Der Copyright-Dollar
Lawrence Lessig will mit einer Gesetzesinitiative Tausende von Werken in den Allgemeinbesitz überführen
Der prominente Jura-Professor und Creative Commons-Gründer hat eine neue Idee zur Abmilderung des Copyright-Missbrauchs: Ein Gesetz soll die Schutzrechte auf jene Werke beschränken, für die es noch aktive Anspruchsberechtigte gibt. Mehr als 12.000 Unterschriften von Unterstützern hat Lessig schon dafür sammeln können.
Tausende von Filmen verrotten derzeit in den USA in privaten und öffentlichen Archiven. In vielen Fällen sind die Inhaber des Copyrights unbekannt. Möglicherweise wurde es verkauft, vererbt, im Rahmen eines Konkurses versteigert. Doch ohne eine Genehmigung der Copyright-Inhaber kann ein Film nicht auf DVDs verwertet, in den Verleih gegeben oder zum Download angeboten werden. Und ohne solche Formen der Verwertung ist niemand bereit, Geld in die Restaurierung der Aufnahmen zu stecken. All das wäre kein Problem, wenn die Filme in absehbarer Zeit ihren Copyright-Schutz verlieren würden.
Doch die geltenden Schutzfristen belassen ein Werk in den USA wie auch in Deutschland bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Autors beim Copyright-Inhaber. Auftragsarbeiten sind insgesamt 95 Jahre geschützt. Ein Film aus dem Jahr 1930 kann damit möglicherweise erst im Jahr 2026 restauriert werden. Das damals verwendete Filmmaterial dürfte bis dahin jedoch längst zerfallen sein. So sind 80 Prozent aller in den zwanziger Jahren gedrehten Filme bereits dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen.
Ein erster Schritt
Gemeinsam mit einer ganzen Reihe von Mitstreitern hat Lawrence Lessig nun einen moderaten Lösungsvorschlag präsentiert: Ein Gesetz soll Copyright-Inhaber dazu verpflichten, nach 50 Jahren pro Jahr einen symbolischen US-Dollar zu bezahlen, wenn sie ihr Werk weiterhin geschützt haben wollen. Wird der Dollar über mehrere Jahre nicht gezahlt, geht das Werk in den Allgemeinbesitz über.
Anfang Juni startete die offizielle Kampagne für das Public Domain Enhancement Act genannte Gesetz mit einer Unterschriftensammlung. In nicht mehr als einer Woche konnte die Initiative bereits mehr als 12.000 Unterschriften verzeichnen. Auf Nachfrage von Telepolis erklärte Lessig ausdrücklich, auch Unterzeichner aus Europa seien als Unterstützer willkommen.
Prominente Rückendeckung gibt es zudem von einer Reihe von Archivaren, Filmemachern, Wissenschaftlern und Schauspielern. In einem gemeinsamen Offenen Brief an die Mitglieder des US-Kongresses fordern sie vor wenigen Tagen, die Copyright-Gesetzgebung der USA um Lessigs Vorstoß zu erweitern. Der Jura-Professor James Boyle dazu: "Wir müssen das System ändern, damit wir nicht 98 Prozent unserer Kulturgeschichte wegschließen, um zwei Prozent zu schützen."
Kritik erntete Lessig für seinen Gesetzesvorschlag unter anderem von der Slashdot-Leserschaft. Vielen ging das Vorhaben dort nicht zu weit. Lessig dazu:
Wir brauchen dies als ersten Schritt. Wir sind, wo wir sind, da die meisten Menschen nicht an Allgemeinbesitz glauben. Die meisten Leute verstehen es nicht einmal. Wenn ganz gewöhnlicher Menschen die Kreativität sehen könnten, die entstehen würde, wenn die sechziger Jahre Teil des Allgemeinbesitzes wären, dann würden sie wieder Sinn darin sehen, das Copyright zu limitieren.