Der Leuchtturm

Knalltüten des Fernsehens zum Platzen gebracht: Fünfter und letzter Kandidat ist Ulrich Wickert

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Ulrich Wickert ist schön. Er trägt wunderbare Hemden, die ohne Knöpfe am Kragen. Denn Button-down ist was für Auslandskorrespondenten oder Moderatoren mit bunten Jacketts. Er ist ein Riese. Auf Partys der Frankfurter Buchmesse tummeln sich die anderen Gäste einen halben Meter unter ihm, als würden sie ihn anbeten. Jeden Interviewgast bei den Tagesthemen begrüßt er formvollendet mit "Guten Abend" und lässt eine kleine, manchmal sich schmerzhaft dehnende Pause, bis der andere endlich kapiert und ebenfalls "Guten Abend, Herr Wickert" sagt. Ja, Ulrich Wickert hat Stil.

Vor den Tagesthemen war Ulrich Wickert Studioleiter in Paris. Seitdem umweht ihn der Duft von Rotwein und Savoir-vivre. Er ist Bonvivant, Gourmet und sieht verdammt gut aus. Dieses Verschmitzte, wenn er "Und nun das Wetter" sagt. So viel männliche Erotik war nie in der ARD. (Nebenbei, ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie hässlich die Männer beim ZDF sind? Man weiß gar nicht, ob man das traurig finden soll, dass dieses Privileg, trotz schiefer Zähne auf dem Bildschirm gelassen zu werden, nicht auch für Frauen gilt oder für mutig, dass wenigstens das ZDF noch Wasserleichen wie Theo Koll ein Refugium bietet Denn eigentlich gilt ja, die Politik ist das Showbusiness hässlicher Männer.)

Doch zurück zu Ulrich Wickert. Dem gutgekleideten Käseliebhaber in den doppelgerahmten Pferdelederschuhen. Er macht das gut. Und schon ziemlich lange. Irgendwann fällt auf, dass da nichts kommt. Nach dem Wetter. Dass er vermutlich Kontaktlinsen trägt und deshalb so verschmitzt schaut. Schlägt unter den formidablen Hemden ein Herz? Oder glüht nur sein Solarplexus, die Hybris, mit den Tagesthemen das Evangelium zu verkünden? Ulrich Wickert, der anerkannte Feinschmecker, kann nicht kochen. Wie geht denn das? Das ist ja wie ein Popmusiker, der nicht tanzen kann. Ist das alles Humbug, und wir haben uns einfach betören lassen von einem lächelnden Gentleman, der einfach nur behauptet, guten Rotwein zu trinken? Seine Karriere begann, als man in Deutschland Balsamico-Essig entdeckte und Mozzarella mit Tomaten und Basilikum.

Wir brauchten so einen nach dem Graubrot Karl-Heinz Köpke. Tagesschau- und Tagesthemensprecher übertreffen als nationale Symbole die jeweiligen Bundespräsidenten bei weitem und unserem Flehen, sie mögen uns moralisch leiten, nachsichtig und schmunzelnd, können sie sich einfach nicht entziehen Am 11. September war Wickert der Anchorman der ARD. Stundenlang moderierte er. Und versagte. Mr. Tagesthemen reagierte auf aktuelle Meldungen wie ein alter Mann mit Parkinson. Die ARD war der schlechteste Sender an diesem Tag. Das Fernsehen ist eine Lebensvernichtungsmaschine.

Wer zuviel fernsieht, glaubt, dass Daniel Küblböck der nervigste Deutsche ist. Und nicht Esser oder Schrempp. Wir da draußen können den Fernseher ausschalten. Die da drinnen nicht. Deshalb mutiert ein Gert Scobel zum geschwätzigen Streber (vgl. Der Kultur-Adabei), eine Iris Berben verkümmert als Erotomane forever im Minirock (vgl. Das Höschen), ein Götz George schnauft seinem Ebenbild hinterher (vgl. Das Walross), eine Nina Ruge passt sich ihrer Umgebung an und retardiert zum Pantoffeltierchen (vgl. Die Mörtelmaus). Über allem ragt der Leuchtturm Ulrich Wickert. Es ist einsam da oben. Und ob da noch einer lebt ist ungewiss.