Der lange Marsch durch die Konferenzen
Erneuerbare Energie als Thema auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung?
Noch steht nicht fest, welche Themen beim "Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung "(WSSD) in Johannesburg diskutiert werden. Die Frage einer nachhaltigen Energiezukunft könnte zum ersten Mal auf der Tagesordnung stehen
"Sollte das Thema Energie in Johannesburg wirklich diskutiert werden, wäre das schon ein enormer Schritt vorwärts", sagt Wolfgang Palz. Er hat über 20 Jahre Entwicklungsprogramme zu erneuerbaren Energien in Brüssel geleitet und zuletzt die EU-Kommission zur WSSD-Vorbereitungskonferenz in Bali beraten. Seine Einschätzung zeigt, wie bescheiden die Erwartungen von Vertretern Erneuerbarerr Energien an den Weltgipfel sind. Konkrete Beschlüsse werden gar nicht erst erwartet, nur soll endlich über Energiefragen geredet werden. Bisher haben vor allem die erdölexportierenden Länder jede Diskussion über das Thema verhindert. Hermann Scheer vom Weltrat für Erneuerbare Energien (WCRE) hat dafür eine einleuchtende Erklärung: "Der Einsatz erneuerbarer Energien bedeutet, dass der Primärenergiesektor, der Erdöl, Gas, Kohle und Uran fördert, überflüssig wird. Die heutige Energiewirtschaft ist dann der Verlierer."
Der vom 26. August bis 4. September 2002 tagende "Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung" bezieht sich direkt auf den "Erdgipfel" von 1992 in Rio de Janeiro. Damals erklärte die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung das Prinzip der "nachhaltigen Entwicklung" zum internationalen Leitbild. Zur Umsetzung dieses Prinzips verabschiedeten die Repräsentanten aus über 180 Ländern ein 330 Seiten starkes Zukunftspapier, die "Agenda 21". Obwohl erneuerbare Energien wie Sonne, Wind und Wasser per se nachhaltig sind, werden sie in der 330 Seiten starken Agenda nur am Rande erwähnt. Ein Kapitel "Energie" gibt es nicht. "Der Organisator von Rio wurde vermutlich bestochen, damit Erneuerbare Energie nicht thematisiert wurden" schimpft der Schweizer NGO-Vertreter Gustav R. Grob rückblickend. Auch bei der WSSD-Vorbereitungskonferenz auf Bali im Juni 2002 stieß das Thema auf massiven Widerstand:
Obwohl es um Armut geht und die Energieversorgung eine zentrale Rolle dabei spielt, wurde das Thema erneuerbare Energien wieder systematisch ausgeklammert und vermieden.
In Europa werden seit Jahren Programme zu erneuerbaren Energien gefördert. In den USA, einst Vorreiter in der Solartechnik, erfährt das Thema nach Den großflächigen Stromausfällen in Kalifornien eine zaghafte Renaissance. Und die G8-Staaten haben angesichts ihrer Ölabhängigkeit eine Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien eingerichtet. Nur auf der globalen Ebene der UN-Konferenzen verhindert vor allem die Gruppe der G77 jeglichen Fortschritt auf diesem Gebiet. Die G77, 1964 als Organisation der Entwicklungsländer gegründet, hat heute 133 Mitglieder und damit 133 Stimmen bei der UNO.
Neben den armen Ländern dieser Welt sind auch die überwiegend sehr reichen OPEC-Staaten in der G77 vertreten und geben dort den Ton an. Im Hinblick auf Johannesburg forderte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in ihrer letzten Bundestagsrede "die erdölimportierenden Entwicklungsländer auf, sich in der G77 nicht länger von den OPEC-Ländern bevormunden zu lassen, sondern mit den europäischen Ländern ein Bündnis zu schließen." Wieczorek-Zeul will den Anteil erneuerbarer Energien in den Entwicklungsländern bis 2010 auf 15 Prozent erhöhen. Schließlich seien die armen erdölimportierenden Entwicklungsländer am stärksten von schwankenden Erdölpreisen betroffen, die einen Großteil ihrer Deviseneinnahmen aufzehren. Das wiederholte Drängen der europäischen Vertreter und der unermüdliche Einsatz der NGO Delegationen scheinen bei den Vereinten Nationen etwas in Bewegung gebracht zu haben. Jüngste Äußerungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan lassen hoffen, dass neben Wasser, Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheit und Biodiversität auch das Thema Energie in Johannesburg behandelt wird. Die Frage einer nachhaltigen Energiezukunft stünde damit zum ersten Mal auf der Tagesordnung eines Weltgipfels.