Der Westen muss Indien etwas anbieten

Seite 2: Die Verzweiflung der Letzten Generation. Kommentar.

Die Regierungen verlieren an Macht, Wirtschaftsunternehmen dagegen gewinnen rasant an Einfluss. Auch in Indien werden Konzerne wie Reliance Industries ständig mächtiger.

Immer mehr Regierungen bleibt zum Machterhalt nichts anderes übrig, als die "nationale" Karte zu ziehen. Umweltaktivisten werden als Störenfriede gebrandmarkt, die dem Wachstum eines Landes schaden.

Im Kampf, die Klimaerwärmung zumindest auf 2 Grad zu begrenzen, sieht es, nüchtern gesagt, hoffnungslos aus. Dass es bereits zehn nach Zwölf ist, darauf machen aktuell in Deutschland die vorwiegend jungen Menschen der Letzten Generation aufmerksam. Nicht alle ihre Aktionen mögen Sinn machen oder gar beim Großteil der Bevölkerung auf Verständnis stoßen.

Die Müllberge in Indiens Großstädten sind ein riesen Problem. Bild: Gilbert Kolonko

Aber eines ist unbestreitbar: Die jungen Menschen sind zu Recht verzweifelt. Sie haben übrigens auch ein Recht darauf, Fehler zu machen. Ohne diese jungen Aktivisten würde das Thema Klimawandel wohl weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden sein.

Die Aktionen generieren öffentliche Aufmerksamkeit, und die Medien berichten darüber, wenn auch zumeist kritisch. Die Medien des Springerkonzerns etwa diffamieren die jungen Aktivisten, ohne rot zu werden als "Klima-Deppen", die für Aufruhr sorgen, ohne ein Risiko einzugehen. Dabei riskieren die jungen Menschen der "Letzten Generation" einiges: den Einsatz von Gewalt gegen sie, Geld- und Gefängnisstrafen.

Dass konservative Medien die Klimaaktivisten mittlerweile als radikale Terroristen verunglimpfen, ist bezeichnend. Das war bereits vor 120 Jahren beim Thema Frauenwahlrecht in Europa nicht anders. Damals protestierten die Suffragetten friedlich mit bis zu 500.000 Sympathisantinnen und Sympathisanten im Londoner Hydepark – und ähnlich wie vor zwei Jahren bei den Großdemonstrationen von "Friday for Future" passierte damals nichts.

Die Suffragetten wurden belächelt. Also sagten sich die Frauen: "Dann anders." Es ging in den Tower of London, wo die Vitrine mit den Kronjuwelen zerschlagen wurde. Weitere Aktionen in dieser Art folgten.

Was hätte wohl die linksbürgerliche taz damals geschrieben, die heute ebenfalls die Aktionen der Letzten Generation spürbar von oben herab behandelt? "Mensch Mädels, lass doch mal den Unsinn. Habt etwas Geduld. In 120 Jahren erkämpfen wir euch das Frauenrechtler:innen?"

Wer will bei solchen "Vorbildern" noch in den klassischen Journalismus einsteigen? Genau deshalb nämlich schaut die politisch interessierte Jugend lieber Rezo, den Dunklen-Parabelritter oder ähnliches auf Youtube, als dass sie Zeitungen liest.

Leider verkennen die jungen Menschen: Auch diese beiden Youtuber leben von Informationen, die Journalistinnen und Journalisten beschaffen. Viele unter Umständen, bei denen sie – je nachdem, in welchem Land sie berichten – mitunter viel riskieren. Alleine in Indien wurden in den letzten zehn Jahren 39 Journalistinnen und Journalisten ermordet. Zwölf sitzen aktuell im Gefängnis.

In Indien zeigen übrigens die Gutausgebildeten, was sie von den langsamen Fortschritten in ihrem Land in allen Bereichen halten und von den national-religiösen Tönen: Sie verlassen zu Hundertausenden ihre Heimat. Anstatt Indien voranzubringen, sitzen sie bei Google und Co. in der Chefetage oder werden Premierminister in Großbritannien.

Auch in Deutschland hat sich der Bevölkerungsanteil an indischen Einwanderern in den letzten 10 Jahren verdreifacht.

Disclaimer: Der Autor spendet das Honorar der Letzten Generation. "Deren Zukunft sieht nicht rosig aus, da sollen sie nicht noch die Geldstrafen in der Gegenwart alleine stemmen."