Der lange Arm der Ölindustrie

Seite 2: Im Dienste des Öls

In der Unionsfraktion des Bundestags sind ja zuletzt diverse Abgeordnete dadurch aufgefallen, dass sie recht erfolgreich Masken an ihren Parteifreund Jens Spahn vermittelt haben. Das ist der Bundesgesundheitsminister, der zu sehr mit der Schließung von Krankenhäusern beschäftigt war, als dass er Zeit zum Lesen von Pandemie-Szenarien oder das Anlegen von Notfallbeständen gehabt hätte.

Nun weist Christian Stöcker im Spiegel darauf hin, dass zumindest ein Teil dieser Abgeordneten auch im Sold eines kriegerischen Ölstaates standen. Aserbaidschan, das unlängst mit tatkräftiger Unterstützung des Nato-Landes Türkei seinen Nachbarn Armenien überfallen hatte, lässt sich die Pflege der hiesigen politischen Landschaft schon seit längerem einiges kosten.

Offensichtlich mit Erfolg: In den Kreisen der Regierungsparteien nehmen wenige Anstoß daran, dass türkische Nationalisten und die Regierung in Ankara das Verhältnis zu Baku als "eine Nation, zwei Staaten" bezeichnen und entsprechend Aserbaidschan beim Angriff auf Armenien unterstützten. Die den Völkermord an den Armeniern verurteilende Resolution des Bundestags von 2016 scheint nicht einmal das Papier wert, auf die sie gedruckt wurde.

Interessant ist dabei, dass sich Abgeordnete mit besonders innigen Beziehungen zum autokratisch regierten Ölstaat Aserbaidschan wie Axel Fischer zugleich auch als Gegner der Energiewende und des Klimaschutzes hervortun.

So auch der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Thomas Bareiß, der im vergangenen Jahr dadurch auffiel, dass er versuchte, die Belieferung Aserbaidschans mit Beatmungsgeräten eines deutschen Hersteller zu beschleunigen. Hauptberuflich ist der in seinem baden-württembergischen Wahlkreis direkt gewählte Bareiß seit 2018 im Wirtschaftsministerium für Energiepolitik und Tourismus zuständig und nicht gerade für aktive Unterstützung des Ausbaus von Sonne und Wind bekannt.

Rachejustiz

Der New Yorker Anwalt Stephen Donziger bleibt weiter im Hausarrest, wie er nach einem am Montag gefassten Gerichtsbeschluss auf Twitter berichtet.

Dort sitzt er mit einer Fußfessel bereits seit über 600 Tagen und wartet auf seinen Prozess. Ihm wird Missachtung des Gerichts vorgeworfen, nachdem er dagegen protestiert hatte, dass sein Mobiltelefon und sein Laptop beschlagnahmt und dem Ölkonzern Chevron übergeben wurden.

Die britische Zeitung Guardian beschrieb den Fall am vergangenen Sonntag. Demnach hatte Donziger 2011 in Ecuador nach jahrelangem Rechtsstreit bewirkt, dass Chevron zu einem Schadensersatz in Höhe von 9,5 Milliarden US-Dollar für großflächige Umweltverschmutzungen mit schwerwiegenden Gesundheitsfolgen für die Anwohner im Nordosten des Landes verurteilt wurde.

Der Konzern weigerte sich allerdings die vom obersten Gerichtshof des Landes bestätigte Strafe zu bezahlen. Stattdessen hat er einen der beteiligten Richter in die USA geholt, dort mit allerlei Wohltaten für sich und seine Familie versorgt und schließlich von ihm nach langen Gesprächen eine Aussage bekommen, die Donziger der Bestechung beschuldigt. Auf Grundlage dieser zwischenzeitlich widerrufenen Aussagen wird nun seit Jahren gegen Donziger und mehrere Dutzend ecuadorianische Kläger vor einem US-Gericht vorgegangen.

Das US-Magazin The Nation schreibt, dass die zuständige Staatsanwalt in New York sich geweigert habe, den Fall zu verfolgen und der Bundesrichter Lewis A. Kaplan daher eine private, mit Chevron in Verbindung stehende Kanzlei mit der Verfolgung beauftragt habe.

"Richter Kaplan hat in dem Verfahren de facto wie ein Anwalt Chevrons agiert", schrieben letztes Jahr diverse Anwaltsorganisationen, die zusammen 500.000 Juristinnen und Juristen vertreten, in einer Beschwerde über das Vorgehen gegen ihren Kollegen.

Sonst noch

Ansonsten ließe sich noch über den Zusammenhang zwischen US-amerikanischen Gas-Fracking und der Plastikschwemme oder neuen Verfahren zur Gewinnung von Lithium berichten.

Auch über die weiteren Verzögerungen beim Ausbau der Windenergie oder der besorgniserregenden Ansinnen, Wälder in Kohlekraftwerken zu verheizen, und sich dies noch mit Steuergeldern subventionieren zu lassen, wäre zu schreiben.

Erwähnenswert sind auch Berichte von Lobbycontrol, wonach sich die deutsche Energieagentur ihre Leitstudie "Aufbruch Klimaneutralität" unter anderem von Unternehmen der Gasindustrie hat schreiben lassen. Manches davon wird in den nächsten Tagen vielleicht noch näher beleuchtet werden. Hier soll nur noch kurz erwähnt werden, dass in der Schweiz junge Umweltschützerinnen und Umweltschützer eine Auseinandersetzung über einen großen Steinbruch führen.

In der Nähe des Orts La Sarraz nördlich von Lausanne will der weltweit führende Zementhersteller LafargeHolcim seinen Kalksteinbruch ausweiten und dafür ein wertvolles Waldökosystem in der Zentraljura zerstören. Die Herstellung von Zement ist nach der Verbrennung fossiler Kraftstoffe eine der wichtigsten Quellen des Treibhausgases CO2.

Auf Twitter berichten die Aktivistinnen und Aktivisten von ihren Blockaden und deren Räumung durch die Polizei. Hier, hier und hier sind auf YouTube ein paar aktuelle Impressionen von dem Steinbruch, der umgebenden Landschaft und den Protesten zu sehen, und im deutschen Marburg gab es am Dienstag eine kleine Solidaritätsaktionen.

Die Klimaschützerinnen und Klimaschützer werfen dem Konzern neben der Umweltzerstörung auch vor, in Syrien Schutzgelder an den sogenannten Islamischen Staat gezahlt zu haben. Deshalb solidarisierten sie sich auch ausschließlich mit den kurdischen Milizen YPG und YPJ, letzteres eine reine Frauenmiliz, die sich dem IS entgegengestellt und Tausende Yeziden vor ihm gerettet hatten.

Am Dienstagabend berichteten Schweizer Medien, dass die Räumung abgeschlossen sei. 12 Personen befänden sich noch im Gewahrsam.