Der Deutsche und das Biest
Interview mit Shrek-Animateur Stefan Osterburg
Es war einmal... Basierend auf einem Kinderbuch von William Steig inszenierten die Regisseure Andrew Adamson und Vicky Jenson eine bitterböse Märchenwelt, in der ein großes grünes Monster namens Shrek die große Liebe und dazu noch einen Esel findet. Abseits seiner Teilnahme an den Filmfestspielen von Cannes, seinen mehr als 240 Millionen Dollar an der US-Kinokasse oder der uralten Diskussion über realistische Schauspielerdarstellung beweist "Shrek", dass kunterbunte Fabelwesen nicht nur als Kinderunterhaltung eingestuft werden müssen und wie entscheidend ein gutes Drehbuch auch einen guten Film ausmacht. Gleichzeitig ist "Shrek" zusammen mit "Monsters Inc" (Filmstart November 2001) vom Konkurrenzstudio Disney/Pixar ein neuer Meilenstein im Bereich der Computeranimation. Hinter den Kulissen der gerade mal zwanzig Jahre alten Firma Pacific Data Images (PDI) arbeitete als einziger Deutscher der gebürtige Münchner Stefan Osterburg (37) an Einzelszenen dieses Animationswerkes.
Wie hat für Sie die Arbeit an animierten Bildern begonnen?
Stefan Osterburg: Ich habe in einem Architekturbüro eine Ausbildung als Bauzeichner gemacht und hatte schon zu der Zeit Freunde, die sich intensiv mit Film auseinandergesetzt haben. Gleichzeitig habe ich angefangen, mich fachlich mehr mit dem Computer zu beschäftigen und Filme wie "Tron" oder "Star Wars" haben gezeigt, was in Hollywood möglich war.
Bei wem haben Sie sich beworben?
Stefan Osterburg: Wenn man sich hier in Amerika bei einer Company bewirbt, ist es sehr hilfreich, sich genau mit den Firmen zu beschäftigen und ihre Historie zu begreifen. Für mich war PDI nicht nur wegen ihrer bisherigen Arbeit herausstechend, sondern auch das Teamwork hat mit überzeugt. Neben einem Lebenslauf reicht man ein fünfminütiges Demo-Reel ein, auf dem eine Auswahl deiner bisherigen Arbeit zu sehen ist. Ich habe allerdings keinen direkten Studiumsabschluss, was mir die Arbeit und die Einreise in die USA wesentlich erleichtert hätte.
Wo liegen die Hauptunterschiede im Ausbildungssektrum?
Stefan Osterburg: Wenn man sich, aus Deutschland kommend, hier in den USA bewirbt, wird man oft als Generalist kategorisiert. Das heißt, man beherrscht das große Spektrum der Computeranimation. Wie modelliere und animiere ich ein Objekt, wie mache ich von einer 3D-Szene ein Bild, wie setzte ich Lichter und Schatten. Diese gründliche Ausbildung wird hier jedoch ganz anders aufgenommen. Hier fragt man, was man von all diesen erlernten Dingen am besten kann. Auch ich musste lernen, mich da noch mehr auf ein Gebiert zu konzentrieren. Generell hat sich die Ausbildung in den letzten vier bis acht Jahren sehr verändert. Es gibt mittlerweile wesentlich mehr Schulen wie die in Vancouver, das ArtCenter in Los Angeles oder die Academy in San Francisco. Vorher musste man sich noch über Filmschulen dem Thema nähern. Firmen wie ILM oder PDI bieten außerdem so genannte Sommersemester an, wo man drei Monate bei diesen Firmen lernen kann. Pixar bietet aber auch Acting-Kurse für Animateure an, so dass man auf diesem Gebiet viel mehr dazulernt.
Welche Figuren wurden von Ihnen in "Shrek" bearbeitet?
Stefan Osterburg: Ich habe an den "Secondary Characters" und dort vor allen Dingen an Vögeln gearbeitet. Die sind dann im Hintergrund zu sehen und in einer Hauptszene, wo Fiona zusammen mit einem Vogel ein Lied singt. Mein Tagesablauf beginnt mit der Vorlage des Designs vom Vogel. Dann setzt sich ein Team von Animateuren mit dem Animation Supervisor zusammen und diskutiert, was der Vogel alles machen muss. Da bei PDI fast alle Softwareprogramme zur Animation selbst geschrieben sind, ist es für mich zuerst sehr wichtig, genau zu klären, welche Codes und Hilfsprogramme neu geschrieben werden müssen. Wir müssen also zuerst die Werkzeuge bauen, damit das überhaupt erst animiert werden kann, was man später auf der Leinwand sieht. Bei dem Vogel habe ich mit anderen Animateuren deren Wünsche erörtert und mit dem Storyboard zu der Szene mich dann an die Arbeit gemacht. Es sollten Federn zu sehen sein, die sich aufstellen, der Vogel sollte sich aufpumpen und überhaupt sollte der Vogel alles das können, was sonst ein Vogel in der Realität auch machen kann.
Robert de Niro fährt wochenlang Taxi oder tritt in Boxkämpfen an. Wie haben Sie alles über Vögel herausgefunden?
Stefan Osterburg:: Ich bin zuerst einmal in einen Supermarkt gegangen und habe mir ein Gefrierhähnchen gekauft. Dann habe ich mir daran genau angeschaut, wie so ein Flügel sich bewegt und wo genau die Knochen liegen. An einem Mövenmodell habe ich mir genau angesehen, wie die Federn aussehen und über den Körper verteilt sind.
Im Prinzip muss aber für jeden Animationsfilm eine ganze Welt neu erschaffen werden?
Stefan Osterburg: Das ist ja gerade die Herausforderung daran und dabei hat man immer den Ehrgeiz, es möglichst genau und interessant zu machen. Filme wie "Toy Story" haben natürlich dazu beigetragen, dass diese animierten Welten auch akzeptiert und gleichzeitig geschätzt werden. Eben weil man eine ganz neue Welt erschafft.
Frustriert Sie selbst Kritik, die den ganzen Film betrifft, obwohl dSie nur einige Einzelszenen gemacht haben?
Stefan Osterburg: Jeder Film bekommt Kritik und auch jeder Schauspieler bekommt seine eigenen Kritiken. Wenn Ben Affleck in "Pearl Harbour" für eine bestimmte Szene kritisiert wird, ist das eine Kritik am Charakter und seinem Darsteller. Bei "Shrek" ist das eigentlich nicht anders und selbst wenn ich nur für einige ganz kleine Szenen verantwortlich war, bin ich trotzdem sehr stolz, an diesem Film mitgewirkt zu haben. Natürlich nehme ich Kritik sehr ernst und versuche es beim nächsten mal besser zu machen.
Fällt es Ihnen leicht, ihre Arbeiten selbst zu beurteilen?
Stefan Osterburg: Wenn ich mir meine Arbeit von vor fünf Jahren oder sogar mein Demo-Reel anschaue, könnte ich schon sagen, das ich das heute besser kann. Das hat aber auch immer mit Wissen oder der eigenen Deadline zu tun. Dazu kommt noch die Akzeptanz des Regisseurs, die man sich selbst auferlegt und die bedeutet, dass man sich mit einem bestimmten Grad zufrieden gibt. Bei dem Vogel gab es auch die Deadline, an die ich einfach gebunden war.
Wie schaffen Sie es, die Deadline mit Ihrer eigenen Arbeit abzugleichen?
Stefan Osterburg: Eigentlich sind das Erfahrungswerte und darauf ist man bei der Arbeit sehr angewiesen. Es fängt damit an, dass man genau überlegt, was zum Beispiel beim Vogel zu sehen sollte. Dann fragt man sich, schaffe ich das in 8 Wochen und wie teile ich meine Arbeit auf? Bei den Federn habe ich ein eigenes Feather-System geschrieben, was natürlich Zeit gekostet hat. Und dann musste ich überlegen, wie detailgetreu die Federn wirklich sein mussten. Ich habe mich dann mit Kollegen beraten und das war auch ein wichtiger Teil, denn man kann nicht alles wissen und sollte da auch immer den Rat von anderen anhören und annehmen.
Welchen Stellenwert hat Teamwork bei der Arbeit eines Animateurs?
Stefan Osterburg: Kommunikation ist das Ausschlag gebende bei solch einem Film. Nach dem Animator gibt es den Animation Supervisor, den Animation Director und dann den Regisseur. Wenn diese Schaufel rückwärts gerichtet richtig funktioniert, ist das der Idealfall. Da bei einem Film wie "Shrek" fast jeder Animateur ganz verschiedene Szenen oder Einzelteile animiert, ist der Wissensstand um die Produktion von knapp 300 verschiedenen Animateuren recht entscheidend.
Der Film wird fast überall wegen seiner Details gelobt. Welche Fortschritte hat aus Ihrer Sicht die Computeranimation gemacht?
A Als ich mit Animationen am Computer angefangen habe, waren die Rechner noch so groß wie ein Kleiderschrank und höllisch langsam. Jetzt habe ich Dutzende solcher Rechner auf der selben Fläche, aber die Renderzeit ist immer noch genau so schnell. Vergrößert hat sich eigentlich nur die Detailfülle, die mittlerweile möglich ist. Früher war es fast unmöglich, einen Baum überhaupt darzustellen und heute ist das überhaupt kein Problem mehr. Im Maya-Programm kann man mit einem Paintbrush eine ganze Wiese von Blumen herzaubern. Abseits von Rechnerleistung ist generell bei den Animateuren auch das Wissen um Naturabläufe und deren Umsetzung in Mathematik gestiegen. Bei der Kleidung von Fiona, dem Matschbad von Shrek oder den Flammen des Drachens ist ja nicht nur der optische Effekt wichtig. Dahinter verbergen sich komplizierte Abläufe, die nicht mit einem Knopfdruck zu erledigen sind. Bis zu 10 Leute hocken da zusammen und grübeln über Problemlösungen wie z.B. das Feuer, das auch glaubwürdig in die Umgebung des Films passen muss.
Im Film wird sehr oft der Bezug zu bekannten Märchen gesucht. Sind das typische amerikanische Märchen oder kennt man die auch in Deutschland?
Stefan Osterburg: Ehrlich gesagt, habe ich mich beim Durchlesen der Story selber oft gefragt, aus welcher Story bestimmte Figuren überhaupt sind. Der Gingerbread-Man ist typisch amerikanisch und da versteht man als Englisch sprechender Deutscher oft nicht, warum andere lachen müssen.
Sie haben vorher in der Abteilung für Werbefilme gearbeitet. Gibt es eine Werbung, an der Sie gearbeitet haben und die auch in Deutschland läuft?
Stefan Osterburg: Ich weiß nicht, ob diese Werbung auch in Deutschland läuft, aber da habe ich am Spot von Monster.com gearbeitet, wo am Schluss ein dreidimensionales Monster dahergelaufen kommt. Eine andere Werbung mit meiner Arbeit läuft aber auch nur in Lateinamerika.
Was vermissen Sie an Deutschland am meisten?
Stefan Osterburg: Was ich immer vermisst habe, war und ist der Biergarten, ein Weißbier und eine Schweinshaxen. Aber das ist wohl so, wenn man in München geboren ist!