Der langsame Riese
Die frühzeitlichen Seeskorpione mussten sich beim Landgang Zeit lassen
Obwohl Skorpione seit dem Silur nachgewiesen sind, sind fossile Überreste von ihnen rar. Ihr Außenskelett mineralisiert nur leicht an und hält sich nicht gut. Doch jetzt hat ein britischer Geologe die Fußspuren eine riesigen Exemplares eines frühen Skorpionverwandten entdeckt, der vor 330 Millionen Jahren an der schottischen Küste an Land unterwegs war. In der aktuellen Ausgabe von Nature stellt er seinen Fund kurz vor.
Rekordverdächtige Größe
Wie bei so vielen wissenschaftlichen Entdeckungen hatte der Zufall seine Hand auch bei diesem Fossilfund im Spiel. Als der Geologe Martin A. Whyte vom Institut für Geographie der Universität Sheffield eines schönen Tages an den schottischen Küsten spazieren ging, entdeckte er plötzlich Spuren im Gestein, die ihn stutzen ließen.
Bei einer genaueren Untersuchung stellte er fest, dass es sich um die Spuren eines Hibbertopterus aus der Gruppe der Eurypteriden handelte. Als Eurypteriden (Eurypterida) oder Breitflosser wird eine Gruppe von Kieferklauenträgern (Chelicerata) bezeichnet, die ausgestorben ist. Wegen ihres Aussehens nennt man sie auch Seeskorpione, und tatsächlich sind sie mit den Skorpionen verwandt. Nach dem Alter der Sedimentschicht zu urteilen, wandelte das Tier im unteren Karbon (355 bis 290 Millionen Jahre), vor etwa 330 Millionen Jahren, über Land.
Wie Whyte anhand der Fußspuren errechnete, hatte der Seeskorpion die beachtliche Länge von 1,60 Metern und eine Breite von einem Meter. Damit handelt es sich vermutlich um eines der größten bislang belegten Exemplare. Doch nicht nur seine Größe ist rekordverdächtig, auch die Länge seiner Spuren ist unübertroffen. Zudem ist die Tatsache, dass es sich um Fußspuren handelt, für die Forschung ein Glücksfall. Und sie lassen mehrere Schlüsse zu. Erstens war der frühzeitliche Riesenskorpion ein äußerst schwerfälliges Tier. Die Stellung seiner sechs eher kurzen Beine von unterschiedlicher Länge lässt darauf schließen, dass sie sich nicht alternierend, sondern parallel bewegten. Das Riesentier hat sich also vermutlich sehr langsam und mühsam vorwärts gezogen.
Früher Landgänger
Aus dem Fundort schließt Whyte, dass sich das Tier nicht im Wasser befand. Das Spurenfossil gehört damit zu dem ersten Exemplar eines Seeskorpions, der sich mit Sicherheit an Land bewegte. Die einzige andere bekannte Spur eines Eurypteriden weist völlig andere Eigenschaften auf und gehört zu einem schwimmenden Tier. Das ist ein wichtiger Hinweis zur Beantwortung einer anderen Frage, die die Forscher schon seit längerem zu beantworten suchen: Ob nämlich die Seeskorpione an das Leben im Wasser gebunden waren oder ob sie sich auch länger an Land aufhalten konnten.
Der Bau ihres Kauapparats, so Whyte gegenüber Telepolis, spricht dafür, dass sie sich im Wasser ernähren mussten. Doch die von ihm gefundene Spur zeige unzweifelhaft, dass sich das Tier an Land bewegt habe, auch wenn es dort mit Sicherheit nicht heimisch war. Auch zeitlich ist der Landgang des Hibbertopterus interessant. Er fällt der zusammen mit dem Zeitpunkt an dem die ersten Tetrapoden die ersten Schritte aus dem Meer unternahmen und begannen, das Land zu erobern.
Den exakten Fundort seines Hibbertopterus will Whyte noch nicht verraten. Er liegt irgendwo im Midland Valley von Schottland und soll erst bekannt gegeben werden, wenn der Geologe noch weitere Studien unternommen und einen Abguss der Spur angefertigt hat.