"Der Konsument kauft immer das, was billiger ist"
- "Der Konsument kauft immer das, was billiger ist"
- Bauernschwund in Österreich seit den 1960er-Jahren
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Der Journalist Florian Klenk über Unverständnis und Dialog zwischen Stadt und Land, die moderne Landwirtschaft sowie gefährliche Kühe
Erst beschimpften sie sich im Internet, dann lernten sie sich persönlich kennen: Wutbauer Christian Bachler und Falter-Chefredakteur Florian Klenk haben schnell gemerkt, dass Stadt und Land nicht zwingend entgegengesetzte Welten sind. Und dass diese Frontenbildung von den Problemen ablenkt, die beide betreffen: den, der die Lebensmittel erzeugt, und den, der sie im Supermarkt kauft.
Entstanden ist daraus ein Buch mit dem Titel Bauer und Bobo. Wie aus Wut Freundschaft wurde. Telepolis sprach mit dem Autor Florian Klenk über die Not der Landwirte, die Verwandlung von Bauernhöfen in Tierfabriken und realistische Auswege in die Nachhaltigkeit.
Gehen Sie gerne auf Almen wandern, Herr Klenk?
Florian Klenk: Wenn ich Zeit habe, ja. Was ist schöner als Wandern auf einer Hochalm?
Und fühlen Sie sich da sicher?
Florian Klenk: Nein. (lacht) Ich muss gestehen, ich habe Kühe immer als friedliche und harmlose Tiere wahrgenommen. Aber die Lektüre des Kuh-Urteils über das Angriffsverhalten von Kühen hat mich doch überrascht. Ich wusste nicht, dass Kühe auf die Anwesenheit von Hunden derart aggressiv reagieren können und dass man den Hund sofort loslassen muss, um sich selbst zu schützen.
Zur Erinnerung: Mit dem sogenannten Kuh-Urteil wurde 2019 ein Bauer in Nordtirol zu Schadensersatz verurteilt, nachdem seine Kuh eine deutsche Wanderin aufgespießt und zu Tode getrampelt hatte. Sie haben das umstrittene Urteil öffentlich verteidigt, womit Sie einen großen Teil der österreichischen Öffentlichkeit gegen sich aufgebracht haben. Woher kam der Shitstorm?
Florian Klenk: Die Bauernlobby hat dieses Urteil sehr verzerrt dargestellt: als wäre der Bauer strafrechtlich verurteilt worden, als hätte er seine Existenz verloren und als wäre fortan jeder Bauer für jede Kuh, die auf seiner Weide steht, haftbar.
Das sagt das Urteil aber nicht. Es sagt: Die Kuh hat auf einem öffentlichen Weg geweidet, der zudem zu einem Ausflugsgasthaus geführt hat. Dieselbe Kuh war nach mehrfachen Angriffen auf Wanderer für ihr aggressives Verhalten schon bekannt.
Und weil der Bauer darüber informiert war und es für ihn sehr leicht gewesen wäre, die Kuh durch einen Elektrozaun einzuhegen oder ihr zumindest eine Glocke umzuhängen, trägt er eine Teilschuld und wurde zivilrechtlich zu Schadensersatz für die Hinterbliebenen verurteilt. Gezahlt hat seine Versicherung.
In den Shitstorm eingeschaltet hat sich damals auch der Bergbauer Christian Bachler. In einem Facebook-Video, das rund 250.000-mal angeklickt wurde, nennt er Florian Klenk einen ahnungslosen Bobo, also einen städtischen Ökospießer, und lädt ihn ein, auf seinem Hof ein "Praktikum" zu machen, um sich ein richtiges Bild vom Leben der Bergbauern zu machen. Florian Klenk nimmt das Angebot an, und so kommen der Bauer und der Bobo ins Gespräch.
Im analogen Miteinander merken die verbalen Haudegen bald, dass sie so unterschiedlich gar nicht sind. Der eine versucht eine nachhaltige Landwirtschaft umzusetzen, die auf Qualität statt auf Masse setzt, mit Respekt vor den Tieren und der Umwelt. Der andere macht dasselbe im Journalismus als Chefredakteur eines Mediums, das der Flut von Eilmeldungen und Nachrichten sauber recherchierte Reportagen und Hintergründe entgegensetzt.
Nur noch 800 Euro zum Leben
Die Geschichte, wie aus einem Streit Freundschaft wird, wäre an sich schon anrührend und erzählenswert gewesen. Dann haben Sie aber erfahren, dass Christian Bachlers Hof kurz vor der Pfändung stand.
Florian Klenk: Darauf hat mich ein Nachbar von Bachler aufmerksam gemacht. Bachler selbst hat darüber kein Wort verloren. Ein Blick auf eine Seite des österreichischen Justizministeriums hat dann gezeigt: Der Nachbar hat recht, sogar der Termin der Versteigerung steht schon fest.
Der Bergbauer Christian Bachler, dem damals nach allen Abzügen gerade einmal 800 Euro zum Leben übrig blieben, konnte seine Schulden in Höhe von über 400.000 Euro nicht mehr bedienen. Wie haben Sie reagiert?
Florian Klenk: Ich habe ihn kontaktiert und gefragt, was da los ist. Er hat am Anfang die ganze Sache heruntergespielt und gemeint, er bekomme das schon hin. Als studierter Jurist habe ich versucht, ihm die Tragweite der Exekution klarzumachen. Er hat das dann auch anerkannt und wir haben uns überlegt, was wir da tun können.
Dass die Bank – in diesem Fall die Raiffeisen – jemandes Gut versteigert, der seine Schulden nicht bedienen kann, ist an sich nichts Besonderes. Hat der Bauer Christian Bachler sich nicht einfach übernommen?
Florian Klenk: Er hat sich übernommen, ganz klar. Aber warum? Er hat auf ein System von Förderungen und Einnahmen vertraut, das sich letztlich nicht bewahrheitet hat. Er war der Meinung, dass bestimmte EU-Förderungen weiterhin fließen würden, dass der Milchpreis stabil bleiben würde, dass es auf dem Hof Arbeitskraft aus der Familie herausgeben würde.
Das alles ist ausgeblieben. Die Förderungen wurden gestrichen oder reduziert, der Milchpreis ist eingebrochen und Christian Bachler ist nach wie vor alleinstehend. Die Überforderung hat schließlich zu einem Burnout geführt, wodurch Bachler nicht mehr arbeitsfähig war. Das ist ein Schicksal, das er sich mit vielen Bauern teilt.
Christian Bachler ist kein Einzelfall?
Florian Klenk: Das, was Bachler erlebt hat, wirft eine Systemfrage auf. Bauern sind heute letztendlich Unternehmer mit prekären Einkommen, die mit Weltmarktpreisen auf Dumping-Niveau mithalten müssen – aber mit viel Kapital im Sinne von Grund und Boden. Sie sind mit Banken konfrontiert, die ihnen für Modernisierung und Ausbau des Betriebes gewaltige Kredite zur Verfügung stellen, weil diese Kredite eben durch Grund und Boden abgesichert sind.
Das Risiko trägt also der Bauer ganz allein.
Florian Klenk: Genau. Die Bank gewinnt bei diesem Spiel fast immer. Im Fall von Bachler waren rund 100.000 Euro von insgesamt 400.000 fällig. Um diesen Betrag einzutreiben, hätte ein Hof im Wert von 1,2 Millionen Euro versteigert werden sollen.
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