"Der Computer ist ein wunderbares Werkzeug"
Ein Verein will die Demoszene promoten
Computerparties gibt es heute wie Sand am Meer: man trifft sich zum Spielen, zu Linuxinstallationen oder auch nur, um Dateien auszutauschen. Parties der Demoscene spielen eine Sonderrolle: hier wird der Kunst des Codens und dem Programmieren von Kunst gefröhnt. Doch die Scene hat Nachwuchsprobleme. Der Verein Digitale Kultur möchte Abhilfe schaffen.
Gegensätze ziehen sich an: ausgerechnet ein altes preußisches Fort hatten sich die Veranstalter der Evoke ausgesucht, um zu einem Treffen der Demoszene einzuladen. Und die Demoszene kam: Fast 300 Teilnehmer aus ganz Europa und sogar Kanada strömten in den schummrigen Veranstaltungssaal, um ihn in ein Eldorado der Computerkunst zu verwandeln. Sie hatten teilweise eine lange Anreise in Kauf genommen, um drei Tage zu feiern und ihre Kräfte zu messen.
Cracker und Coder
Die Ursprünge der Demoscene liegen lange zurück. Als die Personalcomputer grade die Kinderzimmer eroberten, gab es schon die "Scene". Sie war eng mit den Raubkopierern verzahnt: zu jeder Raubkopie auf Diskette gehörte wie selbstverständlich auch ein Intro, das den Namen der Crackergruppe in angemessener Weise präsentierte. Der Platz war begrenzt - so mussten die Intro-Programmierer mit nur wenigen Kilobyte auskommen, um dem Konsumenten ein möglichst atemberaubendes multimediales Erlebnis zu bescheren. Später gab es die größeren Demos, bei denen sich die Coder nicht ganz so sehr zu beschränken brauchten.
Die Demos waren und sind Kunstwerke: kleine Filme, in Echtzeit berechnet. Sie führen den Betrachter in Fantasiewelten: Mal sieht man Raumschiffe durchs All fliegen, mal sieht man auch einen Flug durch eine bizarre Landschaft. Geometrische Effekte wechseln sich ab mit organischen Formen. Dazu gehört elektronische Musik. Es gilt, die Fähigkeiten des Computers auszureizen - auf immer neue Art. Nichts ist vorberechnet, die Bilder müssen live erzeugt werden. Die Democoder entwickeln dazu immer neue Techniken, die teilweise auch in die Spieleentwicklung übernommen werden. Sie schufen 3D-Effekte, lange bevor es 3D-beschleunigte Grafikkarten gab. So ist zum Beispiel das legendäre Parallax-Scrolling eine Erfindung der Democoder.
Von Skills und Parties
Die Demoscene baute von Anfang an ihre eigene Infrastruktur auf. Lange bevor das Internet Einzug hielt, traf man sich auf Mailboxen, man informierte sich über Diskettenmagazine und nfo-Files, die den Demos beilagen. Und ab und zu traf man sich auf Demoparties. Teilweise kamen mehrere Tausend Scene-Mitglieder zusammen, um sich gegenseitig ihre "Skills" vorzuführen, Erfahrungen auszutauschen und zu feiern.
Heute wurden die Diskettenmagazine längst vom Internet abgelöst: Zentrale Treffpunkte sind scene.org , Pouet und Orangejuice. Die Parties sind nicht mehr ganz so groß - und wenn doch, werden die Scener von LAN-Spielern an den Rand gedrängt. Die Evoke gilt als Familientreffen, die Breakpoint als größte Demoparty in Deutschland zog dieses Jahr 800 Besucher an. Die Scene ist überschaubar. Weltweit gibt es zirka 12.000 Mitglieder, schätzt Ekkehard Brüggemann, der die Breakpoint mitorganisiert.
Wettbewerb als Ansporn
Eine Demoparty ist jedoch nicht nur Spaß an der Freude - Konkurrenzkampf ist angesagt. Auf der Evoke wurde über ein Dutzend verschiedener Wettbewerbe ausgetragen - von der besten Demo mit nur 4 Kilobyte bis zur besten Handzeichnung. Es geht nicht nur um die Ehre: Für die Sieger gab es bei der Evoke Geldprämien von insgesamt 2000 Euro und Sachpreise im Wert über 5000 Euro. Um dies zu ermöglichen, sind die Demoparties auf Sponsoren angewiesen. Nicht leicht für eine Gruppe, die in der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt ist. Den Evoke-Organisatoren ist es dennoch gelungen, eine Reihe von Hardwareherstellern zur Unterstützung zu bewegen. Als Hauptsponsor sprang Intel ein. Der Konzern greift bei Messen schon mal auf Scene-Arbeiten zurück, um die Leistungsfähigkeit seiner Chips zu demonstrieren - ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Geholfen hat auch, dass der im Februar gegründet Verein schon als gemeinnützig anerkannt ist.
In den Arbeiten, die auf der Evoke veröffentlicht wurden, stecken oft Monate Arbeit. So baute die Gruppe smash designs die Innenstadt Frechens im Computer nach und präsentierte nahezu fotorealistische Fahrten durch die Stadt - ein klarer Sieg, der mit einem neuen PC belohnt wurde. Daniel Magyar trampte zwei Tage lang von Bulgarien nach Köln, um "egon + doenci" seiner Gruppe aenima vorzuführen - eine professionell animierte Trickfilmepisode, die er und sein Bruder später an eine Fernsehstation verkaufen wollen. Um auch Newcomern eine Chance zu geben, vergab der Verein auch einen Nachwuchspreis an die Gruppe Cubalid 7, die erst das zweite Mal an der Evoke teilnahm. Obwohl die Mitglieder erst relativ frisch dabei sind, nahmen sie schon an den schwersten Wettbewerben teil, einer Jury war das einen Anerkennungspreis von 100 Euro wert. Die gesammelten Arbeiten stehen auf der Webseite der Evoke zum Download bereit.
Interview mit Tobias Heim vom Verein Digitale Kultur e.V.
Wie lange bist du schon selbst in der Demoszene aktiv?
Heim: Nachdem ich die Demoscene und ihre Produktionen längere Zeit passiv verfolgt habe, bin ich 1989 zum ersten Mal selbst in der Demoscene aktiv geworden, zuerst als Trader, der die Releases verteilte. Anfang der 90er gründete ich mit einem Freund aus dem gleichen Ort eine Demogruppe, die jedoch bald wieder einschlief. 1994 habe ich dann die Gruppe Haujobb gegründet, die bis heute besteht.
Warum wurde der Verein Digitale Kultur gerade heute gegründet?
Heim: Der "Digitale Kultur e.V." hat seinen Ursprung in Köln. Seit einigen Jahren organisieren in oder um Köln engagierte Einzelpersonen die jährliche Demoscene-Veranstaltung "Evoke". Für die Organisation der "Evoke" benötigten wir zunehmend rechtliche Strukturen. Früher mietete der eine den Veranstaltungsraum, der nächste den Beamer und wieder ein anderer besorgte Tische und Stühle. Mit dem Verein haben wir jetzt eine Rechtsperson, die alles in geordnete Bahnen lenkt.
Darüber hinaus wollten wir Öffentlichkeitsarbeit im Namen der Demoscene betreiben. Die Gründung des Vereins bot die Möglichkeit, unserer nicht kommerziellen Arbeit ein Fundament zu geben. Seit der Eintragung des Vereins wurde neben der diesjährigen Evoke als Event für die Demoscene zum Beispiel auch ein Vortrag über die Demoscene und kreativen Umgang mit Code im Sommercamp des Chaos Computer Clubs (vgl. Wenn Hacker Sommerurlaub machen) veranstaltet.
Wie macht man Behörden und Sponsoren klar, was die Demoszene ist und warum man sie fördern sollte?
Heim: Die grundlegenden Ziele und Strukturen der Demoscene sind schnell erklärt. Junge Menschen benutzen in ihrer Freizeit den Computer zur kreativen Arbeit und erstellen im Team Demonstrationen die vom Computer in Echtzeit dargestellt werden können. Oft reicht es dann Produktionen der Demoscene zu zeigen um den Verantwortlichen von dem kreativen Potential der Scener zu überzeugen.
Als die Demoszene entstand, waren Computer noch etwas Besonderes. Mittlerweile sind Computer Mainstream - doch die Demoszene stagniert eher. Wie kommt das?
Heim: Die Entwicklung ist sehr vielschichtig. Als die Demoscene entstand, waren Computer noch sehr langweilig und das Softwareangebot eingeschränkt. Wenn man seinen Computer anschaltete stand auf dem Bildschirm im günstigsten Fall ein "READY.". Heutzutage kann man alleine viel Zeit damit verbringen, die grafische Oberfläche seines Betriebsystems zu erkunden. Zusätzlich sind Computer durch das Internet zur Non-Stop-Entertainment-Maschine mutiert. Meiner Meinung nach war der Anreiz mit seinem Computer etwas Neues zu schaffen in der Vergangenheit höher. Heutzutage wird es dem Gros der Benutzer allzu leicht gemacht die Rolle des reinen Konsumenten einzunehmen. Früher war die Programmiersprache direkt in die Computer integriert, heute muss man sich erst einmal einen Compiler besorgen.
Der Computer ist ein wunderbares Werkzeug. Für den Demoscener ist der Computer das, was ein Meißel für den Bildhauer ist. Dieses Bewusstsein wollen wir fördern.
Die Demoszene hat über Jahre ihre eigene Kommunikationsstruktur jenseits des Mainstream aufgebaut, von Diskettenmagazinen bis zu eigenen Webseiten. Wie versucht DigitaleKultur neue Kreise anzusprechen?
Heim: Wir versuchen vor allem durch öffentliche Veranstaltungen, die sich bewusst auch an den nicht in der Demoscene Involvierten richten, neue Kreise anzusprechen. Natürlich wenden wir uns zuerst an bereits computerinteressierte Gruppen. Die Bandbreite reicht bis zu denen, die ihren Computer nur zum Spielen verwenden. Dabei machen wir uns auch die Kanäle des Mainstreams zu Nutze. So präsentieren Gründungsmitglieder des Vereins die Demoscene deshalb auch in der Fernsehsendung "Giga Games".
Wie waren die Reaktionen?
Heim: An einem Abend haben wir 40 Mails von Leuten bekommen, die wirklich interessiert waren. Viele fragten uns beispielsweise "Mit welchem Programm erstellt man Demos?" Da mussten wir erst einmal aufschlüsseln, woraus Demos eigentlich bestehen, dass man Grafiken zeichnen, Musik komponieren und Effekte programmieren muss.
Früher konnten Democoder die begrenzte Hardwarefähigkeiten bis ins Letzte aus. Heute ist das kaum noch zu schaffen - welchen neuen Herausforderungen stellen sich für die eher kleinen Demogruppen heute?
Heim: Die Hardwareentwicklung schreitet heutzutage viel schneller voran als in der Vergangenheit. Für den Endnutzer ist immer schnellere Hardware verfügbar, die nur noch selten bis zu ihren Grenzen ausgereizt werden kann. Die Demoscene hat sich zum einen künstliche Beschränkungen durch Wettbewerbe auferlegt bei denen die Größe der ausführbaren Datei einer Demo nicht größer als 4KB bzw. 64KB sein darf. Zum anderen bilden Spielekonsolen die sich nicht ohne weiteres programmieren lassen einen weiteren Reiz dar. Aber auch Handies und andere mobile Geräte wie zum Beispiel den Gameboy Advance werden von der Demoscene mit Begeisterung aufgenommen.