Der Entzauberer des Liberalismus

Seite 3: Auf der Seite der Massenbewegung

Domenico Losurdo verstand sich Zeit seines Lebens als Kommunist, wobei der italienische Kommunismus - anders als in der Bundesrepublik Deutschland - über Jahrzehnte eine Massenbewegung war. Es bekannten sich Millionen zur KPI, die Partei regierte in zahlreichen Städten und Regionen, man sprach vom "kommunistischen Volk".

Er hat mehrfach die Partei gewechselt, zunächst war er Mitglied der KPI, dann der PCd’I. 1991 schloss er sich der aus dem Zerfallsprozess der KPI hervorgegangenen Partito della Rifondazione Comunista (PRC), der Partei der Kommunistischen Wiedergründung, an.

Er erhoffte sich von dieser eine Renaissance des italienischen Kommunismus. Die Partei bot ihm sogar einen sicheren Platz auf ihrer Liste zu den Wahlen zur Abgeordnetenkammer, dem italienischen Parlament, an.

Nach einigem Zögern lehnte er jedoch ab, er blieb lieber Wissenschaftler und Publizist, eine Entscheidung, die er nicht bereuen sollte. Mit der Wende der PRC hin zu einer "Bewegung der Bewegungen" unter ihrem Vorsitzenden Fausto Bertinotti, nach der sich kommunistische Parteien nur noch als Organisator von Bewegungen verstehen sollen und daher ihren eigenständigen Charakter als Partei aufzugeben haben, war Losurdo ganz und gar nicht einverstanden. Zusammen mit einer starken innerparteilichen Opposition gegen diesen Kurs, die sich später als Partito dei Comunisti Italiani, PdCI, Partei der Italienischen Kommunisten, außerhalb der PRC konstituierte, verließ er die Partei.

Als die PdCI 2016 den traditionellen Namen der untergegangenen Kommunistischen Partei Italiens und deren Symbolik übernahm sowie sich zu deren historischen Parteiführern Antonio Gramsci, Palmiro Togliatti und Enrico Berlinguer bekannte, trat er dieser Partei bei.

Doch weder die wiedergegründete PCI, noch die weiter existierende PRC waren bei Wahlen erfolgreich. Im März 2018 verfehlte das Bündnis beider Parteien den Einzug in die Abgeordnetenkammer und im Juni 2019 in das Europäische Parlament. Auch auf kommunaler Ebene sind die beiden kommunistischen Parteien heute nur noch schwach vertreten.

Losurdo hatte in seinen letzten Lebensjahren keine Illusionen mehr über die Möglichkeit eines raschen Wiederaufstiegs der sozialistischen Bewegung – weder in Italien noch im übrigen Westeuropa. Er richtete seinen Blick vielmehr auf hoffnungsvolle Entwicklungen in Südamerika und vor allem in China. Von den von dort ausgehenden Impulsen erwartete er eine weltweite Wiederbelebung sozialistischer Ideen.

Seit 1988 war Domenico Losurdo Präsident der "Internationalen Gesellschaft Hegel-Marx für dialektisches Denken" und Mitglied des Wissenschaftlichen Ausschusses des italienischen Instituts für Philosophische Studien. Und er war Präsident der "Marx-Vereinigung des 21. Jahrhunderts" in Italien.

Am 28. Juni 2018 starb der weltweit bedeutende marxistische Historiker und Philosoph. 6