Der 13. Hurrikan in 2020

Hurrvane Iota am 15. November. Bild: Nasa/Noaa

Die Energie- und Klimawochenschau: Von einer Rekordhurrikansaison im Atlantik, einem Menschenleben gefährdenden Polizeieinsatz und klimaschädlichen Subventionen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In der vergangenen Woche haben wir über den diesjährigen Rekord an benannten Stürmen wie auch an Hurrikans im Atlantik berichtet. Und während Teile Zentralamerikas als Folge des Hurrikans Eta, der sich später zum Tropensturm abschwächte, aber als solcher noch enorme Regenmengen mit sich brachte, noch unter Wasser stehen, könnte in diesem Moment bereits der Hurrikan Iota auf die Küste im Grenzgebiet von Nicaragua und Honduras treffen.

Iota hat am Montagnachmittag (MEZ) die höchste Kategorie 5 erreicht sowie eine maximale Windgeschwindigkeit von 260 km/h. Eine Sturmflut mit 3,5 bis 5,5 Meter hohen Wellen ist zu erwarten. Außerdem wird der Sturm wie sein Vorgänger Eta enorme Regenmengen mit sich bringen.

Iota bricht gleich mehrere Rekorde: Es ist der 13. Hurrikan der diesjährigen Saison und der 30. benannte Sturm im Atlantik. Dabei ist die Hurrikansaison eigentlich schon vorbei. Es ist das erste Mal, dass im November gleich zwei Hurrikans auftreten und Iota ist auch der späteste jemals aufgetretene Hurrikan der Kategorie 5.

Die Prognosen für die schon jetzt verwüsteten Regionen Zentralamerikas sind düster. Beunruhigend sind in erster Linie die erneuten Regenmengen, die der Sturm mit sich bringen wird. Denn noch sind Flüsse zum Teil über die Ufer getreten, Staudämme an der Grenze ihrer Kapazität und Böden so vollgesogen mit Wasser, dass weitere Niederschläge sehr wahrscheinlich zu Erdrutschen führen werden.

In Guatemala wurde bereits in Folge des Sturms Eta ein ganzes Dorf verschüttet. Allein in Honduras sind über zwei Millionen Menschen von den Folgen von Eta betroffen. Mindestens 63 Menschen starben, weitere werden noch vermisst. Mehr als 14.000 Häuser sowie zahlreiche Straßen und Brücken wurden beschädigt oder komplett zerstört. Fast eine Woche nach dem Beginn der Überflutungen waren manche Siedlungen noch immer von der Außenwelt abgeschnitten. Dem nächsten Sturm werden viele Menschen noch schutzloser ausgeliefert sein, weil sie zum Teil ihre Häuser und ihren gesamten Besitz verloren haben.

Wissenschaftler der Universität Graz haben übrigens gerade auf ein Phänomen aufmerksam gemacht, dass bei den derzeitigen Überschwemmungen in Zentralamerika eine Rolle gespielt haben könnte. So gingen bisherige Risikoabschätzungen nicht darauf ein, wie sehr die durch Hurrikans bedingten Sturmfluten und Überschwemmungen durch Starkregen zusammenspielen. "Trifft nämlich eine Sturmflut mit Starkregen zusammen, kann diese den erhöhten Abfluss ins Meer blockieren und so ein Hochwasser auslösen. Und gerade steuert 2020 auf eine Hurrikan-Rekordjahr hin", so die Mitteilung der Universität.

In Kooperation mit Forschern aus Großbritannien und Italien wurden Simulationen von Stürmen und Niederschlägen zusammen mit Simulationen von Sturmfluten analysiert. "Diese Gefahr wird in den nächsten Jahrzehnten in den mittleren und hohen Breiten durch eine Intensivierung der Niederschläge im Klimawandel zunehmen: Besonders betroffen sind auf der Nordhemisphäre die USA, Kanada, Nordeuropa und die Küsten von China, Korea und Japan, sowie auf der Südhemisphäre die Südküste von Südamerika und Neuseeland", so Douglas Maraun von der Universität Graz.

Werfen wir einen weiteren Blick auf die aktuelle Klimaforschung: Derzeit beobachten wir im Nordpolarmeer einen raschen Rückgang des Meereises, bis Mitte des Jahrhunderts könnte der Nordpol eisfrei sein. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) konnten nun anhand von Sediment- und Eisbohrkernen zeigen, dass es bereits während der letzten Kaltzeit plötzliche Erwärmungsphasen gab, in denen ein eisfreies Polarmeer mit einem plötzlichen Klimawandel einherging.

Während der Kaltzeit erwärmte sich das Klima mehrmals abrupt. "Unsere beispiellos umfassende und detaillierte Rekonstruktion des Meereises dokumentiert die Bedeutung eines schnellen Rückzugs des Meereises und der damit verbundenen Rückkopplungsmechanismen für den plötzlichen Klimawandel", sagt der Hauptautor der Studie, Henrik Sadatzki vom AWI.

Den Modellen zufolge muss die weitgehende Eisbedeckung in der Zeit mehrfach stark zurückgegangen sein und eher offenes Wasser vorgeherrscht haben. "Unsere Daten weisen darauf hin, dass ein großräumiger Meereisrückgang innerhalb von 250 Jahren oder weniger zeitgleich mit dem Beginn einer Phase eingetreten sein könnte, in der der Ozean im Nordmeer durchmischt wurde, was zum Einsetzen der abrupten Erwärmung der Atmosphäre führte", sagt Sadatzki. Offenes Meerwasser kann seine Wärme einfacher an die im Vergleich relativ kalte Atmosphäre abgeben und so zu einer abrupten Klimaerwärmung beitragen, so die Wissenschaftler. Mit dem heutigen Meereisrückgang könnte damit also wieder eine abrupte Veränderung einhergehen.

Ambitioniertere Klimaziele, fehlende Umsetzung

Die bereits heute katastrophalen Auswirkungen der globalen Erwärmung und immer neue Erkenntnisse, dass die Klimaerwärmung schneller erfolgt als geglaubt und gefährliche Kipppunkte bereits erreicht sein könnten, zeigen immer wieder die Dringlichkeit schneller Klimaschutzmaßnahmen, zumal die Länder noch immer nicht auf dem richtigen Weg sind, ihre Selbstverpflichtungen auch einzuhalten.

Immerhin könnten die USA unter dem künftigen Präsidenten Joe Biden wieder in das Pariser Klimaabkommen zurückkehren und die EU möchte noch in diesem Jahr ihr Klimaziel auf minus 55 Prozent bis zum Jahr 2030 verschärfen. Die Umweltminister der deutschen Bundesländer setzen sich nun in einer gemeinsamen Initiative dafür ein, das Klimaziel der EU auf eine CO2-Emissionsreduktion um 60 Prozent bis zum Jahr 2030 zu erhöhen. Darauf hatten sie sich bei der Umweltministerkonferenz am 13. November geeinigt. Allerdings müsste sich auch die Bundesregierung im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft für das 60-Prozent-Ziel einsetzen.

Doch Ziele alleine reichen nicht aus, wenn nicht die Weichen für ihre Umsetzung gestellt werden. Ein Dauerbeispiel in Deutschland ist der Verkehrssektor, der seine Emissionsreduktionsziele seit Jahrzehnten verfehlt. Wobei für diesen eben die Verkehrsminister und nicht die Umweltminister zuständig sind. Und die Verkehrsminister weiterhin gerne Autobahnen bauen lassen, auch durch intakte und für den Wasserhaushalt wichtige Wälder wie den Dannenröder Forst.

Dass Hessens schwarz-grüne Landesregierung die Rodung des Waldes mit einem massiven Polizeieinsatz durchsetzt, darüber haben wir mehrfach berichtet. Zuletzt wurde ein Mensch bei einem Polizeieinsatz schwer verletzt, als er von einem Tripod stürzte. Die Polizei Hessen gibt nun zu - nachdem sie dies am Vortag noch abgestritten hatte - , dass der Unfall darauf zurückzuführen ist, dass ein Polizeibeamter das Seil kappte, mit dem der Tripod gesichert war. Es lägen jedoch keine Hinweise auf ein vorsätzliches Handeln des Beamten vor.

Auf Twitter wird am Montag schon wieder von einem lebensgefährdenden Vorgehen der Polizei im Dannenröder Wald berichtet. Augenzeugenberichten zufolge wurde ein Baum gefällt, an dem eine Traverse befestigt war, auf der sich wiederum ein Mensch aufhielt. Die Person war glücklicherweise zusätzlich gesichert, was die Polizeibeamten aber nicht wissen konnten.

Nicht nur, dass im Dannenröder Forst durch einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz Menschenleben gefährdet werden, in der Praxis wird die Möglichkeit zu einer Sofortmaßnahme zum Klimaschutz - der Erhalt eines alten und intakten Waldes - mal wieder nicht ergriffen.

Einsparpotential von 100 Millionen Tonnen CO2

Eine einfache Möglichkeit, schnell mehr Klimaschutz umzusetzen, wäre auch der Abbau klimaschädlicher Subventionen, wie sie in Deutschland weiterhin gang und gäbe sind. Zehn besonders klimaschädliche Subventionen werden in einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) benannt. Der Abbau dieser Subventionen hätte ein CO2-Einsparpotential von 100 Millionen Tonnen pro Jahr, was in etwa den gesamten CO2-Emissionen durch den PKW-Verkehr pro Jahr entspreche, so die Studie.

Ganz vorne rangieren die Energiesteuerbefreiung für Kerosin, Energiesteuerbegünstigungen für die Stromerzeugung und Strompreisausnahmen für die Industrie. Hier würden pro eingespartem Euro die größten Emissionsreduktionen erreicht. Abbau von Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge, Entfernungspauschale und Dieselprivileg könnten im Verkehrssektor eine weitere Reduktionswirkung entfalten, wobei sich das Preissignal hier nicht so deutlich auf die Nachfrage auswirke, ebenso im Agrarbereich beim reduzierten Mehrwertsteuersatz auf tierische Produkte. Weiterhin benannt werden das Dienstwagenprivileg, Energiesteuervergünstigungen für die Industrie und die Steuerbegünstigung für Agrardiesel.

Durch einen Subventionsabbau käme es zunächst zu steuerlichen Mehreinnahmen. Diese könnten "dazu genutzt werden, die Neuverschuldung des Bundes aufgrund der notwendigen Konjunktur- und Investitionsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Krise gegenzufinanzieren und gleichzeitig für Klimaschutzinvestitionen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft eingesetzt werden".

Ein Bereich, der von nationalen Emissionsreduktionszielen nicht abgedeckt wird, ist bislang die internationale Seeschifffahrt. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) berät in dieser Woche über Maßnahmen zur Emissionsreduktion. Bis 2050 soll der Sektor seine Emissionen, verglichen mit 2008, um die Hälfte zurückfahren, so hat es die IMO 2018 als Ziel gesetzt. Die internationale Seeschifffahrt ist für etwa drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

Allerdings berichtet das Portal Climate Home News, dass der Vorschlag, der bei der IMO auf dem Tisch liegt, kaum ausreichen wird, auch nur das selbst gesetzte Ziel zu erreichen. Technische Maßnahmen müssten nicht vor 2030 greifen. Nach Aussage des NABU würden die Emissionen des Sektors bis 2030 sogar um 14 Prozent steigen. Allerdings hat sich das Europäische Parlament im September dafür ausgesprochen, die Seeschifffahrt in das Europäische Emissionshandelssystem einzubeziehen und eine Emissionsreduktion von 40 Prozent bis 2030 in diesem Sektor zu erwirken.