zurück zum Artikel

Der Anstieg der Meere beschleunigt sich

Eine Vorhersage, wo der steigende Meeresspiegel am Cottesloe Beach in Perth, Westaustralien, ankommen wird. Bild: go_greener_oz / CC BY-ND 2.0

Energie und Klima – kompakt: Meteorologen machen sich Sorgen über die Klimakrise. Der Meeresspiegel steigt immer schneller an. Vertreter kleiner Inselstaaten beklagen zugleich die Untätigkeit des reichen Nordens.

Extreme Hitzewellen, Dürren und verheerende Überschwemmungen haben in diesem Jahr Millionen Menschen geschadet und Milliarden an Verlusten verursacht. Die Zeichen des Klimawandels werden dramatischer.

So beschreibt die Weltorganisation für Meteorologie WMO in ihrem diesjährigen Bericht [1] an die derzeit im ägyptischen Scharm El-Scheich tagende UN-Klimakonferenz den "Schnellweg zur Klimahölle", von dem UN-Generalsekretär António Guterres zur Eröffnung sprach [2].

Die WMO, das sollte vielleicht dazu gesagt werden, ist nicht irgendeine NGO oder ein Lobbyverein, sondern der Dachverband der nationalen Wetterdienste, in denen sich seit vielen Jahrzehnten Hunderttausende ausgebildete Wissenschaftler mit der akribischen Wetterbeobachtung und der damit verbundenen Datenaufzeichnung und -analyse beschäftigen.

Menschen also, deren tägliches Brot Wetterstatistiken sind, Menschen, die es gewohnt sind, aus den natürlichen Schwankungen von Temperatur, Niederschlag und anderem Trends herauszufiltern und Wahrscheinlichkeiten gefährlicher Extreme zu beurteilen.

Sorgen macht ihnen unter anderem auch der Meeresspiegel, der in den letzten beiden Jahrtausenden – im globalen Maßstab – annähernd konstant blieb, aber im vergangenen Jahrhundert um rund 20 Zentimeter gestiegen ist. In den letzten Jahrzehnten hat das Tempo seines Anstiegs weiter zugenommen und ist inzwischen doppelt so schnell wie 1993, heißt es in dem Bericht.

Allein seit Januar 2020 ist er um einen Zentimeter gestiegen, was auf eine weitere Beschleunigung des Anstiegs hindeutet. Doch bisher ist das nur ein Hinweis. Zweieinhalb Jahre sind ein zu kurzer Zeitraum für eine gesicherte Aussage. Andererseits kann auch beobachtet werden, dass einige der Faktoren zunehmen, die den Meeresspiegel ansteigen lassen.

Die Alpen erlebten 2022 zum Beispiel einen Rekord-Gletscherverlust. Und auf Grönland fiel erstmalig im September Regen statt Schnee – Regen, der das Abtauen deutlich beschleunigt. Der große Eisschild auf der riesigen Insel ist in diesem Jahr im 26. Jahr in Folge geschrumpft.

Am meisten müssen sich die Menschen an niedrigen, ungeschützten Küsten, wie in Westafrika, Bangladesch, dem Süden Vietnams oder auch auf den vielen niedrigen Inseln vor dem Anstieg der Meere fürchten. Sturmfluten werden gefährlicher, Salzwasser dringt in das küstennahe Grundwasser ein und gefährdet Trinkwasser und Landwirtschaft.

Besonders für Inselnationen könnte die Lage bedrohlich werden, denn ihre Rückzugsmöglichkeiten sind zumeist sehr begrenzt. Entsprechend haben insbesondere diese darauf gedrungen, dass die globale Erwärmung nicht die 1,5-Grad-Celsius-Schwelle überschreiten darf, hinter der sich unter anderem große Eismassen in der Antarktis und auf Grönland destabilisieren könnten.

Es braucht eine globale Kohlenstoffsteuer

Aber die Welt tue zu wenig und verspreche nicht einmal genug, um diese "außerordentlichen Gefahren, denen wir uns gegenüber sehen" aufzuhalten, beklagte zur Eröffnung der Konferenz Gaston Browne, der Premierminister von Antigua und Barbuda, der für die 39 Mitglieder zählende Allianz Kleiner Inselstaaten (AOSIS, Alliance of Small Island States [3]) sprach [4]. In dieser sind auch einige Staaten mit besonders verwundbarer Küste vertreten. Browne:

Der Verlust von Menschen, ihren Lebensgrundlagen, von Land und Kultur ist nicht wiedergutzumachen und der Verantwortliche – der von Menschen gemachte Klimawandel – steht außer Frage. Schon bei der gegenwärtigen Erwärmung um 1,1 Grad Celsius erleben wir Zerstörungen und Verluste, mit denen wir nicht fertig werden. Wir leben an der verwundbarsten Frontlinie des Klimawandels und bezahlen den Preis für Jahrzehnte vollkommen unzureichender Maßnahmen jener, die am meisten für den gefährlichen Zustand unseres Klimas verantwortlich sind.

Die AOSIS fordert wie 110 weitere Länder des Südens, dass beim Sekretariat der Klimakonvention ein Fonds für den Ausgleich von Verlusten und Zerstörungen geschaffen wird, die vom Klimawandel angerichtet wurden. Die Forderung ist schon älter und wurde bisher von den Industriestaaten mit viel Energie bekämpft.

Diese fürchten nämlich, dass ein Präzedenzfall entstehen und das Verursacherprinzip etabliert werden könnte. Das würden natürlich Länder wie Deutschland, das nicht einmal Entschädigung für seine kolonialen Massaker und Morde zahlen oder Griechenland das von den Nazis geraubte Gold zurückgeben will, gerne verhindern.

Browne kritisierte auch, dass nur sehr wenige Länder ihre Selbstverpflichtungen seit letztem Jahr verbessert haben. Dabei sei bereits in Glasgow festgestellt worden, wie dringend dies nötig sei. Ein kürzlich erschienener Bericht der UN-Umweltprogramms UNEP – Telepolis berichtete [5] – habe deutlich gemacht, dass kleine Schritte nicht mehr ausreichen, wenn die globale Erwärmung tatsächlich noch auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden soll.

Vielmehr sei inzwischen eine großangelegte Transformation der globalen Wirtschaft notwendig. Aber dass es auf dieser nun mehr schon 27. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Klimaschutzrahmenkonvention [6] dafür endlich den entscheidenden Startschuss geben wird, dürfte wohl ausgeschlossen sein.

Zu traumhaft sind derzeit die Gewinne, der Öl- und auch Braunkohlekonzerne, zu eng ihre Verbindungen zur Politik, wenn selbst enge Mitarbeiter der grünen Außenministerin auf lukrative Posten bei RWE wechseln [7].

Browne schätzt, dass sich die Gewinne der Energiekonzerne, die im Durchschnitt der letzten Jahrzehnte bei einer Billion jährlich gelegen haben sollen, in diesem Jahr verdoppeln werden. Daher forderte er [8] am Dienstag, dass diese Unternehmen eine globale Kohlenstoffsteuer zahlen, und diese Gelder in den zu schaffenden Fonds eingezahlt werden. Ihre Gewinne würden auf Kosten der menschlichen Zivilisation gemacht: "Während sie profitieren, brennt der Planet", so Browne.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7335933

Links in diesem Artikel:
[1] https://public.wmo.int/en/our-mandate/climate/wmo-statement-state-of-global-climate
[2] https://www.un.org/sg/en/content/sg/speeches/2022-11-07/secretary-generals-remarks-high-level-opening-of-cop27
[3] https://www.aosis.org/about/chair-of-aosis/
[4] https://www.aosis.org/aosis-delivers-opening-statement-at-the-beginning-of-joint-plenary-at-cop27/
[5] https://www.heise.de/tp/features/UN-Generalsekretaer-Wir-steuern-auf-eine-Katastrophe-zu-7323861.html
[6] https://unfccc.int/process-and-meetings/the-convention/history-of-the-convention/convention-documents
[7] https://www.tagesschau.de/inland/baerbock-mitarbeiter-rwe-101.html
[8] https://en.mercopress.com/2022/11/08/aosis-countries-want-oil-companies-to-fund-climate-action-through-taxation