Der blockierte Klimaschutz und das vergiftete Klima im Land
Energie und Klima – kompakt: Wissenschaft und UN warnen immer eindringlicher. Aber in Deutschland bewegt sich fast nichts. Über Hysterie, bleierne Stimmung und seine Folgen. Ein Kommentar.
"Die Klima-Zeitbombe tickt." Hört sich nach "Alarmismus" irgendwelcher Umweltschützer an? Nach vermeintlichen Terroristen oder "Radikalen", die sich auf Straßen kleben, das Neun-Euro-Ticket für alle fordern und denen daher mit dem Inlandsgeheimdienst gedroht werden muss? Irrtum.
Die Warnung kommt von UN-Generalsekretär António Guterres. Ausgesprochen hat er sie vergangene Woche anlässlich des neuesten Berichts des IPCC, des sogenannten Weltklimarates. Telepolis hatte berichtet.
Nur zur Erinnerung: Diese Berichte sind nicht die Meinung irgendeines beliebigen wissenschaftlichen Gremiums. Sie sind vielmehr die Essenz jahrelanger Klimaforschung in diversen Disziplinen, zusammengetragen im Auftrag der internationalen Staatengemeinschaft von Tausenden Wissenschaftlern aus aller Welt und die abschließende Zusammenfassung jeweils explizit von den Regierungen der 195 Mitgliedsstaaten gebilligt.
Schon allein deswegen ist die Sprache der Berichte eher vorsichtig, manchmal sogar zu vorsichtig. So wurde lange Zeit in den IPCC-Berichten der drohende Anstieg der Meere deutlich unterschätzt, weil von kontinuierlichen Abschmelzraten der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis ausgegangen wurde. Doch inzwischen ist nicht mehr zu übersehen, dass diese sich beschleunigen.
Dass der UN-Generalsekretär trotz dieser eher konservativen Herangehensweise des IPCC zu derart drastischen Worten greift, spricht für den Ernst der Lage. Wir sind inzwischen mitten in einem großen Artensterben, dass die Grundlage unsere Ernährung gefährden wird. Küstenstädte und flache Inseln werden zunehmend bedroht, Trinkwasserknappheit wird selbst in Europa zum Problem, Waldbrände werden immer intensiver, Hitzewellen und Dürren langanhaltender, während das Zeitfenster zum Gegensteuern beginnt, sich zu schließen.
Doch hierzulande legt man weiter die Hände in den Schoß, kämpft mit Verbissenheit für alte Technologien und investiert Milliarden in Gas-Terminals, um Frackinggas aus den USA einführen zu können.
Internationale Verträge, wie die Pariser Klimaschutzübereinkunft, werden einfach ignoriert, und wenn ein Volksentscheid, wie am Wochenende in Berlin, droht, die Regierenden zu raschem Klimaschutz zu verpflichten, dann wird die Abstimmung so gelegt, dass sie wegen zu geringer Teilnahme möglichst scheitert.
Demokratie ist halt eher etwas für Sonntagsreden, oder wenn es darum geht, verkappte Kriegsbeteiligungen und gigantische Aufrüstungsprogramme zu begründen. Ansonsten geht es vor allem darum, optimale Bedingungen für Immobilienkonzerne, Energiegiganten und Abgasbetrüger zu schaffen. Für Klimaschutz bleibt da wenig Raum.
So wenig, dass man sich auch nicht um jedes Gesetz kümmern kann. Da hatte, wie seinerzeit berichtet, im März 2021 das Karlsruher Verfassungsgericht die Bundesregierung verdonnert, mehr für den Klimaschutz zu tun, um die Freiheitsrechte künftiger Generationen nicht einzuschränken. Mit heißer Nadel war daher noch im Frühjahr 2021 das Klimaschutzgesetz ein wenig nachgeschärft worden.
Doch selbst um dieses unzulängliche Gesetz wird sich nicht gekümmert. Wie berichtet haben die Sektoren Gebäude und Verkehr 2022 erneut ihre Minderungsziele nicht eingehalten, wobei der Bundesverkehrsminister sich nicht einmal mehr um den Anschein bemüht, dieser gesetzlichen Verpflichtung nachkommen zu wollen.
Dass ihm das weite Teile der Medienlandschaft durchgehen lassen und sich zugleich an der Stimmungsmache gegen Klimaschützer beteiligen, die mit Straßenblockaden und ähnlichem die Regierung zum Handeln zwingen wollen, sagt eigentlich schon fast alles über das intellektuelle Klima im Lande aus. Aber diesbezüglich kann man angesichts der allgegenwärtigen medialen Kriegshysterie ja ohnehin keine Illusionen mehr haben.
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