Der Irak vor einem neuen militärischen Konflikt?

Regierungschef al-Maliki beansprucht weiter das Amt und hat schon mal starke Militärverbände in Bagdad aufmarschieren lassen

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Auch wenn der Staat weiter zerfällt, hängt der schiitische Regierungschef al-Maliki an seinem Posten unerschütterlich fest, den er zum dritten Mal in Folge ausüben will. Gestern Abend machte er in einer Fernsehansprache noch einmal deutlich, dass er Regierungschef bleiben will. Er bezeichnete einige Abgeordnete als Terroristen und erklärte, eine Klage gegen den kurdischen Präsidenten Fuad Massum eingereicht zu haben, der die Verfassung verletzt habe, da er nicht schon längst ihn und seine "Koalition des Rechtsstaats" mit der Regierungsbildung beauftragt habe. Schon zuvor ließ Maliki Sondereinheiten und starke Militärverbände in Bagdad aufmarschieren, um jede Revolte zu unterdrücken.

Al-Maliki bei seiner Fernsehansprache

Mit seiner Regierung, die einseitig die Macht der Schiiten ausgebaut hat, war er mit verantwortlich dafür, dass der Islamische Staat bei der sunnitischen Minorität Unterstützung gegen al-Maliki fand. Daher übte vor allem die US-Regierung, die lange Zeit die Zügel hatte schleifen lassen, erheblichen Druck aus, dass al-Maliki entweder eine Regierung der nationalen Einheit bilden oder zurücktreten soll. Mit Maliki, so viel ist klar, wird sich die Situation im Irak mit oder ohne Islamischer Staat weiter verschlechtern. US-Außenminister Kerry war auf einer Pressekonferenz sehr deutlich, dass die US-Regierung voll und ganz hinter dem kurdischen Präsidenten steht und dass es mehrere mögliche Kandidaten bei den schiitischen Abgeordneten gibt, die für das Amt geeignet wären, darunter sei aber nicht Maliki.

Das Oberste Gericht wies die Klage von Maliki zurück. Inzwischen hat die schiitische "Irakische Nationalallianz" aus dem Obersten Islamischen Rat und den Sadristen ihren Kandidaten für das Amt des Regierungschefs beim Präsidenten offiziell benannt. Nominiert hat sie den Schiiten Haider al-Ebadi, den ersten Sprecher des Parlaments. Er ist Mitglied der Dawa-Partei, also der Koalition des Rechtsstaats, und wurde schon mehrmals als möglicher Kandidat für das Amt des Regierungschefs gehandelt, der nach einer Übereinkunft ein Schiit sein soll, während ein Kurde Präsident und ein Sunnit Parlamentssprecher werden muss.

Das ist ein geschickter Schachzug, denn auch in seiner eigenen Partei mehrt sich der Widerstand gegen Maliki und Zustimmung könnte am ehesten ein Politiker aus den eigenen Reihen finden. Vermutlich hatten sich die Irakische Nationalallianz und die Koalition des Rechtsstaats auch auf al-Ebadi geeinigt. Doch Maliki scheint gewillt zu sein, seine Macht womöglich auch mit militärischer Gewalt zu verteidigen. Kerry hat bereits gewarnt, dass es bei der Regierungsbildung keine Gewalt geben dürfe, es dürften keine Truppen und Milizen eingesetzt werden. Letztere hatte Maliki zum Kampf gegen den Islamischen Staat mobilisiert. Aber Washington sind die Hände gebunden. Schon jetzt geht man verstärkt den Weg, die Kurdengebiete mit direkten Waffenlieferungen und Luftangriffen auf Kämpfer des Islamischen Staats zu sichern, was aber auch riskiert, die Ablösung des Kurdengebiets aus dem Irak zu beschleunigen.

General Halgurd Hikmet, Sprecher der kurdischen Peschmerga-Verbände, warnte vor einem Staatsstreich. Maliki sollte wissen, dass zwei kurdische Verbände das Verteidigungsministerium und den Präsidentenpalast sichern. Zudem gibt es die Milizen des schiitischen Geistlichen Muktada as-Sadr, der sich gegen Maliki gestellt hat. Sollte ein Konflikt zwischen den schiitischen Fraktionen ausbrechen, würde dies den Widerstand gegen den Islamischen Staat noch mhr schwächen. Ohne militärische Hilfe seitens der USA wird Bagdad auch nicht imstande sein, den Islamischen Staat zurückzudrängen.