Der große Sprung
Der Mensch verlässt die Erde
Vom Griff nach den Sternen haben die Menschen wahrscheinlich Jahrhunderttausende lang geträumt. Im 20. Jahrhundert gelang er ihnen gleich zweimal: Nachdem sie mit der Atombombe das Sternenfeuer auf der Erde entfacht hatten, konnten sie bald darauf auch die Schwerkraft ihres Heimatplaneten überwinden und den Fuß auf einen anderen Himmelskörper setzen. Der Beginn des Atomzeitalters ist auch der Beginn des Kosmischen Zeitalters.
Die entscheidende Schubkraft verlieh wieder einmal der Krieg. Bereits in den dreißiger Jahren arbeitete der deutsche Ingenieur Eugen Sänger im Auftrag des Militärs an einem raketengetriebenen Fluggerät mit mehreren tausend Kilometern Reichweite, dem Amerika-Bomber, der jedoch nie realisiert wurde. Dafür gelang im Oktober 1942 der Start der ersten ballistischen Langstreckenrakete: Die V 2 erreichte eine Höhe von etwa 100 Kilometern und flog etwa 340 Kilometer weit - genug um London zu bombardieren. Über tausend Raketen wurden auf die britische Hauptstadt abgeschossen.
Dort verbreiteten sie jedoch nicht nur Angst und Schrecken. Der britische Raumfahrtpionier Eric Burgess etwa erinnert sich, wie er mit einigen Freunden in einem abgedunkelten Pub die nahe Explosion einer V 2 erlebte und sich alle erwartungsvoll ansahen: Für diese Gruppe von Weltraumenthusiasten war das Geräusch der lang ersehnte Beweis, dass der Bau großer Raketen möglich war - und damit auch der Flug zu anderen Planeten.
Die Militärs sahen das sehr viel erdbezogener. Für sie bedeutete die Fähigkeit, einen Flugkörper in eine Erdumlaufbahn zu schießen, in erster Linie die Drohung, jeden beliebigen Punkt auf der Erde mit (Atom-) Bomben treffen zu können. Die Amerikaner mobilisierten daher ungeheure Kräfte, um den technologischen Rückstand gegenüber der Sowjetunion aufzuholen, den diese mit Sputnik, mit Juri Gagarin und anderen Pioniertaten demonstriert hatte.
Mit der ersten bemannten Mondlandung innerhalb des vorgesehenen Zeitplans ist ihnen das geradezu furios gelungen. Die Bilder der Apollo-Astronauten sind zu den Ikonen des beginnenden Weltraumzeitalters geworden.
Die nachhaltigste Wirkung hatte aber wohl das Bild der Erdkugel selbst. Der britische Astronom Fred Hoyle hatte es schon Ende der vierziger Jahre vorausgesehen: "Sobald es ein von außerhalb aufgenommenes Foto der Erde gibt, wird sich eine neue Idee entwickeln, mächtiger als je zuvor in der Geschichte."
Ein wichtiger Bestandteil dieser Idee ist die Erkenntnis, dass die Erde etwas sehr Besonderes, Schutzbedürftiges und Schützenswertes ist. Das Bild unseres Heimatplaneten hat uns seine Begrenztheit und Verletzlichkeit im ursprünglichsten Sinne des Wortes "vor Augen geführt". Unmittelbarer lassen sich globale ökologische Zusammenhänge nicht erfahren.
Doch das ist nur der Anfang, noch überschattet von dem Schrecken über das Ausmaß der Kräfte, über die die Menschheit mittlerweile verfügt. Wenn wir uns von diesem Schrecken erholt und die Lage auf der Erde einigermaßen stabilisiert haben (was noch eine Weile dauern kann, wenn es denn überhaupt gelingt), wird sich die neue Idee erst richtig entfalten können. Sie wird von den unermesslichen Räumen handeln, die sich über der Erde erstrecken, von einer beispiellosen kulturellen Vielfalt und von Entdeckungen, Erkenntnissen und Erfahrungen, die wir noch kaum ahnen. Das Kosmische Zeitalter hat gerade erst begonnen.