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Dem Urknall ein großes Stück näher

Bild: NASA

Der direkte Nachweis von Gravitationswellen öffnet ein völlig neues Fenster zum Kosmos - Ein Kommentar

Dank der Entdeckung von Gravitationswellen können Astronomen erstmals in einen völlig unbekannten Bereich des Universums vordringen. In einen Kosmos, in dem keine Teilchen herumschwirren oder elektromagnetische Wellen den Raum durchfluten, sondern eine besondere die Raumzeitgeometrie erschüttert, mit der sich neue Erkenntnisse über kosmische Objekte und Phänomene gewinnen lassen. Mithilfe von Schwerkraftwellen wiesen Astronomen erstmals die Existenz von Schwarzen Löchern direkt nach. Gravitationswellen könnten auch Informationen aus der Anfangs- und Inflationsphase des Universums enthalten.

Es ist für wissenschaftlich gebildete oder an Astronomie interessierte Menschen ein alter Hut: Astronomen sind Historiker und Archäologen des Universums, weil für diese jeder Blick durch ein Teleskop aufgrund der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts zugleich auch ein Blick in die Vergangenheit ist.

Elektromagnetische Strahlung als Quelle

Visieren diese mit ihren optischen Fernrohren weit entfernte Sterne an, unternehmen sie eine Zeitreise ad oculos. Auch wenn für die Photonen respektive Lichtwellen selbst keinerlei Zeit vergeht , so dokumentiert doch jedes Photon gleichzeitig den temporären Charakter des Universums, das selbst wiederum kein statisches, sondern ein ausgesprochen historisch gewachsenes, in ständiger Veränderung befindliches Gebilde ist. Jedes Lichtteilchen, das nach seiner langjährigen einsamen Odyssee durchs photonenarme All auf die Erde trifft, ist ein mit Informationen bepackter Gesandter aus vergangenen Tagen, kommend aus einer anderen Zeitebene und von einer anderen kosmischen Quelle.

Selbst das Licht unseres Heimatgestirns braucht achteinhalb Minuten, um die 150 Millionen Kilometer Distanz zur Erde mit einer Geschwindigkeit von annähernd 300.000 Kilometern in der Sekunde zu überbrücken. Schauen wir auf das Zentrum unseres Milchstraßensystems, erleben wir seine Ahnenzeit, so wie sie vor annähernd 30.000 Jahren gewesen war. Und bewundern wir die Schönheit des 2,25 Millionen Lichtjahre entfernten Andromeda-Nebels, sehen wir eine Momentaufnahme einer fernen Welteninsel, die zu einer Zeit gemacht wurde, als Homo rudolfensis [1], ein Vorfahre des Homo sapiens, auf der Erde gerade seine Blütezeit erlebte.

Die nächste Galaxie zur Galaxis: Andromeda (M31). Ästhetisch ein Genuss! Bild: NASA/JPL-Caltech

Doch das weiße Licht der Andromeda-Galaxie, das optische Teleskope einfangen und das sich in unseren Augen spiegelt, ist bei weitem nur ein kleiner Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums, das Astronomen derweil in seiner ganzen Bandbreite detektivisch mit erdgebundenen Sternwarten und Weltraumobservatorien sezieren. Da im Universum jeder Stern, jede Gas- und Nebelwolke und jede Galaxie auf unterschiedlichen Wellenlängen und Frequenzen strahlt, observieren Astronomen praktisch jeden Bereich des Lichts: von Gamma-, Röntgen-, Ultraviolett-, Infrarot- bis zum Mikrowellenbereich.

All diese Strahlungsenergien haben eines gemeinsam: Sie bewegen sich - wie das sichtbare Licht - mit Lichtgeschwindigkeit durchs All und sind neben den ebenfalls lichtschnellen Neutrinos [2] die einzigen Quellen, aus denen Astronomen ihr bisheriges Wissen über das Universum geschöpft haben.

Störungen der Raumzeitgeometrie

Doch seit kurzem verfügen die Sternforscher über ein weiteres, höchst vielversprechendes und zukunftsträchtiges Fenster zum Kosmos, durch das sie das Universum auf völlig neue Weise und aus einer gänzlich anders gearteten Perspektive betrachten können: Gravitationswellen.

Dass dies möglich ist, hängt mit der Eigentümlichkeit dieser Strahlung zusammen, die sich nicht wie das Licht durch den Raum bewegt, sondern diesen - ähnlich einer seismischen Welle nach einem Erdbeben - durchströmt und erschüttert. Nach Albert Einstein ist Gravitation keine Kraft, sondern eine Eigenschaft des Raumes. Tatsächlich ist der Raum keine starre, unbewegliche Bühne, auf der die stellaren Hauptakteure ihr Schauspiel mimen. Nein, Sterne und alle damit assoziierten poststellaren Körper und Phänomene wie Pulsare, Neutronensterne und Schwarze Löcher verformen abhängig von ihrer Masse den Raum mal stärker, mal schwächer.

Immer wenn sich Materie im All zu Körpern verdichtet, ob diese so massereich wie unsere Sonne oder so massearm wie unsere Erde sind, wird die Raumzeit gekrümmt. Wo und wann dies auch immer im Universum geschieht - werden diese Körper beschleunigt, entstehen dabei stets Gravitationswellen. Sie treten als wellenartige Störungen der Raumzeitgeometrie in Erscheinung und strecken, dehnen und stauchen die Raumzeit. Je massereicher und dichter ein Körper dabei ist, desto stärker kommt dieser Effekt zum Tragen.

Je massereicher ein astrophysikalischer Körper, desto stärker die Krümmung der Raumzeit. Bild: T. Pyle/Caltech/MIT/LIGO Lab

Besonders gut kommt dieser Effekt zum Tragen, wenn sich massereiche Objekte schnell bewegen. Kreisen beispielsweise in einem Doppelsternsystem zwei kompakte Sterne sehr schnell um ihren gemeinsamen Schwerpunkt, breiten sich die Schwerkraftwellen langsam aber stetig in alle Richtungen aus, ähnlich einem in einen Teich geworfenen Stein, der nach allen Seiten auslaufende Wellen produziert. Je schneller der Stern sich dabei bewegt, desto stärker krümmt sich die Raumzeit und desto größer werden die Abstände zwischen den kosmischen Körpern.

Doch solche Schwingungen sind selbst mit den besten Detektoranlagen zurzeit nur sehr schwer nachweisbar. Infolge der verschwindend geringen Wechselwirkung zwischen Gravitationswellen und Materie hinterlassen diese nur Spuren, wenn sehr massereiche Sterne kollabieren und als Supernovae explodieren - oder zu guter Letzt Schwarze Löcher miteinander verschmelzen.

Sensation, die ihren Namen verdient

Letzteres hat ein internationales Forscherteam unlängst beobachtet. Die am 11. Februar 2016 im Rahmen einer international vielbeachteten Pressekonferenz [3] in Washington, D.C. als wissenschaftliche Sensation verkaufte Entdeckung von Schwerkraftwellen markiert in der Tat eine wissenschaftshistorische Zäsur und beschert den beobachtenden Astronomen einen völlig neuen Zugang zu den astralen und nicht-astralen Objekten sowie Phänomenen des Universums. Es ist eine Sensation, die diesen Namen wirklich verdient, deren Tragweite sich aber derweil nur erahnen lässt.

Im Zentrum der erdnahen, nur 30 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 4565 (siehe Bild) befindet sich ebenfalls ein Schwarzes Loch, das sich - je nach Aktivität - mit schwachen oder starken Gravitationswellen verrät. Bild: ESO

Die unlängst erstmals direkt nachgewiesene mysteriöse Energieform, die außerhalb des elektromagnetischen Spektrums angesiedelt ist, aber das Universum ebenfalls mit Lichtgeschwindigkeit durchströmt, wurde bereits von Albert Einstein [4] vor hundert Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) vorausgesagt und von ihm zwei Jahre später nochmals in einem gesonderten Arbeit - "Über Gravitationswellen" [5] - präzisiert.

Doch Einstein selbst glaubte nicht an einem direkten Nachweis von Gravitationswellen, weshalb diese auch für viele Jahre in Vergessenheit gerieten. Erst 1962 machten sich die ersten Physiker daran, die Einsteinschen Wellen aufzuspüren, bis deren Existenz 1974 zumindest indirekt [6] bestätigt werden konnte.

Historischer September 2015

Seitdem war die Suche nach Einstein Phantomstrahlung in der Astronomie en vogue, seitdem war ihr direkter Nachweis für all jene, die auf diesem Fachgebiet zuhause waren, nur noch eine Frage der Zeit. So kam es, wie es kommen musste und auch erwartet wurde: Am 14. September 2015 schlug der 33-jährige italienische Physiker und Postdoc-Student Marco Drago [7] vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik [8] in Hannover eine neue Seite im Buch der Wissenschaftsgeschichte auf.

Als er die Daten von den Caltech-Computern auf die deutschen Rechner transferierte, erschien auf seinem Monitor zuerst ein akustisch vernehmbares Signal bei einer niedrigen Frequenz von 35 Hertz, welches aber mit der Frequenz anstieg und nach 0,2 Sekunden seine maximale Amplitude bei 150 Hertz erreichte, bis das Signal bei 250 Hertz verschwand.

Was Drago auf seinem Monitor sah … Bild: LIGO

Weil das Signal so bildermäßig daherkam, starrte Drago einige Minuten lang ungläubig auf den Bildschirm. Kurz darauf studierte und überprüfte er zusammen mit seinen Kollegen Andrew Lundgren [9] die Daten mehrfach. Am Ende waren sich beide sicher, dass das Signal nur eine Interpretation erlaubte: Auf dem Bildschirm zeichnete sich ein klassischer "Chirp" ab, wie Physiker hörbare Signale nennen, die ein wenig wie Vogelzwitschern klingen. Und den "Chirp", den Drago und Lundgren vernahmen, war die akustische Signatur einer ursprünglich sehr starken Gravitationswelle, die von den irdischen Detektoren als niederfrequentes Signal registriert wurde.

Bild: ESO/L. Calçada

Als den beiden Physikern klar wurde, dass sie soeben Zeugen des ersten direkt detektierten Gravitationswellen-Ereignisses geworden waren, verbreiteten sie kurz darauf die frohe Kunde als Massen-Email an den kompletten Verteiler, in dem mindestens 1.000 Wissenschaftler aufgeführt waren. Als die amerikanischen Kollegen am nächsten Morgen die Arbeit aufnahmen, fanden sie in ihren Emails den lapidaren Hinweis: "Wir haben etwas, das wie ein echtes Ereignis aussieht."

Crash zweier Schwarzer Löcher

Das von Drago entdeckte 1,3 Milliarden Jahre alte nachhallende Signal stammte aus einer Epoche, als in der Biosphäre der Erde Mikroben das Sagen hatten. Wie sich schnell herausstellte, wurde das kosmo-archaische Ereignis von zwei miteinander kollidierenden Schwarzen Löchern von 35 und 29 Sonnenmassen verursacht, die zu einem Schwarzen Loch von 62 Sonnenmassen verschmolzen, wobei drei Sonnenmassen binnen eines Sekundenbruchteils in Form von Gravitationswellen freigesetzt wurden.

Die detektierten Gravitationswellen entstanden quasi während des letzten Sekundenbruchteils der frisch fusionierten beiden Schwarzen Löcher. Just in diesem kurzen Zeitraum registrierten die beiden nahezu identischen LIGO-Detektoren [10] in Livingston (Louisiana) und Hanford (Washington) ein identisches Wellenmuster. Sie maßen nicht nur den Energieverlust, sondern auch die tatsächliche Verzerrung der Raumzeit und die Längenänderung auf der Erde.

aLIGO-Detektor in Livingstone/ Louisiana. Bild: Caltech/MIT/LIGO Lab

aLIGO [11] steht für Advanced Laser Interferometer Gravitational Wave Observatory und ist die zweite Detektor-Generation, die seit Ende 2015 in Betrieb ist.

An dem umfangreichen Observationsprogramm nehmen mehr als tausend Wissenschaftler aus 16 Nationen teil, wobei einige entscheidende Bauteile der Detektor-Anlage in Deutschland entwickelt wurden. Vereinfacht gesagt bestehen die beiden 3.000 Kilometer voneinander entfernt operierenden Laser-Interferometer-Detektoren jeweils aus zwei vier Kilometer langen Vakuumröhren, deren exakt vorgegebene Länge permanent mit einem Laserstrahl gemessen wird.

Läuft eine Gravitationswelle durch einen Arm der Anlage entlang, entstehen extrem winzige relative, aber messbare Längenänderungen der Röhre. Hierbei können die aLIGO-Wissenschaftler Längenveränderungen erfassen, die sage und schreibe nur einem Tausendstel des Durchmessers eines Protons entsprechen.

Nobelpreisverdächtige Entdeckung

Dass diese epochale Entdeckung irgendwann in den nächsten Jahren mit dem Nobelpreis für Physik geadelt und dass einer der drei Laureaten Kip Thorne [12] sein wird, ist fast so sicher wie das Amen in der Kirche. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der indirekte Nachweis von Gravitationswellen bereits 1993 in Stockholm ebenfalls eine entsprechende Würdigung [13] erfuhr. Insbesondere aber angesichts der Tatsache, dass dieses wissenschaftliche Husarenstück bereits jetzt schon auf vielen Ebenen nachwirkt und großen neuen Erkenntnisgewinn gebracht hat.

Zwei miteinander verschmelzende Schwarze Löcher in der Vorstellung eines Künstlers. Bild: LIGO, SXS, the Simulating eXtreme Spacetimes (SXS) project

Schließlich gelang es den Astronomen im September des letzten Jahres überhaupt das erste Mal in ihrer Geschichte, die Existenz eines Schwarzen Loches direkt zu beobachten und nachzuweisen und darüber hinaus auch erstmals eine Kollision von zwei Schwarzen Löchern zu beobachten. Bis dahin mussten sich Astronomen, die sich Schwarzen Löchern verschrieben hatten, stets den Vorwurf gefallen lassen, allenfalls den Schatten eines Schwarzen Loches zu studieren, weil derlei Phänomene bekanntlich nur indirekt lokalisiert und observiert werden können.

Auch wenn sich die um ein Schwarzes Loch rotierende Akkretionsscheibe auf unvorstellbar hohe Temperaturen aufheizt und extrem stark im sichtbaren Licht und auf (fast) allen anderen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums strahlt, verraten sich "die Gespenster toter Sterne" (so Martin Rees) in erster Linie nur indirekt via Röntgen- und Infrarotstrahlung.

Via Schwerkraftwellen Schwarze Löcher aufgespürt

Doch seit September 2015 ist gewiss, dass Schwarze Löcher keine Hirngespinste sind. Mehr noch: Was bislang nur blanke Theorie war, wurde erstmals direkt gemessen: das Zusammenschmelzen von zwei Schwarzen Löchern. Zugleich offenbart die Entdeckung, dass Albert Einstein in zweifacher Hinsicht irrte: Gravitationswellen sind eben doch nachweisbar - und Schwarze Löcher im Weltall eine kosmische Realität.

Gravitationswellen sind unsichtbar, akustisch aber mit dem entsprechenden Instrumentarium wahrnehmbar! Bild: NASA

Jedenfalls scheint es nach dieser Entdeckung nur noch eine Zeit- und Kostenfrage zu sein, bis die Detektoren empfindlich genug sind, um von Neutronensternen, Pulsaren und Quasaren informationsreiche Gravitationswellen zu empfangen.

Allein das Studium solcher punktuellen Gravitationsquellen beflügelt das Wissen der Astronomen und schafft eine neue Fachdisziplin innerhalb der Astronomie, wobei es zu dem nicht zu unterschätzenden Synergieeffekt kommt, dass auch die Laser-Technologie infolge der Präzisierung und Verfeinerung der Instrumente einen spürbaren Schub nach vorn [14] erhält.

Bereits von dem nächsten groß angelegten aLIGO-Suchlauf im September dieses Jahres erhoffen sich Astronomen von den Gravitationswellen neue Daten von Schwarzen Löchern, mit denen deren Masse erstmals genau bestimmt werden soll.

Photosphäre und Neutrinos

Aber auch die Urknall-Forscher könnten von dieser neuen Energieform in Zukunft profitieren. Schließlich sind Gravitationswellen laut Theorie praktisch mit Beginn des Universums vor 13,8 Milliarden Jahren entstanden, während die elektromagnetische Strahlung hingegen erst viel später in die Welt trat. Erst 380.000 Jahre nach dem Urknall (engl. Big Bang) beendete das Universum die Tristesse der Dunkelheit und zeigte sich erstmals von seiner strahlenden und lichtreichen Seite. Als sich der Kosmos auf rund 4000 Kelvin abkühlte und sich die darin enthaltende Materie sukzessive verdünnte, gingen Elektronen und Protonen mit einem Mal ihre ewige Symbiose ein - in Gestalt neutraler Wasserstoffatome.

Nach der Formierung der Atome wurde das Gas durchsichtig und die Strahlung konnte sich nahezu frei ausbreiten. Damals emittierte es erstmals Mikrowellen-Hintergrundstrahlung [15], die heute von allen Seiten kommend auf uns permanent niederprasselt.

Visualisierung der Polarisation der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung als Ergebnis der Weltraummission Planck (ESA). Bild: ESA and Planck Collaboration

Da sich die elektromagnetische Strahlung also erst 380.000 Jahre nach dem Big Bang von der Materie entkoppelte, können Astronomen demzufolge heute nicht sehen, was sich vor langer Zeit jenseits dieses Horizonts einst abgespielt hat. Die Fernsicht in den frühen Weltraum ist durch die kosmische Photosphäre versperrt - so als würde man den blauen Himmel durch die Unterseite von Wasserdampfwolken betrachten. Selbst die leistungsstärksten erdgebundenen und orbitalen Teleskope können nicht hinter die Photonenbarriere blicken.

Prinzipiell könnten zwar auch Neutrinos, die eine Sekunde nach dem Urknall bereits das junge Universum durchfluteten, Informationen über das blutjunge Universum liefern. Dennoch ist noch völlig unklar, wie aus Neutrinos überhaupt kosmologisch relevante Daten extrahiert werden könnten. Ebenfalls steht die Frage unbeantwortet im Raum, wie mit den zurzeit zur Verfügung stehenden Neutrinoteleskopen [16] die schwache Wechselwirkung von Neutrinos mit der Materie überhaupt kontinuierlich nachgewiesen werden kann. Denn Neutrinos geben sich selbst in den besten Anlagen der Welt nur selten die Ehre.

Inflationsphase im Visier

Doch der Theorie zufolge könnten Einsteins Wellen Licht in das Dunkle des Universums bringen. Via Gravitationswellen könnte das bisher Unmögliche tatsächlich dereinst im Bereich des Möglichen rücken. Vielleicht könnten Astronomen in (ferner) Zukunft mithilfe dieser Strahlung die Ära der Inflation des Universums näher durchleuchten. Denn bislang liegen ihnen überhaupt keine Daten vor, die zuverlässig darüber Aufschluss geben, was vor 13,8 Milliarden Jahren genau geschah, als sich das All innerhalb eines Zeitraums von 10-35 bis 10-30 Sekunden nach dem Urknall mit Zehn-Billion-Billionenfacher Lichtgeschwindigkeit um den gigantisch unvorstellbaren Faktor 1050 aufblähte.

Noch reicht die Sensibilität der Detektoren bei weitem nicht aus, um mithilfe von Gravitationswellen die Inflationsphase zu durchleuchten. Bild: BICEP/NASA

Was geschah damals, als sich der Raum selbst mit Überlichtgeschwindigkeit vergrößerte, während in ihm selbst das kleinste Partikel Materie der Lichtgeschwindigkeit nicht entfliehen kann, wozu auch Gravitationswellen zählen?

Keine Frage, die Einsteinschen Wellen, die ebenfalls eine Energieform sind, muten mysteriös an und sind in der Tat noch relativ unbekannt, werden aber mit den Jahren durchaus zu einer vertrauten Größe in der Astronomie avancieren. Sie haben schon längst einen neuen, sehr vielversprechenden Zweig in der Astronomie etabliert. Zahlreiche Dissertationen über dieses faszinierende Sujet werden folgen.

Noch steht die Gravitationswellenforschung ganz am Anfang, und die Hoffnung, mithilfe dieser Energieform dem Urknall auf die Schliche zu kommen, ist vorerst nicht mehr als ein schöner Traum. Der Urknall gibt seine Geheimnisse nicht auf einmal preis. Nur scheinbar mit größtem Widerwillen zeigt er sein wahres Gesicht. Selbst wenn die Detektoren einmal empfindlich genug sein sollten, Schwerkraftwellen zu empfangen, die aus der Zeit der Inflation stammen, bleibt das Problem, wie derlei Daten zu deuten und zu interpretieren sind.

Grundlagenforschung braucht eben Zeit, ob diese denn theoretischer oder praktischer Natur ist. Immerhin hat sich 100 Jahre nach Einsteins theoretischer Grundlagenforschung seine geheimnisvolle Phantomstrahlung zu erkennen gegeben. Die aLIGO-Astronomen haben jetzt das Zepter übernommen und werden uns das Universum auf eine kaum vorstellbare Weise näherbringen. Jetzt oder nie darf man den Spruch wagen: Noch nie war Astronomie so spannend wie heute!

Youtube-Video [17]: "The Sound of Two Black Holes Colliding" Youtube-Video [18]: "The hunters - the detection of gravitational waves" (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/Milde Marketing) Video-Simulation [19] von zwei kollidierenden Schwarzen Löcher Paper [20]: "Observation of Gravitational Waves from a Binary Black Hole Merger" (Phys. Rev. Lett. 116, 061102 - Published 11 February 2016)


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https://www.heise.de/-3379559

Links in diesem Artikel:
[1] http://archaeologyinfo.com/homo-rudolfensis/
[2] http://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/bausteine/neutrinos/
[3] http://www.sciencemag.org/news/2016/02/we-did-it-voices-gravitational-wave-press-conference
[4] https://www.dhm.de/lemo/biografie/albert-einstein
[5] http://adsabs.harvard.edu/abs/1918SPAW.......154E
[6] http://www.daviddarling.info/encyclopedia/H/HulseTaylor.html
[7] http://www.sciencemag.org/news/2016/02/here-s-first-person-spot-those-gravitational-waves
[8] http://www.aei.mpg.de/2162/de
[9] http://www.dw.com/de/ich-zitterte-als-ich-die-gravitationswellen-h%C3%B6rte/a-19045298
[10] https://www.ligo.caltech.edu/LA
[11] https://www.advancedligo.mit.edu/
[12] https://www.theguardian.com/science/2016/feb/12/gravitational-waves-who-should-win-the-nobel-prize
[13] http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/physics/laureates/1993/press.html
[14] http://www.deutschlandfunk.de/nachweis-von-gravitationswellen-nobelpreiswuerdige.720.de.html?dram%3Aarticle_id=345341
[15] http://www.mpifr-bonn.mpg.de/412991/bjoern_eric_reitz_b
[16] http://www.desy.de/forschung/anlagen__projekte/icecube/index_ger.html
[17] https://www.youtube.com/watch?v=QyDcTbR-kEA
[18] https://www.youtube.com/watch?v=vRXUpN7a-lU
[19] http://svs.gsfc.nasa.gov/cgi-bin/details.cgi?aid=11086
[20] http://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.116.061102