Der Todesstrafenpräsident
Vor seinem Abtritt bricht Donald Trump Rekorde beim staatlichen Morden
Eine Journalistin der Nachrichtenagentur AP erlebte durch die Glasscheibe aus dem Beobachtungsraum den jüngsten staatlichen Mord in den USA mit. Der 56-jährige Alfred Bourgeois war am vergangenen Freitag im Todestrakt von Terre Haute im Bundesstaat Indiana mit Giftinjektionen hingerichtet worden.
Tags davor war am selben Ort der 40-jährige Brandon Bernard umgebracht worden. Wenige Tage vor der Amtsübernahme durch Joe Biden sind drei weitere staatliche Morde geplant. Insgesamt käme die Trump-Regierung damit auf 13 Hinrichtungen - und auf die schlimmste Todesstrafenpräsidentschaft seit 130 Jahren.
AP schilderte die Hinrichtung mit eindrücklichen Worten:
Als ihm das tödliche Pentobarbital in beide Arme injiziert wurde, bewegte Bourgeois seinen Kopf in Richtung seines Geistlichen, der in einer Ecke der Todeskammer eine Bibel festhielt. Bourgeois signalisierte "Daumen hoch", und der Geistliche reagierte darauf mit seinem eigenen erhobenen Daumen. Nur Sekunden später suchte Bourgeois durch die Glasscheibe, die ihn von den Medienvertretern und weiteren Zeugen trennte, Augenkontakt. Er verzog das Gesicht und runzelte die Stirn. Er atmete rhythmisch aus, und seine Bauchgegend begann heftig zu zucken. Fünf Minuten später war es damit vorbei. Sein Körper wurde ruhig. Er bewegte sich 20 Minuten lang nicht. Dann wurde er für tot erklärt.
Augenzeugenbericht der AP
Der Afroamerikaner Alfred Bourgeois hatte einen so niedrigen Intelligenzquotienten, dass er zwar als arbeitsfähig galt, aber von einem unabhängigen Leben kaum die Rede sein konnte. Er war wohl eher schutzbedürfig. Ähnliches gilt für Corey Johnson, der am 14. Januar von staatlichen Killern hingerichtet werden soll.
Der Schwarze Brandon Bernard, der seit 1999 in der Todeszelle vor sich hinvegetieren musste und am Donnerstag hingerichtet wurde, war als 18-Jähriger von einer nahezu vollständig weißen Jury zum Tode verurteilt worden; für ein Verbrechen, bei dem er Komplize war. Den tödlichen Schuss hatte er selbst gar nicht abgegeben.
Bundesweite Todesstrafe aus politischen Gründen wieder aufgenommen
Die einzige Frau auf der Todesliste der Trump-Regierung ist Lisa Montgomery, eine Weiße. Schon als Kind war sie zur Prostitution gezwungen worden. In den darauffolgenden Jahren wurde sie erneut wiederholt das Opfer von sexueller Gewalt und von Psychoterror. Obwohl Montgomerys Leidensweg, der in eine schwere Psychose mündete, dokumentiert ist, kennen die Behörden keine Gnade. Die 52-Jährige war zum Tode verurteilt worden, weil sie eine Frau umbrachte und deren ungeborenes Baby entführte.
Lisa Montgomery wäre die erste Frau seit knapp siebzig Jahren, die auf Bundesebene am 12. Januar hingerichtet wird.
Schließlich steht am 15. Januar Dustin Higgs auf der Liste. Gegen den Afroamerikaner wurde die Todesstrafe verhängt, weil ein Mitangeklagter, dessen Schuld belegt ist, "nur" eine lebenslange Strafe erhielt.
Nachdem die bundesweite Todesstrafe seit 2003 ausgesetzt war, wurde sie von der Trump-Regierung am 14. Juli aus politischen Gründen wieder aufgenommen. Zu dem Zeitpunkt fanden landesweit nach dem Polizeimord an George Floyd die riesigen Black-Lives-Matter-Demonstrationen statt.
Gleichzeitig präsentierte sich Trump im Wahlkampfsommer als Law-and-Order-Präsident. Um den Eindruck zu vermeiden, es handele sich um Rassismus, beschloss die Regierung, zunächst die Hinrichtung von weißen Todesstrafenhäftlingen, die wegen Kindsmord verurteilt worden waren. Jetzt sollen vier Schwarze Männer und eine Frau an die Reihe kommen.
Auf das grausame Law-and-Order-Erbe zielt Trump mit Blick auf seine Republikanerbasis ab. Er wird nach dem 20. Januar weiterhin der Königs- und Meinungsmacher bei den Rechten bleiben. Mehr als 70 Millionen Amerikaner hatten ihn gewählt. Die Parteiführung weigert sich bis heute, Bidens Wahlsieg offen anzuerkennen.
Um ihrem Ruf eins draufzugeben, verkündete die US-Regierung in ihrem Amtsblatt, dass neben der Giftspritze wieder der elektrische Stuhl, Erhängen, tödliches Gas oder Erschießungskommandos als Methoden zulässig seien.
Wie wird sich Joe Biden verhalten?
Nun erfolgen aus den Reihen der Demokratischen Partei zwar Proteste gegen die Forcierung der Todesstrafe kurz vor Joe Bidens Amtsübernahme. Doch ihm selbst ist das Thema "unangenehm", wie es ebenfalls heißt. Der Forderung nach einem sofortigen Stopp der Hinrichtungs-Orgie schloss er sich nicht an. Jahrzehntelang war Biden ein Befürworter der Todesstrafe.
Eine massive Strafrechtsverschärfung von 1994 in der Amtszeit von Bill Clinton trägt seine Handschrift. In die "crime bill" flossen auf Bidens Betreiben hin zusätzliche 60 Vergehen ein, die mit der Todesstrafe bestraft werden können und auch wurden - etwa Kidnapping mit Todesfolge oder schwerer Drogenhandel. Biden räumte Jahre später, darunter auch im Vorwahlkampf dieses Jahr, mehrmals ein, das Gesetz sei "mit Makeln behaftet" gewesen. Er werde für die Abschaffung der bundesweiten Todesstrafe sorgen, versprechen Bidens Berater.
Darauf hoffen auch die seit Jahrzehnten aktiven Gegner der Todesstrafe in den USA. In einem offenen Brief kritisierten Anfang Dezember fast 100 Ex-Staatsanwälte, Verteidiger und Polizeichefs, das Todesstrafensystem sei "kaputt, mit Rassismus durchsetzt und verfassungsrechtlich fragwürdig". Ausdrücklich räumt die Erklärung mit dem Mythos auf, die Todesstrafe treffe nur die "allerschlimmsten" Täter. Nur das treffe nicht zu, heißt es:
"Viel schlimmer noch, wir richten die Unglücklichsten der Unglücklichen hin - die Verarmten, die, die sich Verteidiger nicht leisten können, und die ganz unten. Immer und immer wieder richten wir Menschen hin, die seit Langem schwer geisteskrank sind, deren Kindheit von grausamen körperlichen und psychischen Misshandlungen geprägt war, und die ein unabhängiges Erwachsenenleben nicht führen können".
1994 waren noch 80 Prozent der US-Bürgerinnen und -Bürger für die Hinrichtung verurteilter Mörder, inzwischen bevorzugen 60 Prozent lebenslange Haft. Immer mehr Einzelstaaten schaffen die Todesstrafe ab. Wie Biden vorgehen wird, ist jedenfalls unklar.