Der Napster-Boomerang
Im Jahr 2000 wurden in den USA mehr Musik-CDs denn je verkauft
Wann immer sich ein Jahr dem Ende zuneigt, ist mal wieder Zeit für blanke Abrechnungen und andere nette Resümees. Der Macht der Zahlen muss sich auch die US-Plattenindustrie unterwerfen und die Samstagsausgabe der Zeitung USA-Today legte nun die Ergebnisse für das Jahr 2000 vor.
Ermittelt wurden diese Werte von der im Staat New York ansäßigen Firma SoundScan, die seit knapp 10 Jahren mit ihren Computerauswertungen von mehr als 15.000 Verkaufsläden etwa 85% aller in den USA verkauften CDs erfasst. Vor 1991 wurden die Billboard-Charts, die nun mit Hilfe von SoundScan erstellt werden, nur nach subjektiven Einschätzungen von Radio-Programmleitern und Ladenmanagern festgelegt. Von den 200 Top-Alben des Jahrs 2000 gingen 240,5 Millionen CDs über den Ladentisch, was gegenüber dem Vorjahr (225,9 Millionen CDs) eine Steigerung von 6,5% bedeutet. Auch die Gesamtverkäufe aller CDs unabhängig von Genre oder Chartnotierung stieg an - von 660,1 zu immerhin 687,7 Millionen CDs in diesem Jahr (Stand 12.12.00). Damit dürften sich alle Fans von Internettauschbörsen á la Napster oder Mojonation bestätigt fühlen - tauschen und vorhören kurbelt die Verkaufszahlen eher nach oben.
Rückläufig waren lediglich die Zahlen in Gebieten, wo große Universitäten die Käuferschaft ganz natürlich reduziert. Ein Blick auf die Kandidaten der besten Verkäufe bringt derweil die erwarteten Stars & Sternchen zu Tage: Das Album der lebenden Beweise des Popwunders ŽN Sync "No Strings Attached" verkaufte sich 9,2 Millionen mal, Eminems "The Marshall Mathers" wollten 7,6 Millionen US-Bürger im Schrank stehen haben und die Songs von der biblisch braven Britney Spears auf ihrem selbstdefinierenden Werk "Oops!... I did it again" verkauften sich noch 7,1 Millionen mal. Sie hatte letztes Jahr mit "...Baby One More Time" den zweiten Jahres-Chartplatz belegt und war laut der Recording Industry Association of America damit der bestverkaufte Teeny-Act seit Beginn von Datenerhebungen.
Im Verfolgerfeld der Top-10-Alben ergibt sich geschmacklich gesehen eine bunte Mischung: Der Mann mit lockerer Gitarrrenhand und Haaren wie Wolfgang Petry, auch Carlos Santana genannt, verkaufte 5,7 Millionen "Supernatural"-Alben; dicht gefolgt von den etwas härteren Rockern Creed, deren "Human Clay" in diesem Lande eher unbekannt blieb. Als Vertreter des Musikstils für Menschen mit mehr als acht Reifen geht Nelly mit 4,4 Millionen verkauften Alben von "Country Grammer" ins Rennen. Der Napster-Gegner, Eminem-Taufpate und HipHop-Granddaddy Dr.Dre darf für seinen Blick auf das neue Jahr namens "2001" ganze 3,9 Millionen Alben auf dem Karrierezettel notieren.
Die folgenden Chart-Anführer sind auch keine unbekannten Gesichter: Die US-Version von Girlpower namens Destinys Child ging verdient mit 3,5 Millionen Alben von "The WritingŽs On The Wall" in Führung, kurz vor SisqoŽs "Unleash The Dragon" (3,4 Millionen Alben) und dem anderen Teeny-Klon Christina Aguilera. Obwohl die Statistik von Soundscan die Genrebezeichnung Pop nicht kennt, ist auch ein Blick auf die Genrezuwächse interessant: R&B nahm mit 178,4 Millionen CDs den größten Verkaufsanteil ein und verzeichnete ein gehöriges Plus im Vergleich zu den 157,1 Millionen CDs des letzten Jahres. Davon gefolgt war die Sparte Alternative mit 116,4 Millionen CDs und ebenfalls mit 6% Zuwachs. Grund für manch Freudenschießerei an Ost- und Westküste müssten die Zahlen im Rap-Genre sein. Mit 21% Zuwachs und insgesamt 96,3 Millionen CDs in übergroßen Hosen- und Einkaufstaschen ein deutliches Zeichen für den Stellenwert dieses Genres.
Zu den Verlieren gehören Jazz-, Klassik- Country, und Soundtracks sowie alles, was unter dem Begriff "Hard Music" referiert wird. Trotz des immensen Latin-Hype konnten in diesem Genre kaum Verkaufssteigerungen erzielt werden. Ricky Martin hatte z.B. 1999 noch den dritten Jahreschartplatz belegt.