Der gutmütige Einfluss Deutschlands und das trotzige Kind Mali

Bild: Defensie Magazin, Niederlande/CC0 1.0

Nachrichten in leichter Sprache: Das Zentrum für internationale Friedenseinsätze zeigt, wie sich der Hintergrund von Bundeswehreinsätzen schön aufgeräumt aufziehen lässt

Das Zentrum für internationale Friedenseinsätze (ZIF) wurde 2002 von auf Initiative der Bundesregierung als gemeinnützige GmbH gegründet, die sich im alleinigen Besitz des Auswärtigen Amtes befindet.

Ihre Aufgabe besteht wesentlich darin, zivile Kräfte zu rekrutieren und auszubilden, um diese in Umsetzung des vernetzten Ansatzes v.a. flankierend zu Einsätzen der Bundeswehr ins Ausland entsenden zu können.

Darüber hinaus ist es an der fortwährenden Weiterentwicklung der Doktrin der vernetzten Sicherheit bzw. der zivil-militärischen Zusammenarbeit wie auch (eher implizit) an einer regierungsnahen Öffentlichkeitsarbeit beteiligt, welche u.a. Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich als "Friedenseinsätze" kommuniziert.

Mitte März hat das ZIF ein "kompakt spezial" zu den aktuellen Entwicklungen in Mali veröffentlicht.1

Bereits stilistisch erinnert es beim Versuch, die Lage zu beschreiben, an Nachrichten in leichter Sprache. Dies setzt sich in einer sehr unterkomplexen Darstellung der Konflikte vor Ort vor, die sich grob dadurch auszeichnet, dass sie alles Scheitern und alle Probleme allein der Regierung und den Gesellschaften vor Ort zuschreibt.

Interventionen: Fast ausnahmslos selbstlose Hilfsangebote

Demgegenüber werden die ausländischen Interventionen fast ausnahmslos als selbstlose Hilfsangebote dargestellt, welche nichts mit der sich beständig verschlechternden Sicherheitslage zu tun hätten und diesen Prozess trotz bestem Willen eben wegen der Widerstände und Ressentiments vor Ort bislang nicht aufhalten könnten.

Das dargestellte Verhältnis zeugt von einem zutiefst patriarchalen Verständnis, in dem Mali als trotziges Kind erscheint, das sich dem gutmütigen Einfluss der ehemaligen Kolonialmacht, Deutschlands und der EU verweigert.

So ist bereits im ersten Absatz zur Konfliktgeschichte keine Rede von der Nato-Intervention 2011 in Libyen, die zumindest als Katalysator für die Eskalation in Mali gewirkt hat. Stattdessen wird auf eine "Rebellion" im Norden des Landes verwiesen und dass daraufhin "Frankreich auf Bitte der Regierung Malis in den Konflikt" eingegriffen hätte. Später habe sich "der geografische Fokus der Krise vom Norden ins Zentrum des Landes verschoben".

Erst "seit 2020" spricht das ZIF von "einer tiefen politischen Krise", die aus "Monaten teils gewaltsamer Demonstrationen" und der Absetzung des Präsidenten durch das Militär entstanden sei. Die französischen Luftangriffe auf eine Hochzeitsgesellschaft nahe dem Ort Bounti im Januar vergangenen Jahres (Allons Enfants? - Umstrittene französische Luftangriffe in Mali) werden nicht erwähnt.

Wohl aber wird darauf hingewiesen, dass die malische Regierung "geschickt anti-französische Ressentiments in der Bevölkerung" nutze. Auf die aktuelle Situation bezogen ist von einer "schwierige[n] Zusammenarbeit mit der politisch isolierten Militärregierung" und einem "reformunwilligen Partner[s]" die Rede.

Bei der anschließenden Darstellung der internationalen (Militär-)Missionen herrscht ein anderes Vokabular vor. Die UN-Mission Minusma etwa diene der "Unterstützung der malischen Regierung" und dem "Schutz der Zivilbevölkerung". Die Eucap-Mission "stärkt unter deutscher Beteiligung die Fähigkeiten der malischen Polizei, Nationalgarde und Gendarmerie" und ihr militärisches Pendant solle die "die Sicherheitskräfte Malis und der anderen G5-Sahel-Staaten (Burkina Faso, Mauretanien, Niger und Tschad) befähigen".

Auch die Aufgaben der gemeinsamen Mission europäischer Spezialkräfte ("Takuba") wird mit den Verben "beraten, unterstützen und begleiten" umschrieben. Anders charakterisiert werden hingegen die malischen "Sicherheitskräfte", denen "Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung … vorgeworfen" würden oder die "berüchtigte private russische Sicherheitsfirma Gruppe Wagner", der ebenfalls "zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen" würden.

So lässt es sich vermeintlich allein durch lokale Widerstände und Widerwillen erklären, dass "[t]rotz des Einsatzes umfangreicher militärischer Mittel durch Minusma, Barkhane, Takuba und die JF-G5S, trotz jahrelanger Beratung und Trainings der malischen Sicherheitskräfte durch EUTM und EUCAP und trotz erheblichen Engagements in der Entwicklungszusammenarbeit [...] sich weder die Sicherheitslage noch die wirtschaftliche Situation weiter Teile der Bevölkerung in den Jahren seit 2013 verbessert" hat.

Folgerungen

Welche Schlüsse zieht nun das ZIF für die bestehenden Einsätze der Bundeswehr und die Eucap-Mission aus dem Scheitern ihrer gutgemeinten Ansätze an Widerständen vor Ort?

Für die EU-Mission zur Ausbildung der Streitkräfte wird eine Einstellung in Mali nahegelegt, weil dort "jeder Wille zu einer durchgreifenden Reform des Sicherheitssektors" fehle. Im benachbarten Niger hingegen erscheine "ein weiteres Engagement der Aktivitäten in Abstimmung mit der dortigen Regierung und den europäischen Partnern sinnvoll".

Für die deutsche Beteiligung an Minusma wird eine Fortsetzung und ggf. sogar Ausweitung ("...die militärischen und polizeilichen Komponenten besser auszustatten") empfohlen. Hierbei wird suggeriert, dass ein Ende der Mission oder auch nur der deutschen Beteiligung ein "Ende des Friedensprozesses" bedeuten, damit "die Sicherheitslage in Mali noch einmal dramatisch verschlechtern und damit den Islamisten in die Hände spielen" würde.

Komplexer wird die Argumentation in Hinblick auf die Mission EUCAP Sahel Mali, mit der ja v.a. die Polizei- und Gendarmeriekräfte der (zutreffend) als "Junta" bezeichneten malischen Regierung ausgebildet werden, die aber mit der Bekämpfung illegalisierter Migration ein zentrales Interesse Deutschlands und der EU bedient.

Entsprechend wird hier eine graduelle (vermutlich eher sprachliche) Neuausrichtung hin zur "Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte, Bekämpfung der Korruption und Beendigung der Straflosigkeit in den Sicherheitskräften" und damit tendenziell eine Ausweitung vorgeschlagen. Wie das in der Praxis angesichts der "schwierigen Zusammenarbeit" mit einer "reformunwilligen" Regierung – die sich auf diese "Sicherheitskräfte" abstützt – funktionieren soll, bleibt jedenfalls offen.

Ohnehin ist gegen Ende des Textes eine gewisse Abkehr vom Stil der einfachen Sprache auszumachen und stattdessen ein stärkerer Rückfall in gängige Floskeln des auswärtigen "Engagements". So solle die Entscheidung über die Zukunft der deutschen Militäreinsätze "sowohl von Werten als auch von Interessen geleitet sein. Erstere erfordern den weitestmöglichen Schutz der malischen Bevölkerung vor Gewalt, aber auch vor Armut und Hunger.

Letztere verlangen die Fortsetzung der Bekämpfung des harten Kerns der Terrororganisationen ISGS und JNIM und der mit ihnen eng verwobenen organisierten Schleuser-, Waffen- und Drogenkriminalität". Beides hat bereits in der Vergangenheit unter besseren Umständen keinen Erfolg gehabt.

Im vorletzten Absatz ist dann aber auch nochmal von anderen Interessen die Rede, wenn es heißt, dass ein "weitgehender Rückzug von Deutschland und anderen europäischen Ländern aus allen Friedenseinsätzen in dem Land ... erhebliche Risiken" berge: "Er könnte dazu führen, dass andere Akteure wie etwa Russland versuchen, die Lücke zu füllen und damit in der Nachbarschaft Europas weiter an Einflussmöglichkeiten gewinnen."

Die "Friedenseinsätze" dienen also offenbar doch auch dem Ziel, "andere Akteure" aus der "Nachbarschaft Europas" fernzuhalten und ihnen "Einflussmöglichkeiten" zu verwehren – gerade dann, wenn die amtierende Regierung sich mit deren Hilfe versuche, "dem westlichen Druck zu Reformen" zu entziehen. Wie ein trotziges Kind.