Der dritte Frühling des Cavaliere

Italien: Silvio Berlusconi meldet sich zurück

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Bei den Parlamentswahlen in Italien verweist Berlusconi seine Herausforderer deutlich auf die Plätze. Die Parteien links von der Mitte spüren den allgemeinen Vertrauensverlust besonders hart. Gleichzeitig beginnt die politische Landschaft übersichtlicher zu werden.

Was hatte Walter Veltroni nicht alles versucht. Ganz im Stile Barack Obamas wollte der 52-Jährige von der Außenseiterposition aus das Rennen machen. Seiner erst vor wenigen Monaten gegründeten Demokratischen Partei verpasste er ein modernes Image. Der Soziologe Anthony Giddens meinte schon freudig, in Veltroni einen Reform-Sozialdemokraten nach dem Ebenbild seines ehemaligen Schülers Tony Blair erblickt zu haben.

Früh unterstrich Veltroni, mit ihm werde es keine Bündnisse mit Kleinparteien geben. Er wollte mit dem Versprechen der politischen Erneuerung in den Wahlkampf ziehen, unbelastet von Christdemokraten auf der einen und Kommunisten auf der anderen Seite. Einzig für den ehemaligen Staatsanwalt Antonio di Pietro machte er eine Ausnahme.

Doch im Wahlkampf blieben Veltronis Reformankündigungen beinahe ebenso vage wie die Versprechungen Berlusconis großspurig ausfielen. Personell boten die Listen der Demokraten überdies eher ein Bild der Kontinuität; in der Mehrzahl kandidierten dort bekannte Gesichter aus der linksdemokratischen Vorgängerpartei. Und anders als Obama stammt der ehemalige Bürgermeister von Rom sehr wohl aus dem Establishment. Auf stolze 35 Jahre politisches Leben blickt Veltroni inzwischen zurück.

Unzufriedenheit mit der politischen Klasse traf vor allem die Linke

All das erklärt noch nicht, warum die linke Mitte nach dem denkbar knappen Wahlsieg von 2006 nun mit etwa 33 Prozent recht deutlich hinter das Berlusconi-Bündnis zurück gefallen ist. Denn für jene Wähler, die Veltroni zu viel Vagheit und zu wenig linkes Profil vorwarfen, stand eine zweite aussichtsreiche Kraft bereit: Die Regenbogen-Linke, zu der sich neben den Grünen zwei kommunistische und eine sozialdemokratische Partei zusammengefunden hatten. Doch ihr wurde mit rund 3 Prozent ein katastrophales Ergebnis beschert. In der kommenden Legislaturperiode wird der Regenbogen weder im Senat noch im Abgeordnetenhaus vertreten sein. Noch in der Wahlnacht erklärte Parteichef Fausto Bertinotti seinen Rücktritt.

Offensichtlich gelang es den linken Parteien – im Gegensatz zum Berlusconi-Lager – nicht, ihr Wählerpotenzial auszuschöpfen. Zwei Gründe waren dafür entscheidend: Die Regierung Prodi hatte während ihrer zweijährigen Amtszeit zahlreiche Erwartungen enttäuscht. Sie fand keine Antwort auf die prekäre wirtschaftliche Lage immer größerer Schichten. Eine wirksame Umverteilung fand nicht statt. Selbst jene Mediengesetze, die Berlusconi sich in seiner zweiten Amtszeit auf den Leib geschneidert hatte, tastete die Mitte-Links-Regierung nicht an.

Einen weiteren Grund für die Abstinenz zahlreicher linker Wähler an den Urnen nennt Ida Dominjani von der Tageszeitung il manifesto:

Das von der Linken am häufigsten gebrauchte Argument in diesem Wahlkampf – die Notwendigkeit, die Existenz einer politischen Vertretung der Linken zu sichern – war nicht selbstverständlich. In Frage steht also nicht die Fähigkeit oder Unzulänglichkeit der im Aufbau befindlichen Partei – in Frage steht das Modell der politischen Repräsentation selbst.

Tatsächlich ging die Beteiligung trotz Wahlpflicht zurück. Besonders betroffen davon waren linke Hochburgen wie die Toskana. Die weit verbreitete Unzufriedenheit mit der politischen Klasse traf vor allem die Linke.

Das politische Aus für zahlreiche Kleinparteien links von der Mitte

Walter Veltroni darf dennoch nicht nur als Verlierer gelten, denn mit einem Sieg hat selbst in seiner Partei kaum jemand ernsthaft gerechnet. Den Demokraten ist es immerhin gelungen, sich auf Anhieb als feste Größe im Parteiensystem zu etablieren. Und Veltronis umstrittene Entscheidung, ohne Bündniszusage ins Feld zu ziehen, hat Früchte getragen: Für zahlreiche Kleinparteien links von der Mitte markiert der Wahlabend das politische Aus – eine künftige Mitte-Links-Regierung wird auf sie keine Rücksichten mehr nehmen müssen. Zudem haben die Demokraten den Abstand zur radikalen Linken vergrößert, denen es in der kurzen Zeit nicht gelungen ist, als Regenbogen eine überzeugende politische Plattform vorzulegen.

Damit haben die Demokraten den Anstoß gegeben, Italiens politische Landschaft übersichtlicher zu gestalten. Das parlamentarische Geschehen dürften künftig zwei große und drei kleinere Akteure prägen: Neben den Demokraten und dem Regenbogen (trotz des miserablen Resultats) werden das Berlusconis Volk der Freiheit und die Lega Nord sein; dazu kommt die Zentrumsunion als mögliche Kraft zwischen den Blöcken.

Das Volk der Freiheit wurde ebenfalls erst vor wenigen Monaten neu gegründet, Berlusconi vereinte in der neuen Formation im Wesentlichen die Mitglieder seiner Forza Italia und der postfaschistischen Alleanza Nazionale. Ihr gemeinsam erzieltes Ergebnis entspricht mit rund 37 Prozent in etwa der Addition ihrer Einzelresultate von vor zwei Jahren. Beträchtlich zulegen konnte die rechtspopulistische Lega Nord, sie steigerte sich auf über 8 Prozent, in Venetien und der Lombardei erzielte sie sogar jeweils über 20 Prozent.

Die christdemokratische Zentrumsunion war erstmals nicht im Rahmen des Berlusconi-Blocks angetreten und hatte versucht, einen eigenständigen Pol zwischen Links- und Rechts-Bündnis zu bilden. Im Vergleich zu 2006 musste sie geringe Verluste hinnehmen und errang rund 6 Prozent der Stimmen. Ihr Spitzenkandidat Casini kündigte eine „konstruktive Opposition“ an.

Sieger Berlusconi

Größeren Bewegungsspielraum bietet die neue politische Landschaft allerdings kaum. Zwar können Absprachen innerhalb der Regierung ohne die Vielzahl kleinerer Partner künftig einfacher getroffen werden. Doch bleiben die Koalitionsmöglichkeiten beschränkt. Eine große Koalition stößt bei einem Teil der Wählerschaft durchaus auf Zuspruch, hat aber keine Chance auf Realisierung. Einzig die Zentrumsunion könnte theoretisch mit Berlusconi wie mit Veltroni die Regierungsbank drücken.

Silvio Berlusconi hat erneut davon profitiert, dass die Stelle einer moderaten konservativen Partei vakant bleibt. Diese Lücke haben weder die Zentrumsunion und – trotz ihres Mitte-Kurses – auch Veltronis Demokraten nicht füllen können. Verhandlungen wird Berlusconi in den nächsten Wochen mit der deutlich gestärkten Lega Nord führen.

Das Volk der Freiheit und die Lega haben die ökonomische Schwäche des Landes für sich zu nutzen gewusst. Der Cavaliere bietet dem abgehängten Süden des Landes einen Schuss Nationalismus als Integrationsideologie, während er im wirtschaftlich vergleichsweise starken Norden von seinem Image als erfolgreicher Geschäftsmann zehrt. Das allein dürfte weder reichen, um die rezessionsgefährdete Wirtschaft anzukurbeln, noch um die hohe Inflation zu drosseln.