächlich stellte sich heraus, dass eine Krankenschwester des Gesundheitszentrums regen Handel mit Zertifikaten über Impfungen, die nie stattfanden, betrieb.
Das Problem für die Fahnder ist, dass die hohe Zahl der Impfungen allein keinen Beweis für Betrug liefert. Denn das betreffende Zentrum hatte als einziges in der Region den Pfizer/Biontech-Impfstoff im Angebot. Ohne Meldepflicht wie in Deutschland konnten die Griechen bei der Anmeldung zur Impfung eine Postleitzahl ihrer Wahl eingeben, aber auch nachträglich ändern.
Auf diese Weise kamen viele, die keine Wohnung in Palamas haben, an den begehrten mRNA-Impfstoff. Zudem ist der Nachweis, wer in Palamas eine angebliche oder doch eine tatsächliche Impfung erhalten hat, aufwändig. Die Fahnder nutzen auch die Anmeldeplattform für die Impfungen für ihre Arbeit. Sie stellten fest, dass knapp 5.000 Impflinge sich zunächst an einem anderen Ort angemeldet hatten und nachträglich die Postleitzahl änderten.
Als weiterer Anhaltspunkt gilt das Datum des 13. Juli. An diesem Tag wurde die Impfpflicht für medizinisches Personal verkündet. Daher steht dieser Personenkreis besonders im Fokus. Nun werden die Daten aller Impfzentren ausgewertet. Dort, wo ab dem Zeitpunkt der Impfpflicht die Zahl der Geimpften im Vergleich zu den Monaten zuvor um mehr als fünfzig Prozent stieg, gehen die Fahnder zum nächsten Schritt, der Detailüberprüfung über.
Um welche Summen es bei den Zertifikaten geht, kann nur erahnt werden. So war ein Impfling im Athener Vorort Maroussi bereit, der Krankenschwester bei seiner zweiten Impfdosis 500 Euro zu zahlen, wenn sie die Kanüle auf dem Boden entleeren würde. Der Mann wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Die Betrugsfälle sind nicht auf den Ort Palamas beschränkt. Täglich gibt es neue Meldungen aus vielen Orten des Landes. Zumindest im Fall Palamas ist bekannt, wie die ertappte Krankenschwester vorging.
Sie hatte die Zugangscodes für die Meldungen der Impfungen erhalten. Wenn wegen Nichterscheinens oder als Rest am Abend Impfungen übrigblieben, rief sie ihre Kunden an und vereinbarte eine "Impfung" am gleichen Tag. Diese trug sie samt der Codenummer der Impfdosis ins System ein und vernichtete danach die Impfdosis. Die so erstellten Zertifikate sind anders als im Darknet gekaufte Bescheinigungen nicht leicht als Fälschung identifizierbar.