Der Kultur-Adabei
Knalltüten des Fernsehens zum Platzen gebracht: Erster Kandidat ist Gert Scobel
Gert Scobel, Moderator von "Kulturzeit" auf 3Sat, "Morgenmagazin" in der ARD und "TV fürs Leben" im ZDF, ist ein ganz Schlauer. Wie er sich sonnt in seiner eigenen Smartheit, wie seine Augen glänzen über jede gelungene Wendung, pardon Volte, die sich um seine Moderationsgegenstände ranken. Gehirnforschung? Kant? Finnischer Punkrock? Kein Problem, Scobel weiß Bescheid, kann zu jedem Thema noch ein schlaues Quentchen aus seiner Gehirntube quetschen, noch einen Schlag Neunmalklugheit draufklatschen.
Wenn man sich den Jesuitenzögling und ehemaligen Berkeley-Studenten anschaut, dann kann man sich vorstellen, wie er schon als Schüler aufgeregt "Hier! Hier" gerufen und mit den Fingern geschnippt hat, weil er ja schon mit zwölf die psychoanalytischen Interpretationen von Kafka gelesen hat. Das muss er natürlich sofort loswerden.
Bei Scobel wird alles wie in Wachs gegossen. Es geht nicht um das Werk und den Genuss daran, sondern um die ausgefeilteste, mit allen Derridas gewaschene Erklärung und die arabeskeste Anmoderation. Die Berufskrankheit von Kulturjournalisten, für nichts mehr Eintritt zu bezahlen zu müssen, jeden Tag Bücherstapel zugeschickt zu bekommen, sich am Feuilleton von SZ und FAZ orientieren zu müssen, machen für einen wie ihn aus Kunst, Literatur und Theater und dem ganzen Kladderadatsch eine Art Daumenkino, das einem durch die Finger rattert.
Man merkt es ihm an, Kultur langweilt ihn: Noch ein Schriftsteller, der auf seine, Scobels, raffinierten Fragen nur banales Zeug absondert, noch ein gutgemeinter Independentfilm aus Burkina Faso, über den man berichten muss, sich aber nicht anschauen will, die üblichen Verdächtigen der Gegenwartskultur (Grass, Lars von Trier, Jeff Koons), die man abfeiern muss, egal ob sie etwas Bedeutendes produziert haben, die wohlfeile Provokation, eine verwackelte Kamera oder ein Iggy Pop Video zu zeigen. Dann haben Scobel und die Redaktion von Kulturzeit ein bisserl Magenweh, wollen aus dem Kästchendenken und dem Vernissagen-Ghetto ausbrechen und die Welt vielleicht nicht retten, aber erklären, näher bringen, dann erweitern sie flugs den Kulturbegriff, ist eh alles eins, und machen ein wenig Politik. Nahostkonflikt, Bioethik, Fundamentalismus, da schmeckt man wenigstens noch was vom richtigen Leben - und wenn man ganz fest hinschaut, auch ein wenig echtes Blut.
Gert Scobel hat ein Problem. Er ist einfach zu schlau für diese Welt. Seine Bemerkungen zur Kultur sind cleverer als die Kultur selbst. Bei Interviews, die er selbst gibt, langweilt er sich über die vorhersehbaren Fragen, stellt Gegenfragen und leitet ins Philosophische über. Dort oben ist er eher zuhause. Doch der Stress, alles zu kennen, zu moderieren, zu bevorworten, sein Neid auf Roger Willemsen, die ständige gut gelaunte Musterschülerhaftigkeit sind an dem alerten 44-Jährigen nicht spurlos vorbeigegangen. Seine rechte Oberlippe verkrampft, ein weitverbreitetes Zeichen von innerlich platzendem Ehrgeiz und dem widerstandleistendem Körper. Wie bei einem prall gefüllten Fahrradschlauch, bei dem sich eine Beule im Gummi bildet.