Der gefährliche Sprachgehorsam des Journalismus: Wenn Trump die Begriffe diktiert

Christiane Voges

Bild: Unsplash

Große Medien übernehmen kritiklos Trumps Wortwahl. Sie prägt die Berichterstattung. Was das für die Wahrheit bedeutet, ist alarmierend. Analyse

"Danach richte Dich also!" Nachrichten, als einer der wenigen journalistischen Fachbegriffe deutscher Herkunft, galten lange als etwas, wonach man sich (besser) zu richten hatte, gar als Anweisungen der Obrigkeit, die fraglos zu befolgen waren.

Auch im berühmten Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm, begonnen 1838 und erstmals veröffentlicht 1854, heißt es dementsprechend, mit Blick auf die Geschichte feudaler Herrschschaft, mächtiger Männer und persönlicher Abhängigkeitsverhältnisse:

(...) erst seit dem 17. jahrh., mittheilung zum darnachrichten und die darnachachtung: die instruction (…).

Wörterbuch von Jakob Grimm und Wilhelm Grimm

Geschichte wiederholt sich nicht – und wenn, dann als Farce, deuteten auch in jener Zeit, Mitte des 19. Jahrhunderts, bereits Hegel und Marx an.

Wenn also US-Präsident Donald Trump derzeit höchst fragwürdige Ansagen macht, ist das nicht nur Stoff für Meldungen und Berichte, wegen des damit verbundenen Nachrichtenwertes.

Worte im Rang von unbestreitbaren Tatsachen

Sondern offenbar richten sich wichtige Redaktionen etablierter Medien im Globalen Norden so sehr nach diesen Vorgaben, dass Trumps Worte in den Rang von unbestreitbaren Tatsachen erhoben werden – und zwar weit über das Zitieren von dessen Äußerungen hinaus.

Das reichweitenstärkste Medium hierzulande, die Tagesschau, formulierte es dieser Tage so:

Screenshot Tagessschau

In der Überschrift, dem wichtigsten Teil bei klassischen Nachrichten übrigens, heißt es – und eben nicht als wörtliche Rede gekennzeichnet: "Trump will Gaza-Streifen unter Kontrolle bringen". Genau das war aber auch exakt Trumps Wortwahl: "Die Kontrolle übernehmen".

Die Wertung

Mal abgesehen von der vielleicht nicht ganz unwichtigen Frage, wer diese "Kontrolle" derzeit ausübt: Das "Wording" ist eindeutig positiv wertend. Klar, auch deswegen dürfte Medien-Profi Trump genau diese Ausdrucksweise gewählt haben.

"Befreien" hätte hier und diesmal vielleicht etwas zu dick aufgetragen gewirkt. Aber wer könnte etwas dagegen haben, dass eine – sagen wir mal so – chaotische Lage endlich "unter Kontrolle" gerät? Zumal unter der Kontrolle einer anerkannten Weltmacht? Die doch für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte steht?

Die fehlende Kennzeichnung

Hätte man diese Formulierung der Überschrift redaktionell anders lösen können? Man hätte womöglich relativ sachlich von Eroberung oder Besatzung reden können.

Zumindest aber wäre es geboten gewesen, jene Worte "unter Kontrolle" bereits in der Überschrift (viele Leute lesen ja kaum mehr als das) als wortwörtlich jene Version von Trump erkennbar zu machen.

So läuft es leider mal wieder auf Verharmlosung und Beschönigung hinaus. Man richtet sich "darnach", was die jeweilige Obrigkeit vorgibt. Bis in die Wortwahl hinein. Statt objektivierend zu formulieren, statt möglichst sachlich zu melden und zu berichten.

Der Spin

Ein weiteres Beispiel zum selben Thema im selben Medium:

Scheinbar lapidar heißt es dort, wiederum nicht als Zitat erkennbar, sondern offenbar als redaktionelle Zusammenfassung der erklärten Absichten Trumps: "Palästinenser umsiedeln". Was für ein krasser Euphemismus! Hier scheint es, soweit man diese Pläne ernst nimmt, mindestens um zwangsweise "Umsiedlung" zu gehen.

Wenn nicht, wiederum relativ sachlich formuliert, um "Vertreibung" oder gar "Deportation." Selbst der UN-Generalsekretär, der Portugiese Antonio Gueterres, spricht hier kritisch und ablehnend von geplanter "ethnischer Säuberung".

Aber die Tagesschau richtet sich nach Trumps Ansage – "Palästinenser umsiedeln" eben.

Screenshot Tagessschau

Dass diese Wortwahl der Formulierung weder Zufall noch ein deutsches Spezifkum wäre, sondern auf gewisse Macht-Strukturen der gesamten westlichen Welt verweisen mag, wird durch das "Wording" der ebenfalls öffentlich-rechtlichen BBC deutlich:

Hier heißt es ebenso parteiisch, verhamlosend und beschönigend zugunsten der Politik der aktuellen Staatsführungen der USA und Israels "resettle", also umsiedeln /aussiedeln und sich neu/wieder niederlassen.

Same procedure: Die Wortwahl der nun nicht mehr feudalen, sondern heutzutage post-liberalen Herrschaft wird (mehr denn je) zur Richtschnur redaktionellen Handelns.

Die Mächtigen mögen ansagen, und im Journalismus wird sich weiter, ja leider sogar zunehmend "darnach gerichtet". Wie in vormodernen Zeiten. Was für eine Farce!