Der Sonnenblumengau

Bald wird es kaum mehr möglich sein, transgene und wilde Nutzpflanzen voneinander zu unterscheiden

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Transgene Sonnenblumen, resistent gemacht gegen ihre Schädlinge, entziehen sich der menschlichen Kontrolle und entkommen zu wilden Populationen. Das weckt gemischte Gefühle bei den ökologischen Konsequenzen.

Nur Insekten merken den Unterschied zwischen natürlich vorkommenden Sonnenblumen und Bt-transgenen Pflanzen

Seitdem transgene Pflanzen gezüchtet werden, sind sich die Wissenschaftler uneins: Kommt es zur Übertragung und folglich zur Vermengung mit den natürlichen Populationen? Könnten Landwirtschaft und Ökosysteme durch Spezies, die gegen Insekten, Herbizide und Krankheiten immun gemacht sind, zunehmend nachteilig beeinflusst werden?

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Das US Landwirtschaftsministerium fördert Untersuchungen über die Auswirkungen der genmanipulierten Zucht. Von den wissenschaftlichen Projekten, die 1999 begonnen wurden, legte Frau Dr. Allison Snow (Ohio State University in Columbus) soeben auf der Jahrestagung der Weed Science Society of America die Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppe vor. Dr. Snow konzentriert sich auf Sonnenblumen (Helianthus annuus), die von der Industrie als Fettlieferanten geschätzt und bisher, etwa mit Nu Sun(r) von Novartis, auf einen hohen Anteil von Oleinsäure optimiert werden.

In der Erprobung sind nun Sonnenblumen mit der transgen vermittelten Resistenz gegen Insektenschädlinge, vornehmlich Motten und Käfer. Pioneer Hi-Bred, dem Weltunternehmen DuPont zugehörig, und Mycogen Seeds, eine Einheit von The Dow Chemical Company, stellen für die Experimente ihre Bt-Saat zur Verfügung. Bt meint ein Gen, vom Bakterium Bacillus thuringiensis übertragen, das ein chemisches Toxin bildet und verschiedene Insekten abtötet. "Noch sind diese Pflanzen nicht auf dem Markt," so Dr. Snow, "weil die Zulassung des US Department of Agriculture vorliegen muss, und die Hersteller bisher nicht über die Vermarktung entschieden haben."

Die Wissenschaftler erzeugen mit natürlichen Sonnenblumen Hybride und pflanzen diese zweite Generation im Freiland, versuchsweise in Nebraska und Colorado, an. Der günstige Effekt: weniger Schädigungen durch Raupen, und 50 Prozent mehr Ausbeute.

Wir sind überrascht, dass ein einzelnes Gen so wirksam sein kann. Tatsächlich befürchteten wir anfänglich, die Einstellung der Pflanze auf das Gen werde viel Energie absorbieren und darüber sogar die Reproduktionsfähigkeit verringern. Das Umgekehrte ist der Fall,

so Dr. Snow, und weiter:

Bemerkenswert sind allerdings Unterschiede in der Ausbeute zwischen beiden Regionen. Wir vermuten als Ursache die in Nebraska und Colorado unterschiedliche Belastung mit Insekten.

Für diese Einschätzung sprechen ergänzende Stress-Untersuchungen im Treibhaus: Wassermangel und unzureichende Nährstoffe werden von den transgenen Sonnenblumenpflanzen nicht etwa schlechter, sondern weitaus besser toleriert.

Die Experimente zeigen einen Nebeneffekt, der das weitere Forschungsprogramm der Arbeitsgruppe von Dr. Snow bestimmen wird: die Übertragung des Bt-Gens auf Unkraut. Schon jetzt ist für mehr als 20 artifizielle Spezies, u.a. Reis, Karotten und Radieschen, eine Kreuzung nachgewiesen, falls die natürliche n Verwandten nahe genug den Versuchfeldern wachsen. Lassen sich transgene Pflanzen mit dem Bt-Gen davon ausnehmen? In der aktuellen Diskussion scheint diese Frage noch offen, obwohl: Bt-Mais von Monsanto ist unter den Handelsnamen YieldGard(r) in den USA und seit 1998 unter MaisGard(r) in Europa zugelassen.

Der Report der Sunflower Working Group unter Leitung von Dr. Snow stellt 1999 fest, dass die natürliche Verbreitung vor allem durch Bienen erfolgt.

Die Hersteller von Sonnenblumen Saat müssen 1,6 bis 2,4 km Abstand zwischen ihren Feldern mit Hybriden und wilden oder anders kultivierten Sonnenblumen einhalten, damit die Pflanzen nicht durch "fremde" Pollen kontaminiert werden.

Für North Dakota, dem Bundesstaat mit der größten Anbaufläche für Sonnenblumen, und der zweitgrößten Zahl an Bienenstöcken, könnte die Bt Sunflower erstrebenswert sein, weil das Verspritzen von Herbiziden, die trotz aller Vorsichtsmassnahmen in den Honig geraten, vermieden wird.

Diana Pilson, von der University of Nebraska, sieht allerdings auch unerwünschte Effekte:

Bereits jetzt beeinträchtigen in Nebraska wilde Sonnenblumen den Anbau von Mais und Soja. Bt Hybride Sonnenblumen könnten, weil sie schwerer auszurotten sind, über Hand nehmen und zur ernsthaften Belastung für die Bauern werden.

Das wissenschaftliche Interesse von Dr. Pilson und Mitarbeitern gilt dennoch weniger dem Sonnenblumen-Unkraut als vielmehr der Frage: Wird das Gefüge der Insektenwelt beeinflusst, "weil durch Bt Sonnenblumen nur jene Insekten beseitigt werden, die vornehmlich von Sonnenblumen leben?

F. Gould von der North Carolina State University interessiert, ob Insekten gegen den Bt-Effekt resistent oder sogar aggressiver werden können. Seine Argumentation geht davon aus, dass es weiterhin unbehandelte Pflanzen geben wird. "Auf den natürlichen Pflanzen überleben die nicht-resistenten Stämme. Folglich steht ständig ein frisches Reservoir für die Paarung mit resistenten Insekten zur Verfügung." Daraus erwächst die immer wieder neue Anpassung - eine Situation nicht unähnlich der unaufhaltsam zunehmenden Antibiotika-Resistenz?

Die Beobachtungen von Dr. Snow und Mitarbeitern lassen keinen Zweifel mehr, dass sich Bt-transgene und natürlich vorkommende Sonnenblumen mischen und damit der ursprünglichen Kontrolle entgleiten können. Die Vermengung ist damit zur Tatsache geworden. Für den Bauern wie für den Verbraucher wird es kaum mehr möglich sein, artifizielle und wilde Nutzpflanzen voneinander zu unterscheiden.